§ 81h StPO legalisiert „DNA-Beinahetreffers“

Die bisher nicht statthafte Verwertung sogenannter Beinahetreffer aus DNA-Reihenuntersuchungen wird nunmehr durch die Änderung des § 81h StPO legalisiert. Ergibt der Abgleich einer DNA-Spur im Zuge einer Reihenuntersuchung, dass die Spur zwar von keinem der Untersuchten, aber aufgrund der teilweisen Übereinstimmung wahrscheinlich von einem Verwandten eines bestimmten Untersuchten stammt, war diese Erkenntnis nach bisheriger Rechtslage nicht verwertbar.

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Die Reform erweitert den Untersuchungsumfang des § 81h StPO jetzt dahingehend, dass nicht nur eine Übereinstimmung zwischen Material und den Teilnehmern der Maßnahme sondern auch die genetische Ähnlichkeit untersucht wird. Berücksichtigung findet dabei die Verwandtschaft in gerader Linie sowie in der Seitenlinie bis zum dritten Grad.

Praxishinweis:

Diese Erweiterung wird in mehrfacher Hinsicht als bedenklich kritisiert. So sei eine Reihenuntersuchung als Grundrechtseingriff außerordentlichen Gewichts nur mit Einwilligung der Betroffenen zulässig. Der Betroffene müsse die Tragweite seiner Einwilligung für deren Wirksamkeit aber einzuschätzen vermögen, was im Hinblick auf die Komplexität der DNA-Untersuchung und ihrer Wahrscheinlichkeitsresultate für Laien ein anspruchsvolles Unterfangen darstelle. Diese Problematik verschärfe sich mit der Erweiterung auf Beinahetreffer erheblich.

Unter diesem Gesichtspunkt sind an die Belehrung höchste Anforderungen zu stellen: Die Neufassung sieht aus diesem Grund vor, dass auf den automatischen Abgleich auf Verwandtschaftsverhältnisse und die Verwertbarkeit zu Lasten eines Verwandten hinzuweisen ist. Von entscheidender Bedeutung ist aber, ob dies im jeweiligen Einzelfall vom Betroffenen auch tatsächlich verstanden wurde. Die bloße Auflistung auf einem zu unterschreibenden Formularbogen wird diesen Anforderungen wohl zumeist nicht gerecht werden.

 

Praxishinweis:

Weiterhin kann die Reihenuntersuchung bei den um eine Einwilligung ersuchten Betroffenen zu einem massiven Interessenkonflikt führen. Denn regelmäßig wird für diesen aufgrund des im Raum stehenden Verdachts einer schweren Straftat ein intensiver Entlastungsdruck bestehen, der das Bedürfnis nahelegt, die eigene Unschuld durch Einwilligung in die Untersuchung nachzuweisen.

Nicht außer Acht gelassen werden darf aber, dass diese Möglichkeit nunmehr nur noch unter Inkaufnahme der Belastung eines nahen Angehörigen besteht. So führte schon die bisherige Rechtslage zu einem Streit über die Freiwilligkeit der Einwilligung, nun wird diese Problematik durch den zusätzlichen Konflikt zwischen den eigenen Interessen und einem gegebenenfalls bestehenden Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 StPO bzw. den zugrundeliegenden Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG weiter verschärft.

Vor diesem Hintergrund ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob eine unter diesem Druck entstandene Einwilligung tatsächlich auch die Untersuchung auf eventuelle Beinahetreffer umfasst oder ob sie auf die Überprüfung der eigenen Täterschaft beschränkt war. So sind etwa zur eigenen Entlastung gemachte Aussagen im Ermittlungsverfahren in einem späteren Verfahren gegen einen Angehörigen nicht verwertbar, wenn der Zeuge sich dort auf ein Zeugnisverweigerungsrecht beruft.

Aus diesem Grund wird für die Reihenuntersuchung ein entsprechender Erlaubnisvorbehalt gefordert, der es dem zu Untersuchenden ermöglicht, sich zu entlasten, ohne einen nahen Angehörigen belasten zu müssen. Bei der Belehrung müsse ausdrücklich auf die Möglichkeit verwiesen werden, die Untersuchung auf den Ausschluss der eigenen Beteiligung zu beschränken.

 

Klarstellung bei allgemeiner DNA-Untersuchung

Für die allgemeine DNA-Untersuchung stellt § 81e Abs. 1 Satz 1 StPO nunmehr klar, dass die Untersuchung die Erstellung eines DNA-Identifizierungsmusters umfasst und insgesamt nur zulässig ist, soweit dies zur Erforschung des Sachverhalts erforderlich ist.

Die Vorschrift bezieht sich zudem nicht mehr auf den teilweise umstrittenen Begriff des Spurenmaterials, sondern nur noch auf „Material“. Die molekulargenetische Untersuchung ist demnach unabhängig davon zulässig, ob es sich um Spurenmaterial im engeren Sinne handelt.