Sozialrecht -

Krankenbehandlung im Ausland

Der absolute Ausschluss der Erstattung der Kosten einer stationären Behandlung im Ausland verstößt gegen das Gemeinschaftsrecht.

Ein System der vorherigen Genehmigung oder die Festlegung von Tabellen für die Erstattung jedoch könnte die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts besser wahren.

Der in Griechenland ansässige Dimitrios Stamatelakis war beim Organismos Asfaliseos Eleftheron Epangelmation (Versicherungseinrichtung der freien Berufe), dem Nachfolger des Tameio Asfaliseos Emboron (Sozialversicherung der Kaufleute) versichert. Er wurde 1998 zwei Mal in der Privatklinik London Bridge Hospital im Vereinigten Königreich stationär behandelt und zahlte für diese Behandlung 13 600 GBP. Die Erstattung dieser Kosten wurde mit der Begründung abgelehnt, dass nach griechischem Recht1 die Kosten für die stationäre Behandlung in Privatkliniken im Ausland nicht erstattungsfähig seien, es sei denn, sie beträfen Kinder im Alter von bis zu 14 Jahren.

Nach dem Tod von Herrn Stamatelakis erhob seine Ehefrau und Erbin, Frau Aikaterini Stamatelaki, Klage beim Dioikitiko Protodikeio Athinon, das den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften danach gefragt hat, ob die griechische Regelung im Einklang mit den Grundsätzen des Vertrags im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs stehe.

Der Gerichtshof erinnert zunächst daran, dass das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt lässt: In Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene bestimmt das Recht jedes Mitgliedstaats, unter welchen Voraussetzungen Leistungen der sozialen Sicherheit gewährt werden. Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Gemeinschaftsrecht beachten, insbesondere den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs. Dieser untersagt es den Mitgliedstaaten, ungerechtfertigte Beschränkungen der Ausübung dieser Freiheit im Bereich der Gesundheitsversorgung einzuführen oder beizubehalten.

Sodann führt der Gerichtshof aus, dass ein Bürger, der in einem öffentlichen Krankenhaus oder einer Vertragsprivatklinik in Griechenland behandelt wird, im Fall einer stationären Behandlung keine Kosten zu entrichten hat, während er Kosten zu entrichten hat und sie ihm nicht erstattet werden, wenn er in einer Privatklinik in einem anderen Mitgliedstaat behandelt wird. So werden die Kosten für eine dringende stationäre Behandlung in einer Privatklinik in Griechenland, mit der kein Vertrag geschlossen wurde, dem Patienten erstattet, während dies nicht der Fall ist, wenn es sich um eine dringende stationäre Behandlung in einer Privatklinik in einem anderen Mitgliedstaat handelt.

Für den Gerichtshof ist offenkundig, dass eine solche Regelung die Patienten davon abschreckt, sich an Erbringer von Krankenhausdienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat, dessen Systemen sie angehören, zu wenden, und daher eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt.

Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Absolutheit des Verbots (außer für Kinder im Alter von bis zu 14 Jahren) nicht mit den Zielen der Erhaltung eines bestimmten Umfangs der medizinischen und pflegerischen Versorgung oder eines bestimmten Niveaus der Heilkunde im Inland wie auch der Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des nationalen Systems der sozialen Sicherheit vereinbar ist.

Vielmehr könnten weniger einschneidende und den freien Dienstleistungsverkehr besser wahrende Maßnahmen vorgesehen werden, wie etwa ein System der vorherigen Genehmigung, das den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts genügt, oder auch die Festlegung von Tabellen für die Erstattung.

Quelle: EUGH - Pressemitteilung vom 19.04.07