Familienrecht -

Familiengerichtstag 2009: Ergebnisse der Arbeitskreise

Zusammenfassung der wichtigsten Arbeitskreisergebnisse des 18. Deutschen Familiengerichtstags vom 16. – 19.09.2009 in Brühl.

Minderjährigenunterhalt

Der Gesetzgeber wird aufgefordert, das Existenzminimum für Kinder ebenso wie die steuerlichen Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und den sozialrechtlichen Bedarf von Kindern realistischer und näher an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG zu berechnen und eigenes Einkommen minderjähriger Kinder nur auf den Kindesbedarf anzurechnen (AK 13).


Ehegattenunterhalt

Die AKe 2, 5, 14 und 15 haben sich bemüht, eine Vielzahl von Kriterien zu entwickeln, die die Beratungsergebnisse und Entscheidungen der Gerichte in diesem nach wie vor unübersichtlichen Terrain voraussehbarer und die Vereinbarungen unter dem Blickwinkel einer Inhalts- und Ausübungskontrolle der Gerichte sicherer machen.

Ob die vom AK 2 vorgelegten Empfehlungen zur Darlegungs- und Beweislast i.R.d. Betreuungsunterhalts bei möglicher Fremdbetreuung des Kindes auch nach dem aufrüttelnden Referat der Privatdozentin Dr. Becker-Stoll zur regelmäßig fehlenden Qualität derartiger Einrichtungen am 18.09.2009 noch so gefasst worden wären, muss bezweifelt werden. Hilfreich ist die Empfehlung, die Kosten der Kinderbetreuung, die notwendig sind, um dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, als Mehrbedarf des Kindes und nicht als Elternbedarf einzuordnen.

Für die Befristung und Begrenzung nachehelichen Unterhalts gelten unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob es sich um Betreuungs-, Aufstockungs- oder Krankheitsunterhalt handelt. Zusätzlich wurden mit großer Mehrheit Regeln zur Darlegungs- und Beweislast, insbesondere zum Vorliegen ehebedingter Nachteile beim Unterhaltsfordernden aufgestellt.

Der angemessene Lebensbedarf, auf den nach § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB der Ehegattenunterhalt nach einer Übergangsfrist herabgesetzt werden kann, sollte nicht unter 1.000 € liegen.


Mutterunterhalt nach § 1615 l BGB

Außer in den Fällen der sog. Drittelrechtsprechung des BGH ist zur Sicherung der Betreuung des Kindes auch für die Mutter ein Mindestunterhalt erforderlich, zu dessen Festlegung der Gesetzgeber aufgefordert wird (AK 3).


Unterhaltskonkurrenzen

Der AK 1 hat versucht, das Tatbestandselement der „ehelichen Lebensverhältnisse“ vor dem Hintergrund der sog. Drittelrechtsprechung des BGH bei Unterhaltsverpflichtungen aus einer neuen Ehe und bei Konkurrenz mit dem Unterhaltsanspruch einer nichtehelichen Mutter mit konkretem Inhalt zu füllen und an dieser Rspr. deutliche Kritik geäußert.


Nichteheliche Lebensgemeinschaften

Nach Zustimmung zur neueren Rspr. des BGH bei der Vermögensauseinandersetzung von nicht mit einander verheirateten Paaren wurde die künftige Zuständigkeit der Familiengerichte auch für derartige Rechtsstreitigkeiten vom Gesetzgeber verlangt (AK4).


Zugewinnausgleich und Hausrat

Hier wird vor allem auf die neuen Auskunftsansprüche nach § 1379 BGB hingewiesen, die auch für Verfahren gelten, die am 01.09.2009 anhängig waren. (AK 16, 18). Dadurch können allerdings erhebliche Verfahrensverzögerungen eintreten, solange der Gesetzgeber kein praktikables Verfahren zur Feststellung des Trennungszeitpunkts bereitstellt (AK 18). Zusätzlich wird zur Beschleunigung güterrechtlicher Verfahren die Möglichkeit zu einem selbständigen Beweisverfahren auch bei anhängigen Auseinandersetzungsverfahren gefordert.


Familiengerichtliches Verfahren im Allgemeinen

Neben viel Zustimmung zum neuen FamFG werden hier weitere gesetzliche Regelungen gefordert. So soll die Beschwerde nur dann beim Ausgangsgericht eingelegt werden, wenn dieses zur Abhilfe berechtigt ist. Für die Umsetzung der neuen Regeln im Kindschaftsverfahren werden eine bessere personelle und sächliche Ausstattung der Familiengerichte und Jugendämter sowie eine spezielle Qualifizierung aller Familienrichter sowie Augenmaß bei Verlegungsanträgen zu kurzfristig anberaumten Terminen, aber auch Beachtung des im Interesse der Kinder gesetzlich geregelten Vorrang- und Beschleunigungsgebots gefordert (AK 11,19, 20,22).

Um eine ausreichende sprachliche Verständigung in familiengerichtlichen Verfahren mit Auslandsbezug zu gewährleisten, fordert der AK 6 die Verständigung durch qualifizierte Dolmetscher und Fortbildung aller beteiligten Professionen.

Der AK 9 formulierte eine Vielzahl von Auslegungshilfen bei der Berechnung von Kosten und Gebühren im Verfahren der Beratungshilfe, Verfahrenskostenhilfe und den Familiensachen. Er sprach sich gegen die Pauschalierung der Verfahrenswerte für Wohnungsregelungsverfahren und Hausratssachen aus und forderte die Möglichkeit einer isolierten Anfechtung der Kostengrundentscheidung auch für Ehesachen und Familienstreitverfahren.


Kindschaftsverfahren

Die AKe 10,11 befassten sich mit der ihres Erachtens unzureichenden Regelung des § 158 FamFG zum Verfahrensbeistand. Sie forderten stets so früh wie möglich und bei Geschwistern grundsätzlich jedem Geschwisterkind einen eigenen Verfahrensbeistand zu bestellen und ihm auch regelmäßig den erweiterten Aufgabenkreis nach § 158 Abs. 4 FamFG zu übertragen.

Der AK 11 forderte eine gesetzliche Klarstellung, wonach das Jugendamt zur persönlichen Wahrnehmung des Termins durch eine Fachkraft grundsätzlich in jedem Kindschaftsverfahren verpflichtet werden sollte (AK 11,22). Weiterhin sollte das Jugendamt nach dem Abschluss des Verfahrens auch aus eigener Initiative und unabhängig von einer förmlichen Überprüfung der Entscheidung nach § 166 Abs. 2, 2 FamFG Rückmeldungen an das Gericht geben (AK 22).

Für den Auftrag an einen kinderpsychologischen Sachverständigen durch das Gericht und das von ihm zu erstellende Gutachten wurden praktische Empfehlungen gegeben. Auch die Sachverständigen sollten sich für die besonderen Belange des Kindschaftsverfahrens qualifizieren und in interdisziplinären Arbeitskreisen mitarbeiten (AK 11, 23).


Umgangsrecht und -pflicht

Nach Meinung des AK 11 bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken an einer allein am (einfachen) Kindeswohl orientierten Umgangspflegschaft. Im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 1684 Abs. 3 BGB dürfe eine Umgangspflegschaft nur bei Überschreiten der Schwelle des § 1666 BGB angeordnet werden. Demgegenüber lässt der AK 12 die dauerhafte oder wiederholte erhebliche Verletzung der Wohlverhaltspflicht des betreuenden Elternteils dafür ausreichen. Er hält bei großer Verhärtung und/oder Kontaktabbruch eine Umgangspflegschaft regelmäßig für zwecklos und empfiehlt, regelmäßig nicht den Verfahrensbeistand zum Umgangspfleger zu machen. Für jeden Umgangspfleger seien eine gute Vorbildung, pädagogische wie psychologische Kenntnisse sowie der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zum Kind bei Respekt gegenüber den Eltern erforderlich.

