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Verkehrsrecht -

Verkehrsunfall: Mithaftung trotz Rotlichtverstoß des Unfallgegners

Auch nach einem Rotlichtverstoß des Unfallgegners ist eine Mithaftung möglich. Das OLG Frankfurt hat nach einer Kollision zwischen einem Linienbus und einem Pkw eine 1/5-Mithaftungsquote zulasten des Autofahrers angenommen, obwohl die Ampel für den Bus vor der Kollision bereits seit mindestens 22 Sekunden rot gezeigt hatte. Zulasten des Autofahrers wertete das Gericht u.a. ein Wendemanöver.

Darum geht es

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall. Bei dem Unfall in Frankfurt am Main wurde die Mutter des Klägers tödlich verletzt. 

Der Kläger fuhr mit dem Pkw seines Vaters in Frankfurt/Praunheim in südliche Fahrtrichtung die vom Beklagten in nördliche Richtung genutzte Straße. 

Der Kläger ordnete sich im Kreuzungsbereich auf der Linksabbiegerspur hinter vier weiteren Fahrzeugen ein. Nach dem Umschalten des Linksabbiegerpfeils auf Grün fuhr der Kläger als fünftes und letztes Fahrzeug in die Abzweigung ein. 

Der aus der entgegengesetzten Fahrtrichtung kommende Beklagte steuerte einen Linienbus und kollidierte bei seiner Geradeausfahrt mit dem Fahrzeug des Klägers. Er behauptet, seine Ampel habe Grün gezeigt.

Das Landgericht Frankfurt am Main hatte der Schadensersatzklage bei Annahme einer alleinigen Haftung des Beklagten ganz überwiegend stattgegeben (Urt. v. 23.09.2022 - 2-03 O 169/21). 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Auf die  Berufung des Beklagten hat das OLG Frankfurt am Main entschieden, dass den Kläger eine Mithaftung in Höhe von 1/5 trifft. Somit greift zulasten des beklagten Busfahrers eine Haftungsverteilung von 4/5.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass für keinen der Beteiligten der Unfall ein unabwendbares Ereignis gewesen sei, führte der Senat aus. 

Zu Lasten des Beklagten wirke, dass die Ampel für den Bus unmittelbar vor der Kollision bereits seit mindestens 22 Sekunden rot gezeigt habe. Dass eine Fehlschaltung in Form eines sog. feindlichen Grüns vorgelegen habe, sei auszuschließen. 

Die Ampelanlage sei auf ihre Funktionsfähigkeit hin geprüft worden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Busfahrer mit 58 km/h und damit mit leicht überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei.

Zulasten des Klägers wirke, dass dieser sich ungewöhnlich lange im Kreuzungsbereich aufgehalten habe. Er habe unter Nutzung der Linksabbiegespur ein Wendemanöver beabsichtigt. 

Dadurch habe er sich infolge der geringeren Geschwindigkeit länger (9 Sekunden) als üblich (4-4,5 Sekunden) im Kreuzungsbereich aufgehalten. Er habe die Kollision mit dem für ihn sichtbaren Bus bei rechtzeitiger Bremsung vermeiden können. Zudem sei von einem Gelblichtverstoß des Klägers auszugehen.

Die Abwägung der Verursachungsbeiträge auf Seiten des Beklagten (Rotlichtverstoß, überhöhte Geschwindigkeit und erhöhte Betriebsgefahr des Busses) und des Klägers (Gelblichtverstoß, längeres Aufhalten im Kreuzungsbereich infolge Wendemanövers) führe zu einer Haftungsverteilung von 4/5 zu Lasten des Beklagten und 1/5 zu Lasten des Klägers.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 23.09.2025 - 10 U 213/22

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 29.09.2025

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