5.2 Materiell-rechtliche Grundlagen

...

5.2.5 Leistungsfähigkeit

5.2.5.1 Auskunftspflicht

Ist der Anspruch auf den Sozialhilfeträger übergegangen, gilt für die Auskunft potentieller Unterhaltspflichtiger nicht das BGB, sondern das SGB XII, namentlich § 117. Der Rechtszug läuft über Bescheid - Widerspruch - Widerspruchsbescheid - Klage.

Das LSG NRW hat am 26.01.2015 (L20 SO 12/14) entschieden, dass die Auskunft immer dann zu erteilen ist, wenn die Relevanz der Auskünfte nicht von vornherein ausgeschlossen ist (Negativevidenz).

Die Sozialgerichte betrachten es nicht als ihre Aufgabe, unterhaltsrechtlichen Fragen nachzugehen, auch nicht der Verwirkungseinrede.

Praxistipp

Verlagern Sie die unterhaltsrechtlichen Argumente nicht auf die Auskunftsebene. Erkennen Sie die Auskunftspflicht an und lassen den Rechenweg lieber vom sachkundigen Familiengericht klären. Ausnahme: Sie bestreiten, dass es hinreichende Anhaltspunkte für das Überschreiten der 100.000-Euro-Grenze gibt und wollen Rechtsfortbildung betreiben.

5.2.5.2 "Lebensstandardgarantie"

Im Prinzip wird die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ermittelt wie in anderen Unterhaltsfällen. Der wesentliche Unterschied: Weil der Pflichtige sich bei Eintritt des Elternunterhaltstatbestands schon einen Lebensstandard eingerichtet hat, bei dem er die Inanspruchnahme durch die Eltern nicht einplanen musste, hat er eine "Lebensstandardgarantie", anders als beim Ehegatten- oder gar Kindesunterhalt.

Das Angehörigen-Entlastungsgesetz vom 10.12.2019 (BGBl I, 2135) hat zu der Frage, wie bei den Kindern, die mehr als 100.000 Euro steuerliche Einkünfte erzielen, nichts beigetragen. Die nachfolgenden Darstellungen beruhen auf der Rechtslage bis einschließlich 2019. Inwieweit die vom BGH entwickelten Rechenmodelle weiter Gültigkeit haben, ist abzuwarten (siehe dazu die Ausführungen oben zum Sockelselbstbehalt in den Unterhaltsleitlinien ab 2021 in Kapitel 4.A.5.1).

Für wichtige BGH-Rechtsprechung zur Leistungsfähigkeit siehe nachstehenden Praxistipp:

Praxistipp

Wichtige Entscheidungen des BGH zur Leistungsfähigkeit, die Sie als Anwalt kennen und gelesen haben sollten, sind die Folgenden:

BGH vom 30.08.2006 - XII ZR 98/04, FamRZ 2006, 1511

BGH vom 28.07.2010 - XII ZR 140/07, FamRZ 2010, 1535 m. Anm. Hauß

BGH vom 15.09.2010 - XII ZR 148/09, FamRZ 2010, 1888 m. Anm. Hauß

BGH vom 12.12.2012 - XII ZR 43/11, FamRZ 2013, 363

BGH vom 07.08.2013 - XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554

BGH vom 05.02.2014 - XII ZB 25/13, FamRZ 2014, 538 (Pferd)

BGH vom 23.07.2014 - XII ZB 489/13, FamRZ 2014, 1540 (Taschengeld)

BGH vom 01.10.2014 - XII ZR 133/13, FamRZ 2014, 1990 (Taschengeld)

BGH vom 29.04.2015 - XII ZB 236/14, FamRZ 2015, 1172 (Hausfrau)

BGH vom 17.06.2015 - XII ZB 458/14, FamRZ 2015, 1594 (Steuerklassen)

BGH vom 08.07.2015 - XII ZB 56/14, FamRZ 2015, 1467 (Grundsicherung als Obliegenheit)

BGH vom 27.04.2016 - XII ZB 485/14, FamRZ 2016, 1142 (Ehegatte des Pflegebedürftigen)

BGH vom 18.01.2017 - XII ZB 118/16, FamRZ 2017, 519 (Wohnvorteil, Tilgungsabzug)

BGH vom 15.02.2017 - XII ZB 201/16, FamRZ 2017, 711 (Alleinerziehende)

BGH vom 20.03.2019 - XII ZB 365/18, FamRZ 2019, 885 (beiderseitige Eltern, enthält eine Berechnung in tabellarischer Form)

Die zentrale Entscheidung für die Berechnung der Leistungsfähigkeit war die vom 05.02.2014 - XII ZB 25/13 (FamRZ 2014, 538), mit der der BGH die Praxis eingedämmt hat, sämtliche Fixkosten des Unterhaltspflichtigen und seiner Familie im Rahmen der "Lebensstandardgarantie" zusätzlich zum Selbstbehalt anzusetzen. Der Lebensstandardgarantie werde durch die großzügigen Selbstbehalte ausreichend Rechnung getragen, ohne dass der Unterhaltspflichtige tatsächlich vortragen müsse, wofür er sein Einkommen verwenden möchte.

Aufhänger dafür waren die Kosten eines Reitpferds des unterhaltspflichtigen Kindes. Dem BGH ist egal, für welchen Luxus das Kind seinen großzügigen Selbstbehalt ausgibt. Dabei ist er mit Zuschlägen sehr zurückhaltend.

Das Einkommen ist also zunächst nur wie in anderen Unterhaltsbeziehungen zu bereinigen.

Berechnung bei Ehegatten

Allerdings hat der BGH (Beschl. v. 17.06.2015 - XII ZB 458/14, FamRZ 2015, 1594) klargestellt, dass bei verheirateten Ehegatten zuerst das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen fiktiv zu ermitteln ist, nämlich als sein Anteil am gemeinsamen Nettoeinkommen der Ehegatten. Ist der Elternunterhaltspflichtige verheiratet und bei Zusammenveranlagung in Steuerklasse III und sein Ehegatte in Steuerklasse V eingruppiert, ist für die Leistungsfähigkeit nicht von dessen tatsächlicher Steuerlast auszugehen. Vielmehr ist in Anlehnung an § 270 AO zunächst anhand der fiktiven Steuerlast bei einer Einzelveranlagung die Relation der individuellen Steuerlast zur gesamten Steuerlast zu ermitteln und anhand des entsprechenden Prozentsatzes die Steuerlast des Unterhaltspflichtigen am Maßstab der bei Zusammenveranlagung tatsächlich bestehenden Steuerschuld zu berechnen. Nur so werden die Auswirkungen der Progression korrekt abgebildet. Das müsste auch bei Steuerklassenwahl IV/IV gelten, wenn die Gatten nicht annähernd gleich viel verdienen.

5.2.5.3 Leistungsfähigkeit aus Vermögen des Unterhaltspflichtigen

Wahrung eigenen angemessenen Unterhalts

Ein Unterhaltspflichtiger muss nach ständiger Rechtsprechung des BGH (z.B. v. 07.08.2013 - XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554) grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einsetzen. Eine allgemeine Billigkeitsgrenze, wie sie § 1577 Abs. 3 BGB und § 1581 Satz 2 BGB für den nachehelichen Ehegattenunterhalt vorsehen, enthält das Gesetz im Bereich des Verwandtenunterhalts nicht. Deshalb ist auch hinsichtlich des einsetzbaren Vermögens allein auf § 1603 Abs. 1 BGB abzustellen, wonach nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

Nachdem die Kinder, die weniger als 100.000 Euro Einkünfte erzielen, durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz (BGBl I, 2135) ab 2020 auch von der Haftung aus Vermögen freigestellt worden sind, wird zu prüfen sein, ob die Mehrverdiener sowohl aus Einkommen als auch aus Vermögen haften.

Einschränkungen der Obliegenheit zum Einsatz des Vermögensstamms ergaben sich schon vorher daraus, dass nach dem Gesetz auch die sonstigen Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sind und er seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden braucht. Eine Verwertung des Vermögensstamms kann deshalb nicht verlangt werden, wenn sie den Unterhaltsschuldner von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde, die er zur Erfüllung weiterer Unterhaltsansprüche oder anderer berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten oder zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts benötigt.

Wahrung des eigenen angemessenen Unterhalts auch im Alter

Grundsätzlich sind die erwachsenen Kinder auch gehalten, in wirtschaftlich vertretbarer Weise ihr Vermögen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ihrer Eltern einzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2002 - XII ZR 266/99, FamRZ 2002, 1698). Einschränkungen der Obliegenheit zum Einsatz des eigenen Vermögens ergeben sich jedoch daraus, dass das Kind seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden braucht - und zwar nicht nur den augenblicklichen Unterhalt, sondern auch den im eigenen Alter.

Typischerweise Schonvermögen des unterhaltspflichtigen Kindes ist

die eigene Altersvorsorge,

die selbstgenutzte Immobilie,

der Notgroschen.

Mit seiner Entscheidung vom 30.08.2006 (XII ZR 98/04, FamRZ 2006, 1511) hat der BGH umfassend zu der Frage der Vermögensverwertung Stellung genommen und im Anschluss an die Entscheidung vom 21.04.2004 (XII ZR 326/01, FamRZ 2004, 1184) nochmals betont, dass zwar der Unterhaltsschuldner im Rahmen des Elternunterhalts grundsätzlich den Stamm seines Vermögens einsetzen muss, aber er seinen eigenen angemessenen Unterhalt einschließlich einer angemessenen Altersvorsorge nicht zu gefährden braucht.

Größte Position beim Schonvermögen dürfte das Altersvorsorgevermögen des Unterhaltspflichtigen sein. Denn hier gilt im Rahmen des § 1603 Abs. 1 BGB der Grundsatz, dass der Unterhaltsschuldner so lange nicht leistungsfähig ist, wie er nicht seine eigene Altersversorgung angemessen gesichert weiß. Unterhaltszahlungen dürfen für den Schuldner nicht zu einer unverhältnismäßigen, d.h. seine eigene Existenz bedrohenden Belastung werden (vgl. BVerfG, FamRZ 2001, 1685, 1686).

Form und Höhe der eigenen Altersvorsorge

Dabei steht es dem Unterhaltsschuldner grundsätzlich frei, in welcher Weise er neben der gesetzlichen Rentenversicherung Vorsorge für sein Alter trifft, also z.B. auch im Rahmen einer Lebensversicherung, durch Sparvermögen oder vergleichbare Kapitalanlagen. In der Praxis dürfte nur wichtig sein, dass beim Sparverhalten eine Trennung zwischen Notgroschen und Altersvorsorge deutlich gemacht werden kann. Dieser Altersvorsorgebetrag ist individuell zu ermitteln.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 30.08.2006 (XII ZR 98/04, FamRZ 2006, 1511) eine Faustformel zur Höhe des Altersvorsorgevermögens veröffentlicht. Länger schon war der BGH davon ausgegangen, dass vom rentenversicherungspflichtigen Einkommen 5 % (bezogen aufs Brutto) für die sekundäre Altersvorsorge beiseitegelegt werden dürfe - zusätzlich zur primären Altersvorsorge -, dazu mehr unter Kapitel 4.A.5.2.5.4.

Bei Selbständigen dürfen mtl. insgesamt 25 % aufgewendet werden, was sich gerundet aus dem Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung zzgl. dieser 5 % ergibt. Dasselbe gilt für Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze.

Dieselben 5 % (oder 25 %) nimmt der BGH nun als Basis für die Berechnung des Schonvermögens. Als angemessene Altersversorgung gilt danach ein Altersvorsorgevermögen i.H.v. 5 % (oder 25 %) des letzten Bruttoeinkommens plus fiktiver Zinsen. Dabei nahm der BGH Renditemöglichkeiten von 4 % pro Jahr an.

Aus Vereinfachungsgründen wird die theoretische Lebensarbeitszeit bis zum Eintritt des Elternunterhaltsfalls zur Rechengrundlage. Dieser Rechenansatz wurde mehrfach vom BGH bestätigt.

Im Beschluss vom 07.08.2013 (XII ZB 269/12, FamRZ 2014, 1554) erteilte der BGH auch dem Gedanken eine Absage, wegen gesunkener Renditen auf dem Kapitalmarkt sei mit 3 % zu rechnen, da es sich bei den 4 % um einen Mittelwert der Lebensarbeitszeit des Pflichtigen handele - im entschiedenen Fall seit 1971.

Rechenbeispiel

Ein 48-jähriger Unterhaltspflichtiger ist seit 30 Jahren erwerbstätig. Er hat zuletzt 50.000 Euro im Jahr verdient. Hätte er davon jedes Jahr 5 % mit 4 % Rendite beiseitegelegt, lautet das computergestützte Rechenergebnis: knappe 145.000 Euro.

In dieser Größenordnung also dient sein Vermögen - egal, wie es angelegt ist - der eigenen Altersvorsorge.

Dann ist aber noch ein Gegencheck vorzunehmen: Wird der Unterhaltspflichtige im Alter selbst angemessen leben können?

Maßstab wären 75 % des letzten Nettoeinkommens, mindestens aber der Selbstbehalt von 1.800 Euro (ab 2020 mindestens 2.000 Euro, ab 2021 sieht die Düsseldorfer Tabelle keinen bezifferten Betrag mehr vor, einige Oberlandesgerichte sehen in ihren Leitlinien 2023 einen Selbstbehalt von mindestens 2.500 Euro vor) monatlich. Verfügt der Unterhaltspflichtige über Grundeigentum, ist zu berücksichtigen, dass er im Alter keine Mietkosten aufwenden muss und seinen Lebensstandard daher mit geringeren Erwerbs- und Vermögenseinkünften decken kann. Man muss also nun seine primäre und sekundäre Altersvorsorge verrenten. Daran zeigt sich, ob er zu viel Vermögen hat. Insbesondere für Selbständige darf diese Überprüfung nicht fehlen, da dort die gesetzliche Alterssicherung i.d.R. nicht vorhanden ist.

Praxistipp

Hier hilft es schlicht, den Sachverhalt sauber aufzuarbeiten und dem Sozialamt eine stichhaltige Berechnung zu präsentieren, dass der Unterhaltspflichtige sein Vermögen für die eigene Altersvorsorge benötigen wird.

Altersvorsorge einer einkommenslosen Hausfrau

Es stellte sich lange die Frage, ob auch eine einkommenslose Hausfrau Anspruch auf eine solche Altersvorsorge hat. Die Frage stellt sich ab 2020 nur, wenn sie das Schwiegerkind und mit einem über-100.000-Euro-Gutverdiener verheiratet ist, sonst ist die Leistungsunfähigkeit evident. Auf die Kurzformel "5 % von null ist null" lässt sich die Entscheidung des BGH vom 29.04.2015 - XII ZB 236/14 (FamRZ 2015, 1172) bringen. Der BGH führt aus, dass für den zur Zahlung von Elternunterhalt Verpflichteten, der verheiratet ist und kein eigenes Erwerbseinkommen erzielt, grundsätzlich kein Bedürfnis für die Bildung eines eigenen Altersvorsorgevermögens besteht (Abgrenzung zu BGH, FamRZ 2006, 1511 und BGH, Beschl. v. 07.08.2013 - XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554). Die verheiratete Hausfrau kann also monatlich keine Rücklagen für eigene Altersvorsorge abziehen und hat keinen Anspruch auf Schonvermögen für ihr Alter. Denn wer kein eigenes Erwerbseinkommen erzielt, aber verheiratet ist, hat grundsätzlich kein Bedürfnis für die Bildung eines eigenen Altersvorsorgevermögens. Für dessen Alter vorzusorgen, obliegt vielmehr dem erwerbstätigen Ehegatten im Rahmen des Familienunterhalts (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2012 - XII ZR 43/11, FamRZ 2013, 363 Rdnr. 26).

Ausnahmen hiervon galten bis 2019, wenn die verheiratete Hausfrau darlegen konnte, dass sie über ihren Ehegatten nicht hinreichend für das Alter abgesichert ist, weil der Ehegatte selbst nicht über eine - den Maßstäben zum Elternunterhalt entsprechende - Altersversorgung verfügt. Maßstab hierfür ist wiederum ein Vorsorgekapital von 5 % seines Bruttoeinkommens unter Berücksichtigung einer jährlichen Kapitalverzinsung von 4 %, bezogen auf den Zeitraum vom Einstieg in das Erwerbsleben bis zum Beginn der Unterhaltsverpflichtung. Der BGH hatte die Beantwortung an das OLG Köln zurückverwiesen zwecks Tatsachenaufklärung, ob die Frau im Alter von den Renten ihres Ehemannes wird leben können, so wie sie jetzt von seinem Einkommen lebt.

Ab 2020 kann diese Konstellation keine Bedeutung mehr haben.

Unterhaltspflichtiges Kind ist selbst im Rentenalter

Allerdings ist das Altersvorsorgevermögen des Unterhaltspflichtigen nur so lange geschützt, bis er selbst im Rentenalter ist. Nach Eintritt in das Rentenalter muss das zum Zweck der Altersvorsorge angesparte Kapital dem Unterhaltspflichtigen nicht dauerhaft verbleiben. Vielmehr kann von ihm erwartet werden, dass er dieses Kapital nun sukzessive verbraucht, denn zu diesem Zweck durfte er ja seine Einkünfte zum Teil ansparen. Hinzu kommt jedenfalls in Fällen hochbetagter Eltern, dass wegen deren begrenzter Lebenserwartung dem Unterhaltspflichtigen in absehbarer Zeit sein Einkommen und Vermögen wieder ungeschmälert zur Verfügung stehen werden.

