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Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Wirksame Altersabstandsklausel in Versorgungszusage

Ehegatten, die mehr als 15 Jahre jünger sind als der Versorgungsberechtigte, können von Ansprüchen auf Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen werden. Das BAG hat entschieden, dass eine solche Regelung keine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßende Altersdiskriminierung darstellt. Bei einer sog. Späteheklausel hatte das BAG dies noch anders gesehen.

Sachverhalt

Eine 1968 geborene Witwe hatte ihren 1950 geborenen Ehemann im Jahr 1995 geheiratet. Dieser war in der Zeit vom 01.10.1987 bis zum 30.06.2011 bei seinem Arbeitgeber tätig, der ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses eine Versorgungszusage erteilt hat. Deren § 11 enthält folgende Regelung:

„Ehegattenrente
1) Beim Tode eines Berechtigten mit Anspruch oder Anwartschaft auf Rente hat sein ihn überlebender Ehegatte Anspruch auf eine Ehegattenrente.
2) Ein Anspruch auf Ehegattenrente setzt voraus, dass (...)
d) der Ehegatte nicht um mehr als 15 Jahre jünger ist als der Berechtigte.“

Mit Beschluss des AG Mühldorf am Inn vom 01.11.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet. Der Arbeitnehmer ist im Jahr 2011 verstorben.

Die Witwe ist der Ansicht, die Altersabstandsklausel gem. § 11 Abs. 2 d) der Versorgungszusage verstoße gegen das AGG sowie gegen die RL 2000/78/EG und sei deshalb unwirksam. Sie habe einen Anspruch gegen den Pensionssicherungsverein (PSV a.G.) als Träger der Insolvenzsicherung auf Zahlung einer Witwenrente.

Das ArbG Köln hat die Klage mit Urteil vom 02.12.2015 (2 Ca 9521/14) abgewiesen. Das LAG Köln hat auf die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 31.08.2016 (11 Sa 81/16) das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Es hat die Revision zugelassen. Das BAG hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Sieht eine Regelung in einer Versorgungsordnung vor, dass Ehegatten nur dann eine Hinterbliebenenversorgung erhalten, wenn sie nicht mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte sind, liegt darin keine gegen das AGG verstoßende Diskriminierung wegen des Alters.

Die Altersabstandsklausel in § 11 der Versorgungszusage bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach § 3 Abs. 1 AGG. Der Ausschluss von Ehegatten, die mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte sind, von Ansprüchen auf Hinterbliebenenversorgung ist aber nach § 10 AGG gerechtfertigt.

Der Arbeitgeber, der eine Hinterbliebenenversorgung zusagt, hat ein legitimes Interesse, das hiermit verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen. Die Altersabstandsklausel ist auch erforderlich und angemessen. Sie führt nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, die von der Klausel betroffen sind.

Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren ist der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringt. Zudem werden wegen des Altersabstands von mehr als 15 Jahren nur solche Ehegatten von dem Ausschluss erfasst, deren Altersabstand zum Ehepartner den üblichen Abstand erheblich übersteigt.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das BAG ergänzt seine Rechtsprechung zu Gestaltungen der Hinterbliebenenversorgung. Im Urteil vom 15.10.2013 (3 AZR 653/11) hatte es die Zulässigkeit einer Klausel bejaht, durch die eine Versorgungszusage den Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerversorgung davon abhängig macht, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. Dagegen hat es die Wirksamkeit einer Spätehenklausel im Urteil vom 04.08.2015 (3 AZR 137/13) verneint. Nunmehr bejaht es mit der vorliegenden Entscheidung die Zulässigkeit einer Altersabstandsklausel.

Gewiss wäre auch ein anderes Ergebnis vertretbar gewesen. Schließlich bewegen wir uns im Bereich der subjektiven Wertung im Rahmen der doppelten Angemessenkheitsprüfung des § 10 Satz 1, Satz 2 AGG. Der Entscheidung ist gleichwohl zuzustimmen. Insbesondere ist neben den legitimen Interessen der Arbeitgeber an einer Kalkulierbarkeit der Kosten von Zusagen der Hinterbliebenenversorgung auch das gemeinwohlorientierte Ziel der Stärkung der betrieblichen Altersversorgung als zweite Säule der Alterssicherung zu berücksichtigen.

Eine Einschränkung der Freiheit der Ausgestaltung von arbeitgeberfinanzierten Zusagen der Hinterbliebenenversorgung kann dazu führen, dass Arbeitgeber solche freiwilligen Zusagen überhaupt nicht mehr erteilen.

Praxishinweis

Die unionsrechtliche Problematik einer unmittelbaren Benachteiligung durch eine Altersabstandsklausel hat keinen Eingang in die Pressemitteilung zur Urteilsverkündung des BAG gefunden. Anlass für eine Vorlage an den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sieht das BAG also nicht.

Das BAG verneint schon im Urteil vom 04.08.2015 (3 AZR 137/13) die Möglichkeit der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG. Die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters bei der Zusage von Hinterbliebenenversorgung erfolgt also ausschließlich nach § 10 Satz 1, Satz 2 AGG.

Der vorliegenden Entscheidung liegen auch im Übrigen die Erwägungen aus dem Urteil vom 04.08.2015 (3 AZR 137/13) zugrunde. Lediglich das Ergebnis differiert. Anders als die Späteheklausel wertet das BAG die Altersabstandklausel als wirksam. Auch in Zukunft hängt die Wirksamkeit von Ungleichbehandlungen wegen des Alters bei Hinterbliebenenzusagen damit von der Interessenlage und Ausgestaltung im Einzelfall ab.

BAG, Urt. v. 20.02.2018 - 3 AZR 43/17

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber