Sozialrecht -

Keine Entlastung erziehender Väter von Rentenversicherungsbeiträgen

Sind Rentenversicherungspflichtige mit Kindern bei der Beitragspflicht anders zu behandeln als Kinderlose?

Mit dieser Frage hatte sich des Bundessozialgericht zu beschäftigen. Die auf Grund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Kläger der vorliegenden Verfahren berufen sich jeweils darauf, sie hätten sich durch die Erziehung von Kindern bereits ausreichend an den Lasten des Systems beteiligt und dürften darüber hinaus nicht zu Beiträgen in Geld herangezogen werden.

Zumindest seien die von ihnen zu tragenden Beiträge gegenüber denjenigen Kinderloser zu mindern. Ein Kläger wendet sich darüber hinaus gegen seine Einbeziehung in das System überhaupt.

Die Revisionen der Kläger waren jeweils nur zu einem geringen Teil und insoweit erfolgreich, als sich die zuständigen Krankenkassen als Einzugsstellen auf die Regelung einzelner Beitragselemente beschränkt haben, statt die sich für die einzelnen streitigen Zeiträume ergebenden Beträge konkret zu bestimmen. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der Kläger zurückgewiesen worden. Die Kläger haben jeweils keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragsfrei sind oder ihre Beiträge zumindest herabzusetzen sind.

So steht zunächst die gesetzliche Anordnung der Rentenversicherungspflicht im Einklang mit der Verfassung und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Ebenso ergeben sich auch gegen die verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenkliche Heranziehung zu Sozialversicherungsbeiträgen Zweifel auch nicht im Blick auf das Urteil des BVerfG vom 3. April 2001 (1 BvR 1629/94), auf das sich die Kläger wesentlich stützen. Das genannte Urteil ist auf Regelungen der sozialen Pflegeversicherung beschränkt und kann daher auch nur insofern Bindungswirkung ent­falten. Dies gilt auch, soweit das BVerfG dem Gesetzgeber aufgegeben hat, bis längstens 31. Dezember 2004 eine verfassungsmäßige Neuregelung zu treffen und die Länge dieses Zeitraums unter anderem damit begründet hat, dass die Bedeutung dieses Urteils auch "für andere Zweige der Sozialversicherung" zu prüfen sein werde.

Im Rahmen der vorliegenden Rechtsstreitigkeiten kann es allein darauf ankommen, ob sich aus der Verfassung unmittelbar und zwingend eine Ausgestaltung des Beitragsrechts der gesetzlichen Ren­tenversicherung im Sinne der Kläger als schon jetzt (verfassungs-)rechtlich allein zulässige ergibt. Die erforderliche Überzeugung hiervon konnte der Senat auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 3. April 2001 nicht gewinnen. Das BVerfG hat vielmehr auch im damaligen Zusammen­hang seine ständige Rechtsprechung bestätigt (und später etwa für das Recht der Alterssicherung der Landwirte ausdrücklich wiederholt - Beschluss vom 9. Dezember 2003, 1 BvR 558/99), dass in der gesetzlichen Rentenversicherung dem Gesichtspunkt der Kindererziehung durch die rentensteigernde Anrechnung entsprechender Zeiten Rechnung getragen werden kann. Selbst für das Recht der sozi­alen Pflegeversicherung, das eine leistungsrechtliche Berücksichtigung nicht erlaubt, geht das BVerfG im Übrigen ausdrücklich davon aus, dass die Belastung Kinder erziehender Versicherter mit Beiträgen weder von Verfassungs wegen von vorne herein verboten ist, noch der Staat gehalten ist, eine der­artige Belastung auszugleichen. Ebenso wird entgegen anders lautenden Behauptungen in der Lite­ratur auch dort nicht von einer rechtlichen Gleichwertigkeit von Kindererziehung ("generativer Beitrag") und von Beiträgen in Geld ausgegangen.

Eine Ausgestaltung der gesetzlichen Rentenversicherung in dem Sinne, dass allein kinderlose Versicherte die finanziellen Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung tragen, ihrerseits jedoch - wie es jedenfalls von einem Kläger angedeutet wurde - keine Leistungen beziehen dürfen, ist schon hiernach verfassungsrechtlich nicht geboten. Abgesehen davon, dass andernfalls die gesetzliche Rentenversicherung als Teilsystem für sich in Anspruch nähme, mit der allgemeinen Staatsaufgabe "Familienför­derung" ihre eigenen Grundlagen zu regeln, wäre die beitragsmindernde oder gar beitragsbefreiende Berücksichtigung des Aufwands für Kinder auch in der gesetzlichen Rentenversicherung zudem schwer vereinbar mit der ihrerseits verfassungsgerichtlich stets gebilligten Binnenstruktur des Systems. Insbesondere würde das bisherige System der Beitragserhebung nach Maßgabe des Bruttoein­kommens auf Grund eines sachfremden Umstandes durchbrochen, der mit dem Verwendungszweck dieser Mittel (Ersatz von Erwerbseinkommen für nicht mehr Erwerbstätige) nichts zu tun hat. Zum anderen ist es nicht fernliegend, dass bei einer erstmaligen Durchbrechung des Prinzips schon aus Gleichheitsgesichtspunkten zwangsläufig weitere - ebenfalls und nicht weniger schlüssig mit dem Gesichtspunkt der Systemnützlichkeit begründete - folgen müssen, sodass ein einseitig nach den Vorstellungen der Kläger "reformiertes" System in der Gefahr stünde, seine Existenzfähigkeit über­haupt zu verlieren.

Es konnte in den vorliegenden Verfahren nicht darauf ankommen, ob in der Wissenschaft oder in der Politik diskutierte Alternativmodelle ggf. im Einklang mit dem Grundgesetz stehen.

Quelle: BSG - Pressemitteilung vom 06.07.06