Das vom Unterhaltspflichtigen für die Altersvorsorge angesparte verwertbare Kapital wird daher unter Berücksichtigung seiner statistischen Lebenserwartung in eine Monatsrente umgerechnet. Diese Berechnung gewährleistet, dass dem Unterhaltspflichtigen ein zur Bestreitung seines laufenden Lebensbedarfs ausreichendes Einkommen dauerhaft zur Verfügung steht. Die Umrechnung eines Kapitals in eine Rente enthebt schließlich von der Notwendigkeit, weiteres Barvermögen für die Altersvorsorge zu reservieren, weil die Berechnung auf der Grundlage erfolgt, dass das Barvermögen neben der Bestreitung des Elternunterhalts auch dem eigenen (Alters-)Unterhalt des Unterhaltspflichtigen (und seines Ehegatten) zufließt. Insoweit wird der Unterhaltspflichtige zum Rentenbeginn nicht anders behandelt als ein Unterhaltsschuldner, der auch ohne zusätzliche Altersvorsorge über ein ausreichendes Renteneinkommen verfügt und dann Elternunterhalt aus seinem Einkommen schuldet. Die Umrechnung des Kapitals in eine Rente erfolgt auf Grundlage des zu § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG ergangenen Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 20.01.2009 (IV C 2 - S 3104/09/10001, 2009/0035006, BStBl I 2009, 270; zitiert nach BGH, Urt. v. 21.11.2012 - XII ZR 150/10, FamRZ 2013, 203).

Es sind allerdings Sonderfälle denkbar, in denen eine ergänzende Altersvorsorge auch noch nach Rentenbeginn unterhaltsrechtlich akzeptiert werden kann (BGH, Urt. v. 28.07.2010 - XII ZR 140/07, FamRZ 2010, 1535): Das wäre bei vorgezogenem Rentenbeginn zu prüfen - auch unter Berücksichtigung der Altersversorgung des Ehegatten.

Rücklagen für Anschaffungen

Genügt das Altersvorsorgevermögen dem Mandanten nicht, um eindrucksvoll zu belegen, dass keine Leistungsfähigkeit vorhanden ist, kann weiteres Vermögen geschützt sein, das der Mandant benötigt, um seinen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, z.B. für

die beabsichtigte Anschaffung eines neuen Kfz,

eine beabsichtigte Urlaubsreise,

beabsichtigte Investitionen in die Immobilie (analog zu den Rücklagen, die Eigentümer von Eigentumswohnungen mit dem Hausgeld abführen).

Dies alles muss jeweils konkretisiert und plausibel dargelegt werden.

Auch dieser Ansatz dürfte aber ab 2020 ins Leere führen, denn er setzt als "Eintrittskarte" in die Berechnung voraus, dass der Rentner aktuell noch mehr als 100.000 Euro steuerliche Einkünfte hat.

Praxistipp

In der Praxis hat es sich als hilfreich erwiesen, wenn Hauseigentümer Kostenvoranschläge für geplante Renovierungen vorlegen konnten, die sie schon vor Inanspruchnahme auf Elternunterhalt eingeholt hatten.

Notgroschen

Wie groß zudem ein Notgroschen sein darf, hat der BGH nicht konkretisiert. Hinsichtlich der Höhe eines Notgroschens ist auf Seiten des Unterhaltspflichtigen jedenfalls ein großzügigerer Maßstab als beim Unterhaltsberechtigten anzulegen, der fremde Hilfe zur Deckung seines Lebensbedarfs in Anspruch nimmt. Deshalb stellt der sozialhilferechtliche Schonbetrag die untere Grenze dar. Darüber hinaus wird vertreten, für Notfälle seien jedenfalls drei Nettomonatsgehälter zu reservieren, wie es Banken regelmäßig als Dispositionsrahmen zur Verfügung stellen (Hauß, Elternunterhalt, 5. Aufl., Rdnr. 514), teilweise wird weitergehend angenommen, ein Schonbetrag von 10.000 Euro-26.000 Euro sei unabdingbar, auch um dem durch die Pflegeversicherung nur unzulänglich abgesicherten Risiko der Folgen der eigenen Pflegebedürftigkeit oder der Gefahr einer langjährigen Erkrankung begegnen zu können. Die Höhe eines Betrags für Notfälle lässt sich nach Auffassung des BGH allerdings nicht pauschal festlegen; vielmehr hängt es von den Umständen des Einzelfalls, wie den Einkommensverhältnissen und sonstigen Unterhaltsverpflichtungen, ab, in welchem Umfang hierfür Mittel zu belassen sind.

Im entschiedenen Fall, in dem der alleinstehende, kinderlose Unterhaltspflichtige über ein Erwerbseinkommen unterhalb des Selbstbehalts verfügt, erschien jedenfalls der vom Sozialamt eingeräumte Betrag von 10.000 Euro ausreichend (BGH, Beschl. v. 07.08.2013 - XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554). In der Entscheidung vom 29.04.2015 - XII ZB 236/14 (FamRZ 2015, 1172) wurden die vom Oberlandesgericht zuerkannten 5.000 Euro als "knapp" bezeichnet, allerdings wurde die Sache aus anderen Gründen zurückverwiesen.

Sonderfall: Wohneigentum im Vermögen

Im Sozialhilferecht gibt es den Begriff des "kleinen, angemessenen Einfamilienhauses", das ein Sozialhilfeempfänger verwertungsfrei bewohnen darf. Bei der Frage der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen aus Vermögen ist die sozialhilferechtliche Angemessenheit jedoch kein Kriterium. Das darf nicht verwechselt werden! Der Unterhaltspflichtige darf sich entschieden haben, eine große Villa zu bewohnen, ohne dass er damit Obliegenheiten gegenüber dem bedürftigen Elternteil verletzt hat.

