Familienrecht -

Voraussetzungen der Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs (Teil 7)

§ 1578b BGB erfasst auch die Unterhaltstatbestände, bei denen es nicht um die Kompensation „ehebedingter Nachteile“, sondern allein um das Ausmaß der darüber hinausgehenden nachehelichen Solidarität geht.

Fortsetzung des mehrteiligen Beitrags von Dr. Wolfram Viefhues zur Fachkonferenz Reformen im Familienrecht – Rückblick und Ausblick“ vom 21.11.2008.

12. Unterhaltstatbestände ohne ehebedingte Nachteile (Alter, Krankheit)

Unterhaltstatbestände, bei denen es allein um das Ausmaß derüber die ehebedingten Nachteilehinausgehenden nachehelichen Solidarität geht können Unterhaltsansprüche wegen Alters oderKrankheit sein (vgl. Menne-Grundmann, Das neue Unterhaltsrecht, 2008 S. 65, mit einem Fallbeispiel für eine Begrenzung des Krankheitsunterhaltsanspruchs) oder Arbeitslosigkeit (§§ 1571, 1572, 1573 Abs. 1 BGB; Aufstockungsunterhalt § 1573 Abs. 2 BGB). Die Gesetzesbegründung (S. 29/30) nennt § 1573 BGB sowohl bei den Unterhaltstatbeständen zum Nachteilsausgleich als auch bei den Unterhaltstatbeständen ohne ehebedingte Nachteile.


Billigkeitsmaßstab für die Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts ist hier allein die fortwirkende Solidarität im Licht des Grundsatzes der Eigenverantwortung. Dabei haben die in § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB genannten Umstände auch Bedeutung für das Ausmaß einer fortwirkenden Verantwortung. Hier kann die Dauer der Ehe als Anknüpfungspunkt für einen Vertrauenstatbestand besondere Bedeutung erlangen (Peschel-Gutzeit, Das neue Unterhaltsrecht 2008, Rdnr. 115).

Die Schwierigkeit besteht darin, dass die rechtpolitische Rechtfertigung für die auf Alter und Krankheit gestützten Unterhaltsansprüche im Vergleich zu den Ansprüchen aus Kindesbetreuung nicht klar erkennbar ist. Kritisch lässt sich einwenden, dass der Kindesbetreuungsunterhalt, der ja auf der Leistung der Betreuung der gemeinsamen Kinder beruht, sehr stark eingeschränkt wird, während Ansprüche, die ohne eine solche Leistung gegeben werden, weiterhin uneingeschränkt bestehen.


OLG Braunschweig, Urt. v. 29.01.2008 – 3 UF 53/07, FamRZ 2008, 999
Keine zeitliche Befristung von Nachscheidungsunterhalt wegen Krankheit nach neuem Recht, wenn die Erkrankung anlässlich der Geburt gemeinsamer Kinder erstmalig aufgetreten ist. Ein derartiges Risiko aus der Geburt eines gemeinsamen Kindes haben beide Ehepartner gleichsam in Schicksalsgemeinschaft zu tragen.

OLG Nürnberg, Urt. v. 28.01.2008 - 10 UF 1205/07, FamRZ 2008, 1256

Die Ehefrau hat sich nach 20 jähriger kinderloser Ehe mit der Berufung gegen die erstinstanzlich ausgesprochene 5-jährige Befristung ihres Unterhaltsanspruchs, der als Krankenunterhalt geltend gemacht worden war, gewandt. Sie stützt ihren Unterhaltsanspruch darauf, dass sie krankheitsbedingt nur 25 Wochenstunden arbeiten könne. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob die in der Ehe aufgetretene Krankheit zukünftig zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands oder die Therapie zu einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit führen kann.

Das OLG hat die zeitliche Befristung des Unterhaltsanspruchs im entschiedenen Fall abgelehnt. Zwar wurden bei der Ehefrau keine durch die Ehe bedingten Nachteile festgestellt, die es ihr unmöglich machten, selbst voll für ihren Unterhalt zu sorgen; eine Krankheit als solche ist nicht „durch die Ehe bedingt“.

Aber aufgrund der Dauer der Ehe gebiete die darüber hinausgehende eheliche Solidarität die Ablehnung der Befristung (eine Begrenzung kam aufgrund des geringen Unterhaltsanspruchs von 156 € monatlich nicht in Betracht). Da sich der aktuelle Gesundheitszustand während der langen Ehe entwickelt hatte, sei es geboten, für den Fall der Verschlechterung dieser Situation der Ehefrau die Möglichkeit zu sichern, an einen bestehenden, unbegrenzten Unterhaltsanspruch anknüpfen zu können. Für den Fall einer Verbesserung der Arbeitsfähigkeit wurde der Ehemann auf die Möglichkeit der Abänderungsklage verwiesen.

