Familienrecht -

Anpassung bestehender Ehegattenunterhaltstitel nach § 36 Nr. 1 EGZPO

Mit Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes kommen neue Vorschriften wie § 1578b BGB zur Anwendung.

Wie sich die Norm auf frühere Unterhaltsregelungen auswirkt, regelt § 36 Nr. 1 EGZPO.

Mit Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes zum 01.01.2008 gilt das neue Recht. Die bisherigen rechtlichen Regelungen verlieren ihre Gültigkeit, soweit sie durch neue Regelungen ersetzt werden und neue Vorschriften wie § 1578b BGB kommen zur Anwendung. Für diejenigen, die Ehegattenunterhalt zahlen ebenso wie für diejenigen, die Ehegattenunterhalt erhalten, ist dabei von besonderem Interesse, wie diese Vorschrift sich auf Unterhaltsregelungen, die noch nach altem Recht erfolgt sind, auswirkt.

Dies regelt § 36 Nr. 1 EGZPO , wobei Ziel der Übergangsvorschrift ist, im Interesse von Rechtssicherheit und Rechtseinheit eine schnellstmögliche und umfassende Anwendung des neuen Rechts zu erreichen (siehe BT-Drucks. 16/1830, S. 62).

Die Regelung des § 36 Nr.1 EGZPO ist anzuwenden auf alle titulierten und nicht titulierten Unterhaltsregelungen nach altem Recht, bei denen die Anwendung der neuen rechtlichen Regelungen zu einem veränderten Ergebnis führt, ohne dass sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben . § 36 Nr. 1 EGZPO erfasst ausdrücklich Umstände, die vor dem Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes bereits bestanden haben, aber durch das Gesetz erst erheblich geworden sind, und ermöglicht so die Anpassung der Altregelungen an die neue Rechtslage.

Eine Anpassung ist allerdings nur unter den folgenden zwei Bedingungen zulässig:

1. Wesentliche Änderung

Zunächst ist eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung erforderlich. Die Gesetzesbegründung verweist ausdrücklich darauf, dass der Begriff der wesentlichen Änderung genauso zu verstehen ist wie in § 323 ZPO (siehe BT-Drucks. 16/1830, S.63, 64). Im Regelfall ist somit eine Veränderung der Unterhaltsverpflichtung um 10% erforderlich. Dieser von der Rechtsprechung gebildete Wert ist allerdings nicht schematisch anzuwenden. Insbesondere in engen wirtschaftlichen Verhältnissen kann auch eine Veränderung um weniger als 10% als wesentlich angesehen werden (siehe OLG Hamm, FamRZ 2004, 1051 und 1885; ZÖLLER/VOLLKOMMER, Kommentar zur ZPO, 26. Aufl. 2007, § 323 Rdnr. 33 m.w.N).

Die Begrenzung bzw. Befristung eines Ehegattenunterhaltsanspruchs nach § 1578b BGB wird die Wesentlichkeitsschwelle immer erreichen.

Problematisch ist in diesen Fällen die zweite Bedingung, die zu erfüllen ist, nämlich die

2. Zumutbarkeit

Die Änderung muss dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar sein. Nach der Gesetzesbegründung ist hier eine umfassende Abwägung aller Umstände erforderlich. Das Vertrauen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten auf einen Unterhaltstitel aber auch auf eine ausdrücklich oder stillschweigend getroffene Unterhaltsvereinbarung ist grundsätzlich schutzwürdig und genießt einen hohen Stellenwert.

Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass sich die Beteiligten auf eine solche Unterhaltsregelung eingerichtet haben und darauf vertrauen, dass diese Bestand hat.

Auch wird die Unterhaltsregelung gerade beim Ehegattenunterhalt häufig Teil eines Gesamtpakets sein, so dass bei einer Änderung des Unterhalts sorgfältig zu prüfen ist, welche Auswirkungen sich dadurch auf die verbleibenden Bereiche ergeben (siehe BT-Drucks. 16/1830, S. 64,65).

Da die Frage der Zumutbarkeit von den individuellen Gegebenheiten des Einzelfal ls abhängig ist, lassen sich keine festen Vorgaben aufstellen. Es wird Aufgabe der Rechtsprechung sein, geeignete Prüfungskriterien zu entwickeln. Anhaltspunkte können dabei die zu § 313 BGB entwickelten Grundsätze sein.

Nach dem derzeitigen Diskussionsstand unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung ist jedenfalls davon auszugehen, dass dem Bestandsschutz ein größeres Gewicht zukommt als der Anpassung an das neue Recht , sodass es im Zweifel an der Zumutbarkeit fehlen dürfte.

Um eine nachträgliche Begrenzung der Unterhaltshöhe oder eine Befristung des Ehegattenunterhaltsanspruchs zu erreichen, muss der Unterhaltspflichtige sowohl darlegen und notfalls auch beweisen , dass die Voraussetzungen sowohl des § 1578b BGB erfüllt sind als auch, dass der Berechtigte eines Vertrauensschutzes nicht mehr bedarf. Hier ist sorgfältiger und substantiierter Parteivortrag unumgänglich.

Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist immer auch der zeitliche Aspekt zu beachten. Dem Betroffenen muss ausreichend Zeit eingeräumt werden, um sich auf die neue Situation einzustellen. Daher empfiehlt es sich, das Vertrauen in die bestehende Unterhaltsregelung frühzeitig zu erschüttern, in dem der Berechtigte darauf hingewiesen wird, dass aus der Sicht des Pflichtigen die bisherige Unterhaltsregelung keinen Bestand haben kann und der Berechtigte sich auf einen geringeren Unterhalt oder dessen Wegfall nach einer Übergangszeit einstellen möge. Diese Übergangszeit sollte allerdings nicht zu kurz bemessen sein.

Um die Anpassung von Altregelungen in allen Fällen zu ermöglichen, stellt § 36 Nr. 2 EGZPO sicher, dass die Präklusionsregelungen in § 323 und § 767 ZPO eine Anpassung nach Nr. 1 nicht hindern. Sie sind bei der erstmaligen Änderung eines Titels nach dem 01.01.2008 nicht anzuwenden.

Für laufende Unterhaltsverfahren , in denen vor allem die Befristung noch thematisiert werden kann, oder bei weiteren Änderungen nach dem 01.01.2008 gilt die BGH-Rechtsprechung zur Präklusion der Befristung im Rahmen der Abänderungen uneingeschränkt.

Bei Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, z.B. durch Einkommensrückgang oder Hinzutreten eines neuen Unterhaltsberechtigten, ergeben sich die Voraussetzungen für eine Abänderung von Unterhaltstiteln unmittelbar aus § 323 ZPO, bei Vergleichen ergänzt um die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 313 BGB. § 36 Nr. 1 EGZPO erfasst diese Änderung nicht unmittelbar.

Gleichwohl kommt auch bei Änderungen im Tatsächlichen das neue Recht nicht unmittelbar und ohne Einschränkung zur Anwendung, denn – wie sich aus § 323 ZPO ergibt – erfolgt die Neuberechnung des Unterhaltsanspruchs nur insoweit, als sie durch die tatsächlichen Änderungen bedingt ist.

Die durch das neue Recht eingetretenen rechtlichen Änderungen dürften allerdings einem Abänderungsbegehren nach unten immer entgegenzuhalten sein.

*Die Verfasserin ist Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt und Vorsitzende der Ständigen Fachkonferenz 3 des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht in Heidelberg.

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Quelle: Richterin am Oberlandesgericht Gretel Diehl* - Beitrag vom 21.01.08