Wenn in BGH-Entscheidungen wie vom 07.08.2013 (XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554) der Begriff "angemessenes Eigenheim" verwendet wird, handelt es sich hierbei nicht um den sozialhilferechtlichen Begriff des kleinen angemessenen Heims. Maßstab der Angemessenheit beim Unterhaltspflichtigen ist nicht die Sozialhilfe, es sind vielmehr dessen eigene Lebensumstände.

Nach BGH muss sich ein Elternunterhaltspflichtiger nicht "spürbar und dauerhaft" in seiner bisherigen Lebensweise einschränken. Hat er sich also vor Inanspruchnahme entschieden, in einer (zu) großen und gut ausgestatteten Villa zu wohnen, muss er diese nicht für die Eltern verwerten.

Lange war unklar, ob der Marktwert des Hauses mit dem sonstigen Vermögen zusammengerechnet werden muss, um insgesamt zu prüfen, ob diese Summe als Altersvorsorgevermögen geschützt ist. Hier hat der BGH eine für Unterhaltspflichtige positive Entscheidung getroffen: Der Wert einer selbstgenutzten Immobilie bleibt bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen grundsätzlich unberücksichtigt (BGH, Beschl. v. 07.08.2013 - XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554). Das wird wie folgt begründet: Je weiter der Unterhaltspflichtige noch vom Eintritt seines eigenen Rentenalters entfernt ist, desto ungewisser ist es, wovon er dann seinen Bedarf wird bestreiten können. Im entschiedenen Fall vermutete der BGH, dass der Unterhaltspflichtige im Alter auf das mietfreie Wohnen im Eigenheim würde angewiesen sein.

Zum Vermögen des unterhaltspflichtigen Kindes gehört übrigens nicht ein etwaiger Rückforderungsanspruch seinerseits gegen Verwandte, denen er sein Haus geschenkt hat, vgl. BGH, Beschluss vom 20.02.2019 - XII ZB 364/18, FamRZ 2019, 698.

5.2.5.4 Leistungsfähigkeit aus Einkommen des Unterhaltspflichtigen

In die Berechnung der Haftung aus Einkommen wird infolge des Angehörigen-Entlastungsgesetzes (BGBl I, 2135) ab 2020 erst eingestiegen, wenn die steuerlichen Einkünfte des maßgeblichen Kalenderjahres über 100.000 Euro liegen. Ist dies der Fall, wird nunmehr wie zuvor "familienrechtlich" gerechnet, nicht mehr "steuerrechtlich". Die Grenze im SGB XII stellt also nur die "Eintrittskarte" in die Berechnung dar, welche sodann so durchgeführt wird, wie es vor 2020 war.

Außerdem hat die nachfolgend dargestellte Berechnung uneingeschränkte Relevanz für Unterhaltszeiträume bis einschließlich Dezember 2020. Da die Auseinandersetzung mit dem Sozialhilfeträger oft erst sehr viel später entscheidungsreif ist, kann in der anwaltlichen Praxis auch dies noch relevant sein.

Eine Erwerbsobliegenheit eines Kindes gegenüber den Eltern besteht übrigens nicht (OLG Köln, FamRZ 2001, 437).

Praxistipp

Trug sich das Kind zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme ohnehin schon mit dem Gedanken, seine Arbeitszeit aus gesundheitlichen Gründen zu reduzieren, wird dies nach Vorlage entsprechender ärztlicher Empfehlungen häufig vom Sozialamt akzeptiert.

Besonderes Augenmerk gilt ab 2020 den Mandanten, die nur mit Prämien, Boni, Überstunden oder Schichtzulagen die 100.000-Euro-Grenze überschreiten.

Sozialhilfekriterien nicht maßgebend

Das Kind darf seinen bisher gewählten Lebensstil dem Grunde nach beibehalten, es wird nicht an Sozialhilfekriterien gemessen, nur weil der Elternteil Sozialhilfe bezieht. Allerdings darf es nicht im Luxus schwelgen und dafür Vater oder Mutter der Staatskasse anlasten.

Ist der Elternunterhaltspflichtige verheiratet und steuerlich zusammen veranlagt (§ 26b EStG), ist für die Leistungsfähigkeit nicht von dessen tatsächlicher Steuerlast, wie sie vom Bruttoeinkommen monatlich einbehalten wurde, oder von der Hälfte der gemeinsamen Steuerlast auszugehen. Vielmehr ist in Anlehnung an § 270 AO zunächst die fiktive Steuerlast beider Gatten bei einer Einzelveranlagung zu ermitteln. Das wird zueinander ins prozentuale Verhältnis gesetzt, dann wird die insgesamt geschuldete Steuer anteilig bezogen auf ihr jeweiliges Einkommen unter zusätzlicher Berücksichtigung der steuerlichen Progression aufgeteilt (BGH, Beschl. v. 17.06.2015 - XII ZB 458/14, FamRZ 2015, 1594).

Bereinigung des Nettoeinkommens

Wie üblich muss das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen bereinigt werden.

Vorrangige Unterhaltspflichten

Abzugsposten sind vorrangige Unterhaltspflichten.

Auf die Bedeutung des mit dem Schuldner zusammenlebenden Ehegatten wird gesondert eingegangen, siehe Kapitel 4.A.5.2.6.

Vorrangige Unterhaltspflichten bestehen gegenüber Kindern (Kindesunterhalt) und getrenntlebenden sowie geschiedenen Ehegatten (Ehegattenunterhalt), ferner Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB.

Berücksichtigung des Unterhalts im Haushalt lebender Kinder

Dass Kinder des Unterhaltsschuldners im Rang vorgehen, ist klar. Anders als sonst bei Anwendung der Düsseldorfer Tabelle lebt aber hier häufig der Elternunterhaltsschuldner mit dem Kind in einem Haushalt.

Der BGH hat geklärt, wie dann zu rechnen ist (Beschl. v. 15.02.2017 - XII ZB 201/16, FamRZ 2017, 711):

1.

Die Betreuung des Kindes ist nicht zu monetarisieren. Denn sie ist nicht unmittelbar einkommensmindernd, sondern kann sich nur als überobligatorisch darstellen (BGH v. 11.11.2015 - XII ZB 7/15, FamRZ 2016, 199 Rdnr. 17).

2.

Der an das Kind geleistete Naturalunterhalt ist jedoch abzuziehen. Der gesamte Bedarf eines Kindes ergibt sich aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern. Zieht man hiervon den etwa vom anderen Elternteil geleisteten Barunterhalt sowie das halbe Kindergeld ab, bleibt der Betrag übrig, den der Elternunterhaltsschuldner in Naturalien erbringt. Leben die Eltern zusammen, ist also der Naturalunterhalt in Höhe des Tabellenbetrags nach dem zusammengerechneten Einkommen abzgl. des hälftigen Kindergeldes abzuziehen.

3.

Das dem betreuenden Elternteil zustehende andere hälftige Kindergeld ist kein unterhaltsrelevantes Einkommen. Diese Hälfte des Kindergeldes, die dem betreuenden Elternteil zusteht, unterstützt ihn bei der Erbringung der Betreuungsleistung (BT-Drucks. 16/1830, S. 30), vgl. die Rechtsprechung zum Wechselmodell.

4.

Trifft die Kinderbetreuung mit einer Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils zusammen, ist nicht ein pauschaler Betreuungsbonus zu gewähren, sondern dann hängt es von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit das erzielte Einkommen ganz oder teilweise als überobligatorisch unberücksichtigt bleibt. Bei dem im BGH-Fall elfjährigen Kind wurde kein Einkommensteil als überobligatorisch betrachtet.

Der BGH hatte in seiner Entscheidung vom 16.09.2020 - XII ZB 499/19, FamRZ 2021, 28 - die Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle über die Einkommensgruppe "bis 5.500 Euro" hinaus für richtig gehalten. Dem sind die Verfasser der Düsseldorfer Tabelle für 2022 gefolgt, so dass dort seitdem rechnerisch Beträge bis zu einem Elterneinkommen von 11.000 Euro ausgewiesen sind.

Unabhängig von diesem pauschalen Elementarbedarf kann natürlich Sonder- und Mehrbedarf anfallen.

Hat der Unterhaltspflichtige sich beispielsweise schon vor Zugang der Rechtswahrungsanzeige des Sozialamts entschieden, seinem Kind ein teures Auslandsstudium zu finanzieren, das von den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle nicht zu bestreiten wäre, so sind die konkreten Kosten dieses Studiums vorrangig vor dem Elternunterhalt - noch nicht entschieden, siehe unten.

Lebt ein Pflichtiger unverheiratet mit einer Lebensgefährtin zusammen, die ein gemeinsames Kind betreut, ist der ihr gewährte Naturalunterhalt für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit gem. § 1603 Abs. 1 BGB anhand der Vorgaben des § 1615l BGB zu monetarisieren (BGH, Beschl. v. 09.03.2016 - XII ZB 693/14). Das kann auch über das dritte Lebensjahr des gemeinsamen Kindes hinaus gelten: Auf eine solche Gestaltung der nichtehelichen Gemeinschaft kann sich der Pflichtige im Verhältnis zu seinen unterhaltsberechtigten Eltern nach Treu und Glauben nur dann nicht berufen, wenn sie rechtsmissbräuchlich erscheint (im Anschluss an BGH, Urt. v. 25.04.2007 - XII ZR 189/04, FamRZ 2007, 1081). Das ist indessen so lange zu verneinen, wie es den berechtigten Interessen innerhalb der neuen Familie entspricht, dass ein Partner zugunsten der Haushaltsführung und Kinderbetreuung auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet.

Bereinigung des Einkommens

Die Lebensführung, die ein Kind gewählt hat, bevor es mit der Inanspruchnahme durch die betagten Eltern rechnen musste, ist auch ein wesentlicher Maßstab bei der Frage, welche Fixkosten abziehbar sind. Die Kenntnis von der Unterhaltsverpflichtung bei der Begründung einer Verbindlichkeit verwehren dem unterhaltsverpflichteten Kind i.d.R. eine Berufung auf seine völlige oder teilweise Leistungsunfähigkeit infolge der Verbindlichkeiten, es sei denn, es handelt sich um notwendige nicht anders finanzierbare Anschaffungen für den Beruf oder die allgemeine Lebensführung.

Insofern ist rechtzeitige vorausschauende Planung geboten, bevor der Anspruch vom Elternteil oder vom Sozialamt geltend gemacht wird.

Praxistipp

Werben Sie für vorsorgende Beratung! Wer schon die Rechtswahrungsanzeige des Sozialamts in Händen hält, befindet sich dauerhaft, zu Lebzeiten seines Elternteils, im Rechtfertigungsmodus gegenüber dem Sozialamt, wenn er neue Fixkosten oder Verbindlichkeiten begründen will. Bis zum Zugang der Rechtswahrungsanzeige ist jeder (bis zur offensichtlichen Missbrauchsgrenze) frei.

Typische Abzugsposten

Die Abzugsposten sind typischerweise:

Tilgungsleistungen

Tilgungsleistungen für selbstbewohnte Immobilie: Wohnt das unterhaltspflichtige Kind im Eigentum und trägt noch Raten ab, so waren die Sozialämter häufig so vorgegangen, dass sie den Tilgungsanteil auf 5 % vom Bruttoeinkommen gekappt hatten, weil es sich bei der Tilgung um sekundäre Altersvorsorge handele. Einige Oberlandesgerichte hatten das akzeptiert. Dem hat der BGH einen Riegel vorgeschoben, weil es in der Praxis zu erheblichen Liquiditätsproblemen führte, die eine Veräußerung der Immobilie erzwingen konnten - obwohl keine Verwertungsobliegenheit besteht. Das hat der BGH (Beschl. v. 18.01.2017 - XII ZB 118/16, FamRZ 2017, 519) wie folgt konkretisiert:

1.

Neben den Zinsen sind die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen voll abzuziehen.

