Sozialrecht -

Zuständigkeitsstreit der Sozialversicherungsträger

Eine Krankenkasse kann bei Erwerbsminderung zwar das Krankengeld durch eine Rentenzahlung der Rentenversicherung ersetzen lassen, sie darf aber den Versicherten nicht zur Stellung des Rentenantrages auffordern.

Dies geht aus einer Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg hervor. Das Gericht entschied, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Versicherten nicht auffordern dürfen, einen formellen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung zu stellen. In den Urteilsgründen hat es jedoch bestätigt, dass die Krankenkasse über ein Rehabilitationsverfahren auf ein Rentenverfahren beim Versicherten hinwirken kann.

Sachverhalt:

 

 

 

Der Kläger war im Dezember 2003 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt nach Lohnfortzahlung seines Arbeitgebers von der beklagten Krankenkasse von Januar 2004 bis 01.06.2005 Krankengeld. Bei der im Februar 2004 veranlassten Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurde die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Erkrankung als zumindest erheblich gefährdet, wenn nicht sogar als gemindert beurteilt.

 

 

 

Die Krankenkasse forderte den zu diesem Zeitpunkt 62 Jahre alten Kläger deshalb auf, bis Mitte Mai 2004 beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf medizinische Rehabilitation (Reha-Antrag) zu stellen. Damit soll eine zu lange Krankengeldzahlung vermieden werden, dadurch dass der Versicherte nach der Kur wieder arbeitsfähig wird und Arbeitsentgelt erhält oder ihm nach Bestätigung der dauernden Erwerbsminderung Erwerbsminderungsrente gewährt wird.

 

 

 

Den daraufhin gestellten Reha-Antrag lehnte der Rentenversicherungsträger ab, weil aufgrund des Gesundheitszustandes ein Erfolg der Rehabilitationsmaßnahme nicht zu erwarten sei. Der Kläger sei nur noch vermindert erwerbsfähig. Der Reha-Antrag gelte nach den gesetzlichen Regelungen deshalb als Rentenantrag. Der Kläger müsse einen formellen Rentenantrag stellen, damit die leistungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung geprüft werden könnten.

 

 

 

Der Kläger weigerte sich, einen solchen Rentenantrag zu stellen. Die Krankenkasse hat deshalb den Kläger mit anfechtbarem Bescheid aufgefordert, einen formellen Rentenantrag beim Rentenversicherungsträger zu stellen. Dagegen hat der Kläger - erfolglos - Widerspruch eingelegt und dann Klage erhoben, denn er könne nicht gezwungen werden, Rente zu beantragen oder einer Umdeutung seines Reha-Antrags in einen Rentenantrag zuzustimmen. Das Sozialgericht Freiburg gab dem Kläger recht.

 

 

 

Entscheidung:

 

 

 

Der 11. Senat des Landessozialgerichts hat das Sozialgericht im Ergebnis bestätigt, doch dem Kläger verdeutlicht, dass er sich einer Entscheidung über eine Rentengewährung nicht entziehen könne. Die Krankenkasse könne vom Versicherten, der nicht nur vorübergehend arbeitsunfähig erkrankt, sondern auf Dauer vermindert erwerbsfähig ist, zwar nur verlangen, einen Reha-Antrag zu stellen.

 

 

 

Werde der Reha-Antrag vom Rentenversicherungsträger mangels Erfolgsaussicht aber abgelehnt, gelte er nach der gesetzlichen Fiktion als Rentenantrag, den der Kläger nur mit Zustimmung der Krankenkasse zurücknehmen könne. Eines formellen Rentenantrages, wie vom Rentenversicherungsträger und Krankenkasse verlangt, bedürfe es daher nicht.

 

 

 

Über den vom Gesetz fingierten Rentenantrag habe der zum Rechtsstreit beigeladene Rentenversicherungsträger noch zu entscheiden. Ob die Krankenkasse einen Teil des Krankengelds vom Rentenversicherungsträger durch rückwirkend zu gewährende Rente erstattet bekommt, hängt von der Entscheidung über den Rentenantrag ab.

Quelle: LSG Baden-Württemberg - Pressemitteilung vom 11.08.06