Familienrecht -

Gesetzentwurf zum Schutz gefährdeter Kinder

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls beschlossen.

Der Gesetzentwurf setzt die Empfehlungen einer im März 2006 von der Bundesministerin der Justiz eingesetzten Arbeitsgruppe um, der Experten aus den Familiengerichten, der Kinder- und Jugendhilfe und Vertreter betroffener Verbände angehörten.

Geprüft wurden Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Misshandlung, ebenso wie Maßnahmen für Kinder und Jugendliche, die bereits in jungen Jahren wiederholt straffällig geworden sind. In ihrem Abschlussbericht vom 17.11.2006 hat die Arbeitsgruppe festgestellt, dass Familiengerichte häufig zu spät und überwiegend mit dem Ziel angerufen werden, den Eltern das Sorgerecht ganz oder teilweise zu entziehen.

Die Neuregelung erlaubt den Familiengerichten daher frühzeitiger und stärker auf die Eltern einzuwirken, damit diese öffentliche Hilfen zur Stärkung ihrer Elternkompetenz in Anspruch nehmen. Das Bundesministerium betont außerdem die Notwendigkeit konstruktiver Zusammenarbeit von Familiengerichten, Jugendämtern und den Trägern öffentlicher Jugendhilfe. Möglich sei die Bildung örtlicher Arbeitskreise, in denen sich beispielsweise Familienrichter, Jugendamtsmitarbeiter, Polizisten, Jugendrichter und –staatsanwälte regelmäßig treffen und ihre Erfahrungen austauschen.

Im Gesetzentwurf vorgesehene Änderungen:


Abbau von „Tatbestandshürden“ für die Anrufung der Familiengerichte
Gemäß § 1666 Abs. 1 BGB setzen Kindesschutzmaßnahmen des Familiengerichts voraus, dass die Eltern durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes oder durch unverschuldetes Versagen das Wohl des Kindes gefährden und nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden (§ 1666 Abs. 1 BGB).

Der Gesetzentwurf sieht vor, das unverschuldete Versagen der Eltern in § 1666 Abs. 1 BGB als Voraussetzung für Maßnahmen des Familiengerichts zur Abwendung von Gefahren für das Kindeswhl zu streichen, weil elterliches Erziehungsversagen (Bsp. Verhaltensauffälligkeiten, deren Ursachen nicht eindeutig zu klären sind, aber den erzieherischen Einfluss der Eltern stark mindern) oft schwer zu belegen ist.

Konkretisierung der möglichen Rechtsfolgen
Die Generalklausel in § 1666 Abs. 1 BGB, wonach das Familiengericht "die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen" hat, wird durch eine beispielhafte Aufzählung möglicher Maßnahmen auch unterhalb der Schwelle der Sorgerechtsentziehung konkretisiert. Ein Familiengericht kann beispielsweise die Eltern verpflichten, öffentliche Hilfen in Anspruch zu nehmen, wie etwa Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge. Es kann die Eltern aber auch ganz konkret anweisen, für den regelmäßigen Schulbesuch des Kindes zu sorgen.

Erörterung der Kindeswohlgefährdung
Mit dem Entwurf soll eine „Erörterung der Kindeswohlgefährdung“ eingeführt werden. Dem Familiengericht wird damit bereits in einem frühen Stadium des Verfahrens ermöglicht, schon im Vorfeld und unabhängig von Maßnahmen nach § 1666 BGB stärker auf die Eltern einzuwirken, öffentliche Hilfen in Anspruch zu nehmen und mit dem Jugendamt zu kooperieren.

Überprüfung nach Absehen von gerichtlichen Maßnahmen
Nach der vorgesehenen gesetzlichen Änderung soll das Gericht in angemessenem Zeitabstand überprüfen, ob seine Entscheidung unverändert richtig ist. Damit soll gewährleistet werden, dass das Gericht erneut tätig wird, wenn sich die Kindeswohlsituation nicht den Erwartungen des Gerichts entsprechend verbessert oder sogar verschlechtert.

Schnellere Gerichtsverfahren
Vorgesehen ist auch ein umfassendes Vorrang- und Beschleunigungsgebot für Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls und für Verfahren, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen. Binnen eines Monats muss das Gericht einen ersten Erörterungstermin ansetzen. In Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls hat das Familiengericht unverzüglich nach Verfahrenseinleitung Eilmaßnahmen zu prüfen.

Mehr Rechtssicherheit in Fällen „geschlossener“ Unterbringung
Über die Anwendung des § 1631b BGB besteht derzeit in der gerichtlichen Praxis Unsicherheit, insbesondere weil die Norm die Voraussetzungen für die gerichtliche Genehmigung nicht ausdrücklich regelt. Der Entwurf stellt klar, dass die freiheitsentziehende Unterbringung zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich sein muss und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu beachten ist. Eine geschlossene Unterbringung ist danach nur als ultima ratio erlaubt.

Weitere Informationen als Download:

Quelle: BMJ - Pressemitteilung vom 11.07.07