Der AK 12 fordert zu sorgfältiger Überprüfung des Kindeswillens auf, wenn dieses sich einem angeordneten Umgang verweigert. Dabei sei nicht nur das Verhalten des betreuenden Elternteiles, sondern auch des den Umgang suchenden Elternteiles zu bewerten. Auch diesen treffe eine Wohlverhaltspflicht


Unterbringung Minderjähriger:

Der AK 11 weist darauf hin, dass unbeschadet eines missverständlichen Wortlauts in § 57 Satz 1 FamFG der Beschluss über die vorläufige Unterbringung Minderjähriger (§ 151 Nr. 6 und 7 FamFG) wie nach §§ 70m, 70g FGG weiterhin anfechtbar sei und forderte den Gesetzgeber zur Klarstellung auf.


Abstammungsverfahren:

Nach Meinung des AK 7 sollte der (vom BVerfG geforderte) sog. Anfangsverdacht abgeschafft, § 171 Abs. 1 Satz 2 FamFG gestrichen und eine bessere gesetzliche Regelung für die Fälle heterologer künstlicher Befruchtung geschaffen werden. Das gelte zur Sicherung ihres Rechts auf Kenntnis der Abstammung von Kindern auch für die Notwendigkeit einer ausreichenden Dokumentation der Daten eines Samenspenders. Das bisherige Recht auf Klärung der Abstammung sollte für das Kind auch auf den möglichen biologischen Vater erstreckt werden. Der AK sieht dringenden Klärungsbedarf bei der Abgrenzung der Rechte und Befugnisse eines Ergänzungspflegers und eines Verfahrensbeistands für das Kind.


Sonstiger Kinderschutz:

Zur Verbesserung des Kinderschutzes sollte die Polizei gesetzlich verpflichtet werden, bei Einsätzen wegen des Verdachts häuslicher Gewalt in Familien mit minderjährigen Kindern das Jugendamt zu informieren. Auch sollte regelmäßig ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden (AK 24). Wegen der möglichen Retraumatisierung des Kindes wies der AK auf den ggf. nötigen vorübergehenden Ausschluss des Umganges hin. Ein längerer Ausschluss komme allerdings regelmäßig nur nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ins Betracht (AK 24).


Versorgungsausgleich:

Auch hier wurden eine Reihe von Ergänzungen bzw. Korrekturen an der ansonsten im Wesentlichen begrüßten Neuregelung gefordert. So sollte ein Ausgleich von Invaliditätsversorgungen auch dann möglich sein, wenn die ausgleichsberechtigte Person nach dem Abschluss des Scheidungsverfahrens invalide wird (AK 8).

Außerdem sollten die Sicherungsmöglichkeiten beim schuldrechtlichen Ausgleich nach § 22 VersAusglG verbessert, der Katalog der abänderbaren und anpassbaren Versorgungen nach § 32 VersAusglG zumindest um die Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes erweitert und die Regelung des Unterhaltsprivilegs nach § 33 VersAusglG verbessert werden. Für die Rspr. wurden Vorschläge zur Berechnung des Ehezeitanteils der Versorgung bei verfallbarer Einkommensdynamik sowie zum Tenor bei externer Teilung gemacht (AK 20).

Der AK 8 gab auch verschiedene Empfehlungen ab zur Auslegung und Anwendung des neuen Ausgleichsrechts bei der Formulierung von Vereinbarungen, beim Ausgleich von betrieblichen Anrechten bei Pensionskassen und –fonds, insbesondere auch der externen Teilung fondsgebundener Versorgungen, zur Bestimmung einer Kostenpauschale für die Teilungskosten nach § 13 VersAusglG, zur Geltendmachung von Auskunftsansprüchen und der Berechnung des Differenzdeckungskapitals bei Versorgungen, die schon bei Heirat bestanden haben.

Vertiefende Informationen zu diesem Themaim Internet:

18. Deutscher Familiengerichtstag, 16. – 19.09.2009 - Arbeitskreisergebnisse (pdf, 49 Seiten, 650 KB)

Quelle: Richter am Amtsgericht a.D. Horst-Heiner Rotax - Beitrag vom 30.09.09