Das Kriterium der langen Ehedauer führt also hier zu einer gesteigerten Solidarität als Grundlage eines unbefristeten Unterhaltsanspruchs.


OLG Celle, Urt. v. 28.05.2008 - 15 UF 277/07, FamRZ 2008, 1449
Der Anspruch auf nachehelichen Krankheitsunterhalt gemäß § 1572 Nr. 2 BGB kann bei einer Ehedauer von etwa 4 3/4 Jahren befristet werden, auch wenn die Erkrankung nach rechtskräftiger Ehescheidung zu einem Zeitpunkt hervorgetreten ist, als der unterhaltsberechtigte Ehegatte noch ein gemeinschaftliches Kind betreut hat.


OLG München, Urt. v. 30.04.2008, 12 UF 1860/07, FamRZ 2008, 1959
Der Unterhaltsanspruch ist jedoch gemäß § 1578bAbs. 2BGB zeitlich zu begrenzen. Hierbei sind die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen. Zu berücksichtigen ist, dass die Antragsgegnerin durch die Eheschließung keine ehebedingten Nachteile erlangt hat und dass die Ehe der Parteien spätestens seit November 1998 nicht mehr vollzogen wurde. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin erkrankt ist. Der Antragsteller ist eine neue Ehe eingegangen, es ist ein Kind aus dieser Beziehung hervorgegangen und er hat mit der Eheschließungim Jahr2001 eine neue Lebensplanung mit seiner Partnerin begonnen. Daher ist der Unterhaltsanspruch nach § 1578bAbs. 2BGB auf drei Jahre nach Rechtskraft des Scheidungsurteils zu begrenzen. Hierfür spricht, dass die Ehe der Parteien tatsächlich annähernd als Lebensgemeinschaft nur drei Jahre gedauert hat.


OLG Stuttgart, Urt. v. 05.08.2008, 17 UF 42/08
Die durch die Klägerin erlittenen Bandscheibenvorfälle, aus welchen auch nach der Einschätzung des Sachverständigen gewisse Einschränkungen der Erwerbsfähigkeiten resultieren, stellen für sich genommen schicksalhafte Ereignisse und grundsätzlich keine ehebedingten Nachteile dar, für welche der Unterhaltsverpflichtete einzutreten hätte. Der Klägerin ist deshalb anzusinnen, nach einer Übergangsfrist durch eigenes Einkommen für ihren Unterhalt zu sorgen.


OLG Naumburg, Urt. v. 15.01.2008, 8 UF 141/07, FuR 2008, 358
Ist der Unterhaltsberechtigte schon Bezieher einer Altersrente, kommt statt des Aufstockungsanspruchs nur noch der Altersunterhalt in Betracht. Eine Herabsetzung oder zeitliche Befristung entfällt, wenn Pflichtiger und Berechtigter schon Altersrentner sind, da nicht mehr erwartet werden kann, dass der Berechtigte in der Lage sein wird, sein Einkommen zu erhöhen.


Kritisch anzumerken ist hierzu, dass die Möglichkeit einer Aufbesserung der eigenen Einkünfte bisher vom BGH nicht als Angemessenheitskriterium herangezogen worden ist (Soyka FuR 2008, 359).


Weitere Gesichtspunkte lassen sich auch aus der BGH Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Eheverträgen bzw. der auf den Scheidungszeitpunkt bezogenen Anpassungsprüfung ableiten. So hat der BGH es bei einer Erkrankung des Unterhaltsberechtigten als unerheblich bezeichnet, ob die Erkrankung ehebedingt ist (BGH Urt.v. 28.11.2007 – XII ZR 132/05).
Maßgeblich sollen allein die wirtschaftlichen Verhältnisse sein. Dafür ist von Bedeutung, ob durch die Erkrankung eine wirtschaftliche Verschlechterung bei der Ehefrau eingetreten ist, die ohne die Ehe nicht eingetreten wäre. Maßgebend ist also nicht die Ehebedingtheit der Erkrankung, sondern die Ehebedingtheit der wirtschaftlichen Verschlechterung. Allerdings kann der Nachteil nicht darin gesehen werden, dass der berechtigte Ehegatte keine Rentenanwartschaften begründen konnte, denn diese werden durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2007 – XII ZR 16/07, FamRZ 2008, 134).

DieTeile 1-5 aus dieser Reihe finden Sie in rechtsportal.de - dem Fachportal für Familienrechtler.

Quelle: Dr. Wolfram Viefhues, Weiterer aufsichtführender RiAG, Oberhausen - Auszug des Vortrags zur Fachkonferenz Familienrecht vom 21.11.08