Familienrecht -

Umfang des rechtlichen Gehörs im Zivilprozess

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags für ein Berufungsverfahren im Falle einer Klage auf nachehelichen Unterhalt.

Das rechtliche Gehör in einem Zivilprozess ist verletzt, wenn das Oberlandesgericht als Berufungsgericht einen Prozesskostenhilfeantrag für die Durchführung der Berufung gegen ein eine Unterhaltsklage abweisendes Urteil zurückweist und sich dabei in den Gründen mit dem für die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils angeführten Sachvortrag der Klägerin auseinandersetzt.

Sachverhalt:

Mit Urteil vom 12.08.2004 wies das Amtsgericht Haldensleben die Klage der Beschwerdeführerin auf nachehelichen Unterhalt ab. Der Beschwerdeführerin stehe kein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB zu. Nach Abzug von 10 % Erwerbstätigenbonus verbleibe für die Klägerin ein Einkommen in Höhe von 1.486,00 EUR und auf Seiten des Ehemannes 1.495,93 EUR. Hieraus folge ein rechnerischer Ehegattenunterhaltsanspruch in Höhe von 3,00 EUR. Die Auszahlung eines solchen Betrages sei unangemessen.

Daraufhin legte die Beschwerdeführerin Berufung beim Oberlandesgericht Naumburg ein. Sie ist der Ansicht, dass das zu berücksichtigende Nettoeinkommen niedriger sei als vom Amtsgericht berechnet, woraus sich auch ein Unterhaltsanspruch ergebe. Ihr Prozesskostenhilfeantrag wurde zurückgewiesen. Der Beschluss enthält lediglich folgende Begründung: "Der Antragsgegnerin wird für die beabsichtigte Berufung - mangels Erfolgsaussicht - Prozesskostenhilfe verweigert".

Die hiergegen erhobene Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin, welche sie unter anderem mit einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs begründete, wies das Oberlandesgerichts Naumburg zurück. Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung sei mangels Erfolgsaussicht versagt worden, weil die Beschwerdeführerin in der Lage sei, ihren Unterhaltsbedarf - der sich nach ihren ehelichen Lebensverhältnissen bemesse - selbst zu decken. An dieser rechtlichen Würdigung werde festgehalten, zumal mit der Gegenvorstellung keine neuen rechtserheblichen Tatsachen vorgetragen würden.

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.

Aus den Gründen:

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Das Oberlandesgericht hat sich darauf beschränkt, festzustellen, dass die beabsichtigte Berufung der Beschwerdeführerin keine Erfolgsaussicht habe. Im Beschluss über die Gegenvorstellung hat es die Begründung dahingehend ergänzt, dass die Beschwerdeführerin in der Lage sei, ihren Bedarf selbständig zu decken.

Diesen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, dass das Oberlandesgericht die einzelnen Angriffe der Beschwerdeführerin gegen das amtsgerichtliche Urteil in Erwägung gezogen hat. Die Beschwerdeführerin hat mit der Berufungsbegründung nicht lediglich erstinstanzliches Vorbringen wiederholt oder eine andere Rechtsansicht vertreten als das Amtsgericht. Vielmehr hat sie ihren erstinstanzlichen Vortrag in wesentlichen Punkten erweitert und fundierte Einwendungen in Bezug auf mehrere der Unterhaltsberechnung im amtsgerichtlichen Urteil zugrunde gelegte Positionen vorgebracht.

Zwar ist für die Prüfung der Erheblichkeit eines Vorbringens die Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts maßgeblich und es erscheint auch keineswegs zwingend, dass das Oberlandesgericht bei der Prüfung der Erfolgsaussicht der Berufung dem Vortrag und den Argumenten der Beschwerdeführerin folgen musste. Es sind indes keine rechtlichen Erwägungen erkennbar, die das teilweise neue und im Übrigen weiter substantiierte Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich rechtserheblicher Tatsachen als offensichtlich unerheblich oder unsubstantiiert erscheinen lassen könnten.

Daher kann aus dem Fehlen jeglicher Würdigung des Vortrags der Beschwerdeführerin nur geschlossen werden, dass das Gericht das Vorbringen bei der Entscheidungsfindung nicht in Erwägung gezogen hat. Die Begründung im Beschluss über die Gegenvorstellung beschränkt sich auf die Feststellung, die Beschwerdeführerin könne ihren Bedarf selbst decken. Die von der Beschwerdeführerin angeführten Umstände verändern indes, wenn sie zutreffend sein sollten, gerade auch den Bedarf der Beschwerdeführerin nach den ehelichen Lebensverhältnissen und müssten daher auch insoweit zu einer Überprüfung des amtsgerichtlichen Urteils führen. Die Begründung für die Zurückweisung der Gegenvorstellung liefert daher ein zusätzliches Argument dafür, dass das Gericht wesentlichen Vortrag der Beschwerdeführerin nicht in Erwägung gezogen hat.

Das BVerfG hat die Beschlüsse des OLG Naumburg aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG).

Quelle: Online Redaktion - Beitrag vom 14.02.08