Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Sachgrundlose Befristung nach „Heimarbeit“?

Heimarbeitsverhältnisse sind keine Arbeitsverhältnisse im Sinne des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG), sie fallen demnach nicht unter das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 TzBfG. Eine sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses kann deshalb bei einem vorhergehenden Heimarbeitsverhältnis grundsätzlich zulässig sein. Das hat das BAG entschieden.

Sachverhalt

Ein Handelsunternehmen importiert modische Accessoires aus Asien. Die angelieferten Waren werden zunächst nachbearbeitet, um Fehler zu beseitigen, und anschließend für den Vertrieb in europäische Länder mit neuen Etiketten versehen. Für diese Tätigkeiten setzt das Unternehmen auch Heimarbeiter ein. Mit einer Mitarbeiterin schloss das Unternehmen am 15.06.2009 einen „Heimarbeitsvertrag" als Konfektionärin. § 10 des Vertrages lautet:

„Der Arbeitsvertrag wird auf die Dauer von einem Jahr, mithin bis zum 14.06.2010 befristet, gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG abgeschlossen.“ Durch Ergänzungsvertrag vom 12.03.2010 wurde die Dauer des Heimarbeitsvertrags bis zum 14.06.2011 verlängert.

Unter dem 30.08.2011 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, dessen Präambel lautet:

„Die Vertragsparteien vereinbaren einvernehmlich, dass der bestehende Heimarbeitsvertrag vom 07.05.2009 durch diesen Arbeitsvertrag mit Wirkung zum 01.09.2010 vollständig ersetzt wird.“ Die Funktion der ehemaligen Heimarbeiterin als Arbeitnehmerin war diejenige eines „Team Member Operative Post Processing“. Die Tätigkeit als Konfektionärin war identisch mit der Tätigkeit, die die Arbeitnehmerin in dem Arbeitsverhältnis ausgeführte. Der Arbeitsvertrag war ursprünglich unter Berufung auf § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos für die Zeit bis zum 31.08.2011 befristet und wurde mit Vereinbarung vom 12.05.2011 um ein Jahr bis zum 31.08.2012 verlängert.

Mit Schreiben vom 16.07.2012 teilte das Unternehmen der Mitarbeiterin mit, dass es die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht zusichern könne. Die Arbeitnehmerin erhob am 14.09.2012 bei dem ArbG Köln eine Entfristungsklage. Das ArbG Köln hat die Klage mit Urteil vom 25.04.2013 (4 Ca 7166/12) abgewiesen, das LAG Köln hat die Berufung mit Urteil vom 14.02.2014 (9 Sa 546/13) zurückgewiesen. Die (zugelassene) Revision der Klägerin hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Befristung des Arbeitsvertrags ist wirksam. Der Arbeitsvertrag konnte nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG für die Dauer von zwei Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds befristet werden. Eine sachgrundlose Befristung ist zwar nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ein Heimarbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 HAG ist jedoch kein Arbeitsverhältnis i.S.v. § 14 Abs. 2 TzBfG.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die Schlüsselfrage, die das BAG entscheiden musste, war, ob ein vorangegangenes Heimarbeitsverhältnis als Vorarbeitsverhältnis i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG anzusehen ist. Eine solche sachgrundlose Befristung ist nämlich nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Diese Frage hat das BAG hier eindeutig verneint und damit Rechtsklarheit geschaffen.

Darüber hinaus hat das BAG das Verfahren nicht ausgesetzt und dem EuGH gem. Art. 267 AEUV zur Entscheidung vorgelegt. Damit hat es die einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften der RL 1999/70/EG (Befristung-RL) i.V.m. EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung als „acte clair“ angesehen.

Nach Auffassung des BAG können also über die Auslegung oder Gültigkeit der vorbezeichneten unionsrechtlichen Vorschriften vernünftigerweise keine Zweifel bestehen. Nach § 2 Nr. 1 Rahmenvereinbarung erfasst die Befristungs-RL nur „beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedsstaat geltenden Definition.“ Auch insoweit ist dem BAG uneingeschränkt zuzustimmen. Die Befristung-URL verweist hinsichtlich des Arbeitnehmerbegriffs auf die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Auf die Auslegung eines unionsrechtlichen Begriffs des Arbeitnehmers kommt es also nicht an.

Praxishinweis

Der Status des Vertragspartners eines Unternehmens ist die entscheidende Vorfrage. Es kommt nicht auf die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses an, sondern auf seine tatsächliche Rechtsqualität. Die Klage hätte Erfolg gehabt, wenn es sich bei dem angeblichen Heimarbeitsverhältnis tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hätte. Die Legaldefinition des Heimarbeiters findet sich in § 2 Abs. 1 HAG. Der Heimarbeiter wählt seine Arbeitsstätte (eigene Wohnung oder Betriebsstätte) selbst.

Heimarbeiter sind als arbeitnehmerähnliche Personen wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit und besonderen Schutzbedürftigkeit teilweise den Arbeitnehmern gesetzlich gleichgestellt – etwa bei der Feiertagslohnzahlung, beim Anspruch auf Elternzeit und Erziehungsgeld, beim Mutterschutz für weibliche in Heimarbeit Beschäftigte. Der Heimarbeiter unterscheidet sich vom Arbeitnehmer dadurch, dass er selbstständig über Art und Weise der Arbeitserledigung, Arbeitsleistung und die Nutzung der Arbeitszeit entscheidet. Der Grad der persönlichen Selbstständigkeit ist damit größer als bei Arbeitnehmern, die in den Betrieb ihres Arbeitgebers eingegliedert sind. Das Urteil des LAG Köln vom 21.05.2015 (7 Sa 1117/14) illustriert anschaulich, dass auch eine enge Kooperation zwischen Heimarbeiter und Unternehmer nicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses führt.

BAG, Urt. v. 24.08.2016 - 7 AZR 342/14

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber