Sozialrecht -

Fristlose Kündigung in der privaten Krankenversicherung

Der Bundesgerichtshof hat zuden Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung durch den Versicherer in der privaten Krankenversicherung entschieden.

Im vorliegenden Fall hatte der Versicherer die Kündigung darauf gestützt, der Versicherungsnehmer hätte trotz gemeldeter Arbeitsunfähigkeit seine Berufstätigkeit weiterhin ausgeübt und dadurch unberechtigt Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung zu erschleichen versucht.

Sachverhalt:

Nach den Versicherungsbedingungen setzt der Anspruch auf Krankentagegeld Arbeitsunfähigkeit voraus. Diese liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Der Kläger, ein selbständiger Architekt,schloss im Jahre 1990 bei der beklagten Versicherungsgesellschaft eine Krankheitskosten-, eine Pflegepflicht- und eine Krankentagegeldversicherung ab. Im Jahre 2004 zeigte er seine Arbeitsunfähigkeit an. Nachdem die Beklagte wiederholt Krankentagegeld geleistet hatte, stellte sie die Zahlungen an den Kläger im Februar 2005 ein.

Die Beklagte, die daran zweifelte, dass der Kläger nach medizinischem Befund nicht imstande war, seinen Beruf auszuüben, beauftragte ein Unternehmen mit der Überprüfung des Klägers im Hinblick auf eine tatsächliche Berufsausübung. Ein Mitarbeiter dieses Unternehmens, der Zeuge A., nahm Kontakt mit dem Kläger auf und gab sich als Bauinteressent aus. Es kam daraufhin im März 2005 zu drei Treffen mit dem Kläger. Nachdem die Beklagte hiervon erfahren hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 30. März 2005 die fristlose Kündigung mit der Begründung, der Kläger sei beruflich tätig geworden und habe gleichzeitig Krankentagegeld geltend gemacht.

Der Kläger hält die Kündigung für unbegründet und beantragt festzustellen, dass das Krankenversicherungsverhältnis insgesamt fortbesteht. Das Landgericht Tübingen hat angenommen, dass die Beklagte zur außerordentlichen Kündigung allein der Krankentagegeldversicherung berechtigt gewesen ist. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Stuttgart(VersR 2006, 1485) die Feststellungsklage insgesamt abgewiesen, weil die fristlose Kündigung auch zur Beendigung der Krankheitskosten- und der Pflegepflichtversicherung geführt habe.

Entscheidung:

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision des Klägers festgestellt, dass das Krankenversicherungsverhältnis insgesamt fortbesteht. Die Beklagte war bereits zur außerordentlichen Kündigung der Krankentagegeldversicherung nicht berechtigt. Zwar war der Kläger an den drei Tagen, an denen er mit dem Zeugen A. über die Verwirklichung von dessen (angeblichem) Bauvorhaben gesprochen hatte, nicht bedingungsgemäß arbeitsunfähig, weil er damit seine berufliche Tätigkeit ausgeübt hatte, zu der bei einem selbständigen Architekten auch die Akquisition neuer Kunden gehört.

Unter einer Ausübung beruflicher Tätigkeit sind alle selbst geringfügigen Tätigkeiten zu verstehen, die dem Berufsfeld des Versicherungsnehmers zuzuordnen sind. Der Kläger hatte deshalb für drei Tage zu Unrecht Krankentagegeld verlangt.

Dies berechtigte die Beklagte aber nicht zur Kündigung der Krankentagegeldversicherung aus wichtigem Grund. Ein wichtiger Grund liegt nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Diese erforderliche Gesamtabwägung ist in den Vorinstanzen nicht im rechtlich gebotenen Maß durchgeführt worden. Insbesondere wurde nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger nur in geringem Umfang beruflich tätig geworden war, die Tätigkeit sich auf die Besprechungen mit dem Zeugen A. beschränkten und die Beklagte ihre Leistungen eingestellt hatte.

Quelle: BGH - Pressemitteilung vom 18.07.07