2.

Bis zur 5-%-Grenze ist weitere zusätzliche Altersvorsorge vom Einkommen abziehbar.

3.

Nur der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil ist auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.

Die den Wohnwert und eine zusätzliche Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens übersteigenden Tilgungsleistungen sind also im Ergebnis nicht absetzbar. Denn insoweit steht der heutigen Einschränkung des Lebensstandards eine entsprechende höhere Alterssicherung gegenüber. Ob etwas anderes gilt, wenn dadurch die Immobilienfinanzierung gefährdet wäre oder sich der Unterhaltspflichtige aus einem vor Bekanntwerden seiner Unterhaltspflicht zusätzlich abgeschlossenen Altersvorsorgevertrag nicht lösen bzw. diesen nicht beitragsfrei stellen kann (vgl. dazu BGH, FamRZ 2003, 1179, 1181 f.), ließ der BGH offen (Beschl. v. 18.01.2017 - XII ZB 118/16, FamRZ 2017, 519).

Darlehensverbindlichkeiten

Auch sonstige Darlehensverbindlichkeiten, insbesondere für Konsumentenkredite, sind abziehbar, wenn diese Kredite aufgenommen wurden, bevor die Unterhaltsverpflichtung durch Zustellung der Rechtswahrungsanzeige bekannt wurde. Neue Schuldverbindlichkeiten, die in Kenntnis einer bestehenden Unterhaltspflicht eingegangen werden, können dann vollumfänglich nur berücksichtigt werden, wenn es dafür notwendige/zwingende Gründe gibt (BGH v. 05.02.2014 - XII ZB 25/13, FamRZ 2014, 538 zur Aufnahme eines Kfz-Darlehens).

Altersvorsorge

Sodann darf das pflichtige Kind monatliche Beträge für die eigene angemessene Altersvorsorge, z.B. Rentenversicherungsbeiträge, Lebensversicherungsbeiträge, Riester-Rente, abziehen - bis zu 5 % des Bruttoeinkommens auch über die gesetzliche Vorsorge hinaus. Ist das Kind selbständig, sind 25 % vom Brutto die Messlatte. Verdient es über der Beitragsbemessungsgrenze, gelten auch für diesen Teil die 25 %, weil darauf ja keine primären Altersvorsorgebeiträge abgeführt werden. Ein Blick in die jeweiligen OLG-Leitlinien lohnt sich, weil es hierfür regional unterschiedliche Formulierungen gibt. Allerdings ist das keine Pauschale: Diese Altersvorsorge muss nachweislich betrieben werden, damit sie berücksichtigt wird. Jedoch darf sie auch erst angesichts des Elternunterhaltsverlangens neu begonnen werden.

Wer als unselbständig Erwerbtätiger bereits im Ruhestand ist, bedarf grundsätzlich keiner Altersvorsorge mehr, sofern diese nicht ausnahmsweise unzureichend ist (BGH, FamRZ 2012, 956 Rdnr. 21). Wer vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze in den Ruhestand geht und keine weitere primäre Altersversorgung erlangen kann, darf seine zusätzliche Altersvorsorge bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze ausbauen (BGH, Urt. v. 28.07.2010 - XII ZR 140/07, FamRZ 2010, 1535 Rdnr. 26).

Die 5-%- bzw. 25-%-Kappung gilt nur für das unterhaltspflichtige Kind selbst, nicht für das Schwiegerkind. Da gilt eine nicht bezifferte Angemessenheitskontrolle (OLG Zweibrücken v. 06.06.2014 - 2 UF 176/12).

Berufsaufwand

Wie auch sonst im Unterhaltsrecht können berufsbedingte Aufwendungen das Einkommen mindern. Voraussetzung ist auch hier, dass sie tatsächlich anfallen. Allerdings sehen manche regionalen Leitlinien zur Düsseldorfer Tabelle auch pauschale Abzüge vor, z.B. 5 %. Als berufsbedingte Aufwendungen werden angesehen: Fahrtkosten, Gewerkschaftsbeiträge, Fachzeitschriften, Berufskleidung etc.

Sonstiger Aufwand

Kranken- und Pflegeversicherungskosten bei Beamten und Selbständigen, Zuzahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung usw. sind abziehbar.

Angemessene Besuchskosten beim Elternteil (BGH v. 05.02.2014 - XII ZB 25/13, FamRZ 2014, 538) können ebenfalls abgezogen werden.

Aufwendungen für eine Hausrats- und Haftpflichtversicherung sind auch bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt nicht als vorweg abziehbare Verbindlichkeiten zu behandeln (BGH, Urt. v. 28.07.2010 - XII ZR 140/07, FamRZ 2010, 1535).

Eine Risikolebensversicherung dient weder der Vermögensbildung noch der Altersvorsorge. Sie kann vielmehr eine Hausfinanzierung bzw. den Ausfall der Arbeitskraft absichern (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2013, 959, 960). Der BGH sieht keine Argumente, die Prämienzahlungen nicht als Vorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 18.01.2017 - XII ZB 118/16, FamRZ 2017, 519).

Höhe der Kosten

Die Höhe der als abzugsfähig anzuerkennenden Kosten zu bestimmen, ist insgesamt dem Tatrichter vorbehalten (BGH, FamRZ 1998, 1501, 1502). Daher können auch 700 Euro Fahrtkosten abzugsfähig sein (BGH, Beschl. v. 18.01.2017 - XII ZB 118/16, FamRZ 2017, 519). Es liegt noch im tatrichterlichen Ermessen, wenn es den Antragsgegner nicht dazu angehalten hat, seine Gewohnheiten zu ändern und die kürzeste - aber nicht schnellste - Strecke zu benutzen, um eine nur relativ geringfügige Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit zu bewirken.

