Vollstreckungsabwehrklage gegen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers

Nach einem gewonnenen Kündigungsschutzprozess müssen Arbeitnehmer ggf. ihre Weiterbeschäftigung auch durchsetzen. Will der Arbeitnehmer diese Weiterbeschäftigung vollstrecken, kann der Arbeitgeber eine Vollstreckungsabwehrklage erheben. Das BAG hat entschieden, dass diese scheitert, wenn der Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen Tätigkeit erfüllt werden kann.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer hatte einen gerichtlichen Kündigungsrechtsstreit gewonnen. Nicht nur die Kündigung war unwirksam, die Arbeitgeberin wurde auch zur Weiterbeschäftigung verurteilt. Nun ging es in einem Folgerechtsstreit um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus diesem rechtskräftigen Urteil. Denn danach hatte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer „zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Direktor Delivery Communication & Media Solutions Deutschland und General Western Europe auf der Managerebene 3“ zu beschäftigen.

Die Arbeitgeberin hatte eine sogenannte Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO erhoben. Sie meinte, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei ihr unmöglich. Denn der Arbeitsplatz sei aufgrund konzernübergreifender Veränderungen der Organisationsstruktur schlicht und ergreifend weggefallen. Eine andere Tätigkeit hatte sie dem Arbeitnehmer aber auch nicht angeboten.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Der Arbeitnehmer hat die Vollstreckungsgegenklage seiner Arbeitgeberin gewonnen. Denn selbst wenn die Beschäftigung tatsächlich nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden sein sollte, kann die Arbeitgeberin mit dieser Einwendung aus den Grundsätzen von Treu und Glauben hier kein Recht bekommen. Durch die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers verstieß die Arbeitgeberin gegen ihre Beschäftigungspflicht aus § 611 Abs. 1 BGB.

Fehlendes Verschulden, das sie hätte retten können nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, hat sie nicht vorgetragen. Sie muss dem Arbeitnehmer daher eine andere vertragsgemäße Beschäftigung zuweisen. Das ergibt sich aus § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB. Und dass ihr das nicht möglich ist, hatte sie selbst nicht behauptet.

Folgerungen aus der Entscheidung

Ein Arbeitgeber kann also im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nicht erfolgreich einwenden, ihm sei die Erfüllung eines rechtskräftig zuerkannten Beschäftigungsanspruchs auf einem konkreten Arbeitsplatz wegen dessen Wegfalls unmöglich. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber den arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit erfüllen kann.

Praxishinweis

Das Grundproblem dieses Falls liegt letztendlich darin, dass der Arbeitnehmer mit einer gewonnenen Kündigungsschutzklage zunächst nur die Aussage erhält, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Im juristischen Sinne bedeutet das aber noch nicht, dass er auch einen vollstreckbaren Weiterbeschäftigungsanspruch hat. Den muss er daneben gesondert geltend machen.

Den Weiterbeschäftigungsanspruch kann ein Arbeitnehmer aus zwei Rechtsgrundlagen heraus erlangen. Zum einen gibt es den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch, der sich aus der Rechtsprechung des BAG ergibt. Daneben existiert dann noch der gesetzliche Weiterbeschäftigungsanspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG, der das Bestehen eines Betriebsrats voraussetzt.

Diese beiden Weiterbeschäftigungsansprüche unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Voraussetzungen und der Einsatzzeitpunkte, sondern auch in den Rechtsfolgen ganz wesentlich.

Der Anspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG sichert dem Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens eine Weiterbeschäftigung, sofern der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hat und dieser Widerspruch mit einem der im Gesetz festgelegten Gründe in Einklang zu bringen ist. Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung ist in diesem Fall völlig unabhängig davon, ob der Rechtsstreit gewonnen oder verloren wird.

Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch hingegen ist davon abhängig, ob der Arbeitnehmer vor Gericht gewinnt oder verliert. Gewinnt er in erster Instanz, sollte der Weiterbeschäftigungsanspruch auch im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden, um im Fall einer Niederlage in der zweiten Instanz die Lohnansprüche auch tatsächlich sicherzustellen.

Der Anspruch aus § 102 Abs. 5 BetrVG besteht dagegen auch dann, wenn der Arbeitnehmer sämtliche Instanzen verliert.

Für beide Weiterbeschäftigungsansprüche gilt, dass sie ein großes Druckmittel für Arbeitnehmer darstellen. Behauptet beispielsweise ein Arbeitgeber, er hätte keine Arbeit und müsse deshalb kündigen, kann alleine schon die Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs zeigen, dass diese Auffassung offensichtlich nicht richtig war. Und auch wenn der Arbeitgeber meint, aus verhaltensbedingten Gründen sei keine Zusammenarbeit weiter zumutbar, kann die Durchsetzung der Weiterbeschäftigung gerade das Gegenteil zeigen.

Allerdings gibt es für den Arbeitgeber ein hervorragendes taktisches Mittel zur Abwehr einer ungeliebten Weiterbeschäftigung:

Gewinnt der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage in erster Instanz und wird zugleich seinem allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch stattgegeben, sollte der Arbeitgeber – sofern greifbare Tatsachen vorliegen, die das Bestehen eines Auflösungsrechtes nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG rechtfertigen könnten – darüber nachdenken, eine Auflösungsklage einzureichen und damit die Zwangsvollstreckung aus dem (Weiter-) Beschäftigungsurteil zu verhindern. Der Auflösungsantrag ist nämlich eine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses trotz einer unwirksamen Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung zu beenden.

BAG, Urt. v. 21.03.2018 – 10 AZR 560/16

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader