Das Rechtsfahrgebot gilt auch im Kreisverkehr für Radler auf Fahrradschutzstreifen. Das hat das Landgericht Lübeck entschieden. Das Gericht nahm nach einer Kollision zwischen einem Pedelec und Auto eine Haftungsquote von 35 % zu 65 % an. Zulasten des Autofahrers griff der Anscheinsbeweis eines Vorfahrtsverstoßes und der Umstand, dass er auf einem Teil des Schutzstreifens gehalten hatte.
Darum geht es
Der Kläger fuhr mit seinem Auto in einen Kreisverkehr ein. Dort gilt die Vorfahrtsregelung nach § 8 Absatz 1a StVO.
Der Beklagte befuhr im Kreisverkehr mit seinem Pedelec den Fahrradschutzstreifen. Fahrradschutzstreifen sind ein durch eine gestrichelte Linie vom Rest der Fahrbahn abgetrennter Bereich für Radfahrer.
Fahrradschutzstreifen dürfen von Autos überfahren werden (halten dürfen Autos dort regelmäßig nicht). Im Gegensatz dazu dürfen Radfahrstreifen, die eigene Radspuren und durch eine durchgezogene Linie von der Fahrspur getrennt sind, von Autos nicht befahren werden.
Im Streitfall kam es zum Stau, der Autofahrer bremste, das Heck des Autos ragte dabei noch 20 bis 30 cm in den Fahrradschutzstreifen hinein. Der Pedelecfahrer kollidierte daraufhin mit dem stehenden Auto.
Vor dem Landgericht Lübeck forderte der Autofahrer Schadensersatz in Höhe von insgesamt 8.613,05 € (inkl. Gutachterkosten) von dem Pedelecfahrer. Die Einzelheiten des Unfallhergangs waren zwischen den Parteien streitig.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Landgericht Lübeck hat entschieden, dass der beklagte Pedelecfahrer 35 % der Schäden ersetzen muss. Die übrigen 65 % muss der Autofahrer tragen - insoweit hat das Gericht die Klage abgewiesen.
Das Pedelelec war im Streitfall nach § 1 Abs. 3 StVO als Fahrrad zu bewerten. Der Beklagte hätte nach dem Gericht mit seinem Pedelec äußerst rechts fahren müssen.
Denn der Fahrradschutzstreifen sei Teil der Fahrbahn, auf dem das Rechtsfahrgebot nach § 2 Abs. 2 StVO gelte, weil dieser nicht von der Fahrbahn abgetrennt, sondern ein markierter Teil der Fahrbahn war.
Der Beklagte ließ demnach die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Recht, weil er gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen habe. Wäre der beklagte Pedelecfahrer äußerst rechts gefahren, hätte er nach Überzeugung des Gerichts problemlos an dem Auto vorbeifahren können.
Zudem konnte der Kläger vor Gericht nachweisen, dass der Beklagte gegen § 3 Abs. 1 StVO verstoßen hat. Er hätte demnach seine recht hohe Geschwindigkeit verringern und überprüfen müssen, ob der Kläger ihn sehen würde.
Die überwiegende Schuld (65 %) trage aber der klagende Autofahrer.
Zulasten des Autofahrers greife der Anscheinsbeweis eines Vorfahrtverstoßes nach § 8 Abs. 1a, Abs. 2 Satz 2 StVO.
Der Unfall habe sich noch im unmittelbaren Kreuzungsbereich der Einfahrt ereignet, weil der Einfahrvorgang des klägerischen Fahrzeugs in den Kreisverkehr noch nicht vollständig abgeschlossen gewesen sei.
Der beklagte Pedelecfahrer konnte demnach nachweisen, dass er zuerst im Kreisverkehr fuhr. Dies ergibt sich nach dem Gericht u.a. aus dem Abstand zwischen Einfahrts- und Unfallstelle und der angenommenen Geschwindigkeit des Pedelecs.
Zudem wirkte sich zu Lasten des Klägers die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs und damit die Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG aus.
Schließlich habe der Kläger auch rechtswidrig auf dem Fahrradschutzstreifen gehalten. Beim Überfahren des Schutzstreifens dürfe der Radverkehr nicht gefährdet und auf dem Schutzstreifen nicht gehalten werden.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Landgericht Lübeck, Urt. v. 13.06.2025 - 9 O 146/24
Quelle: Landgericht Lübeck, Pressemitteilung v. 25.08.2025