Fixkosten

Betreffend folgende Fixkosten liegen noch keine obergerichtlichen Entscheidungen vor, sie sollten bei der Einkommensbereinigung auf jeden Fall als "Verhandlungspositionen" zusätzlich abgezogen werden:

Zuwendungen an volljährige Kinder, denen nach §§ 1601 ff. BGB ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zwar nicht mehr zustünde, denen aber die Unterstützung z.B. bis zum Abschluss eines Zweitstudiums oder für ein teures Auslandsjahr versprochen wurde (quasivertragliche Grundlage oder Ausstattung nach § 780 BGB).

Nicht offenkundig unvernünftige Aufwendungen des Schwiegerkindes für Altersvorsorge, Hobby und Freizeit sowie der Kinder des Unterhaltspflichtigen (BGH, FamRZ 2013, 363 m. Anm. Thormeyer).

Selbstbehalt

Bei jeder Unterhaltsberechnung ist ein sogenannter Selbstbehalt zu beachten. Das ist der Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen für sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse verbleiben muss.

Die Höhe des Selbstbehalts ist bis 2020 in den Anmerkungen zur Düsseldorfer Tabelle genannt (B.VI.1.c), ab 2021 dort nicht mehr, allerdings auch noch in 2021, 2022 und 2023 in den Unterhaltsleitlinien einiger Oberlandesgerichte, siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 4.A.5.1.

Der Elternunterhalt ist der schwächste Anspruch im ganzen Unterhaltsspektrum der Praxis (§ 1609 Nr. 6 und 7 BGB), daher ist der Selbstbehalt hier am höchsten.

Während bei sonstigen Unterhaltssituationen das zur Verfügung zu stellen ist, was über dem Selbstbehalt liegt, gibt es im Elternunterhalt noch eine Besonderheit: Beim Elternunterhalt geht nur die Hälfte des über dem Selbstbehalt liegenden Einkommens an den Elternteil, bzw. 45 % des um den Familienselbstbehalt bereinigten Einkommens.

Übersicht über die Selbstbehalte 2011-2020:

Selbstbehalt gegenüber den Eltern

2011/2012

2013/2014

2015-2019

ab 2020

Unterhaltspflichtiger (Mindestbetrag)

1.500 Euro (inkl. 450 Euro Warmmiete)

1.600 Euro (inkl. 450 Euro Warmmiete)

1.800 Euro (inkl. 480 Euro Warmmiete)

2.000 Euro (inkl. 700 Euro Warmmiete)

Ehegatte (Mindestbetrag)

1.200 Euro (inkl. 350 Euro Warmmiete)

1.280 Euro-1.300 Euro (inkl. 350 Euro Warmmiete)

1.440 Euro (inkl. 380 Euro Warmmiete)

1.600 Euro (inkl. 600 Euro Warmmiete)

Familienselbstbehalt (Mindestbetrag)

2.700 Euro

2.880-2.900 Euro

3.240 Euro

3.600 Euro

+ 50 % bzw. 45 % des darüber hinausgehenden Einkommens

 

Ab 2023 wird der Sockelselbstbehalt in einigen Leitlinien von Oberlandesgerichten bei 2.500 Euro angesetzt. Im Übrigen soll über den Sockelselbstbehalt hier angesichts der Ausführungen in Kapitel 4.A.5.1, keine weitere Aussage getroffen werden.

Berechnungen für zurückliegende Jahre ist immer der jeweils geltende Selbstbehalt zugrunde zu legen.

Sind die tatsächlichen Wohnkosten höher, kommt ein Zuschlag zum Selbstbehalt in Betracht, denn der Grundsatz gilt: Der Lebenszuschnitt, den das Kind für sich vor der Inanspruchnahme für angemessen hielt, darf erhalten bleiben.

Achtung: Wohnen Kinder mit in der Wohnung, gelten 20 % ihres Tabellenunterhalts als deren Anteil an den gemeinsamen Wohnkosten.

Das gilt für Mieter und für Eigentümer.

Sonderfall: Wohneigentum im Einkommen

Wer sein Eigentum bewohnt, hat daraus Einkommen i.S.d. Unterhaltsrechts, nämlich in Form des Wohnwerts (auch Wohnvorteil oder Nutzungsvorteil genannt).

Der Wohnwert ist bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt nicht mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete, sondern auf der Grundlage der unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Miete zu bemessen (BGH, Beschl. v. 29.04.2015 - XII ZB 236/14, FamRZ 2015, 1172 Rdnr. 19 m.w.N.). In der Regel wird das maximal der Betrag sein, der im Selbstbehalt für die Wohnkosten vorgesehen ist, so dass bei Eigentümern nur selten individuelle Korrekturen des Selbstbehalts nach oben erfolgen müssen.

Das ist der individuelle Nutzwert. Dieser subjektive Wohnwert liegt ggf. niedriger als der tatsächliche, z.B., wenn ein Familienheim bewohnt wird, aus dem die drei Kinder bereits ausgezogen sind.

Diese Betrachtung kennt man bereits systematisch vom Ehegattenunterhalt (dort: Wohnvorteil im ersten Trennungsjahr, siehe Kapitel 4.A.3.3).

Zu den Abzugsposten beim Wohnvorteil gehört neben Hypothekendarlehen auch der Teil der Nebenkosten, der nicht auf Mieter umgelegt werden könnte, z.B. Instandhaltungsrücklage und Verwalterkosten (§§ 1, 2 BetrKV).

Bleibt dann ein Wohnvorteil übrig, der zusammen mit den umlagefähigen Wohnnebenkosten über dem liegt, was im Selbstbehalt vorgesehen ist (2020: 700 Euro für einen Single, 1.300 Euro für ein Paar) ist laut BGH vom 05.02.2014 - XII ZB 25/13 (FamRZ 2014, 538) eine entsprechende Erhöhung des Selbstbehalts im Einzelfall nicht ausgeschlossen, aber kein Automatismus. Der BGH nimmt eine Liquiditätsprüfung am Ende vor.

Wie der BGH mit dem Selbstbehalt angesichts des Angehörigen-Entlastungsgesetzes (BGBl I, 2135) umgehen wird, kann nicht prognostiziert werden.