Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Betriebsrente: Altersgrenze als Diskriminierung?

Die Nichtberücksichtigung von Beschäftigungszeiten nach Vollendung des 60. Lebensjahrs ist durch das legitime Ziel der Berechenbarkeit und Begrenzbarkeit des Aufwands der Altersversorgung gerechtfertigt. Die Förderung der betrieblichen Altersversorgung stellt für die Beschäftigten insoweit auch ein legitimes Ziel gemäß § 10 AGG dar. Das hat das LAG München entschieden.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit einer von dem Arbeitgeber der ehemaligen Mitarbeiterin gewährten Betriebsrente und dabei über die Frage, ob eine in dem die Betriebsrentenansprüche regelnden Tarifvertrag enthaltene Altersgrenze wegen unzulässiger Altersdiskriminierung unwirksam ist.

Nach 25-jähriger Tätigkeit bezieht eine Briefordnerin seit 01.07.2013 nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine Betriebsrente nach dem TV BRP. Diese Betriebsrente setzt sich aus einem festen Besitzstandsbetrag und der sog. Betriebsrente P zusammen. Die Höhe der Betriebsrente hängt u.a. von den anrechenbaren Beschäftigungsmonaten ab. Der TV BRP definiert als anrechenbare Beschäftigungsmonate die Monate, in denen Anspruch auf Arbeitsentgelt bestand. Es werden höchstens 480 Beschäftigungsmonate angerechnet. Beschäftigungsmonate nach Vollendung des 60. Lebensjahres bleiben unberücksichtigt.

Die ehemalige Arbeitnehmerin ist der Auffassung, dass auch die fünf Jahre ab dem 60. Lebensjahr bei der Berechnung ihrer Rente zu berücksichtigen sind. Die Regelung in § 6 Abs. 2 TV BRP, wonach diese Beschäftigungsmonate nicht berücksichtigt würden, sei unwirksam. Sie benachteilige ältere Arbeitnehmer. Die Briefordnerin hat beantragt festzustellen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die nach Vollendung des 60. Lebensjahres zurückgelegten Beschäftigungszeiten im Rahmen der Betriebsrente P als anrechenbare Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen.

Der Arbeitgeber hat sich darauf berufen, dass es sich um eine wirksame Stichtagsregelung handele. Jedenfalls sei die Ungleichbehandlung zulässig. Es habe nach Aufnahme der Beschäftigten in den neuen Bundesländern wegen der bestehenden Beschränkung des Dotierungsrahmens eine Beschränkung der anrechenbaren Beschäftigungsmonate bedurft. Sie durfte davon ausgehen, dass Arbeitnehmer bis zum vollendeten 60. Lebensjahr eine ausreichende Altersversorgung erwerben.

Das ArbG München hat der Klage mit Urteil vom 15.09.2015 (13 Ca 12671/14) stattgegeben. Das LAG München hat mit Urteil vom 10.02.2016 (11 Sa 924/15) das erstinstanzliche Urteil abgeändert die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Regelung in § 6 Abs. 2 TV BRP stellt zwar eine Diskriminierung wegen des Alters dar, bewirkt jedoch keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Sie legt ausschließlich die Berechnung der Betriebsrente fest. Sie knüpft unmittelbar an das Alter an, da nur Personen ab dem 60. Lebensjahr von dieser Regelung betroffen sind. Ältere werden im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmern ungünstiger behandelt.

Diese Benachteiligung wegen des Alters ist jedoch nicht unzulässig, da die Regelung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Damit handelt es sich um eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters i.S.d. § 10 S. 1 AGG.

Das rechtmäßige Ziel liegt darin, dass durch diese Regelung das Risiko des Arbeitgebers begrenzt werden soll, die von ihm zu erbringenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung überschaubar und kalkulierbar zu halten. Die Begrenzung des Risikos des Arbeitgebers, um die von ihm zu erbringenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung überschaubar und kalkulierbar zu halten, stellt ein rechtmäßiges Ziel i.S.d. § 3 Abs. 3 AGG dar. Die Förderung der betrieblichen Altersversorgung für die Beschäftigten in Ost und West stellt ein legitimes Ziel i.S.d. § 10 S. 1 AGG dar.

Die Regelung ist auch verhältnismäßig. Eine Ungleichbehandlung darf nicht intensiver ausfallen, als dies zur Erreichung eines legitimen Ziels erforderlich ist. Im vorliegenden Fall ist die Regelung hinnehmbar, weil ein typisches Erwerbsleben nahezu vollständig abgedeckt wird und es insoweit möglich bleibt, hinreichende Rentenansprüche zu erwerben.

Schließlich ist die Regelung auch erforderlich. Denn das Ziel der hinreichenden Begrenzung und Kalkulierbarkeit jedenfalls bei Mitarbeitern, die kürzer als 40 Jahre insgesamt beim Arbeitgeber beschäftigt werden, kann nur durch eine entsprechende Begrenzung erreicht werden. Denn nur so kann verlässlich letzten Endes der Aufwand kalkuliert werden, der für die Mitarbeiter zu treffen ist.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das LAG München folgt ohne jede Einschränkung der Rechtsprechung des BAG. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Regelungscharakters des § 2 Abs. 2 S. 2 AGG (vgl. BAG, Urt. v. 11.12.2012 – 3 AZR 634/10; Urt. v. 12.11.2013 – 3 AZR 356/12) als auch hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs des AGG. In der Sache selbst übernimmt das LAG München uneingeschränkt die Argumentation des BAG (BAG, Urt. v. 12.11.2013 – 3 AZR 356/12; BAG, Urt. v. 11.12.2012 – 3 AZR 634/10). In dem letztgenannten Urteil wurde die Wirksamkeit einer Bestimmung, die die anrechenbare Dienstzeit auf 40 Jahre bis zur Vollendung des 65. Lebensjahre begrenzt, geprüft.

Praxishinweis

Jedem Rechtsanwalt ist dringend anzuraten, bei der Verwendung von Rechtsbegriffen sorgfältiger zu verfahren, als es das LAG München tut. Eine unterschiedliche Behandlung kann zulässig sein, eine Benachteiligung (= Diskriminierung) niemals. Dies liegt schlicht daran, dass eine Benachteiligung eine unzulässige unterschiedliche Behandlung darstellt, die sich leicht aus §§ 8 ff. AGG erschließt.

LAG München, Urt. v. 10.02.2016 - 11 Sa 924/15

Quelle: Rechtanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber