Miet- und WEG-Recht -

Auslegung einer Vereinbarung vor Abschluss eines Mietvertrags

Nach § 154 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag im Zweifel nicht zustande gekommen, solange sich die Partner nicht über alle Punkte verständigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Seite eine Vereinbarung getroffen werden soll.

Die Entscheidung: OLG Brandenburg, Urteil vom 25.03.2009 - Aktenzeichen 3 U 172/07

Leitsatz:
Haben die Parteien eines Mietvertrages Vereinbarungen schriftlich fixiert, in denen ausdrücklich festgehalten ist, dass ein schriftlicher Mietvertrag noch abgeschlossen werden soll, so handelt es sich um eine sog. Punktation i.S. von § 154 Abs. 1 S. 2 BGB, die vor Unterzeichnung der Mietvertragsurkunde keine rechtliche Bindung hat.

Die Prozessparteien streiten im Kern darum, ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte der Klägerin Nutzungsentschädigung beziehungsweise Miete für ein Bürogebäude schuldet.


Entscheidungsgründe:

Die Klägerin kann von der Beklagten für den hier streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls eine Nutzungsentschädigung verlangen. Anspruchsgrundlagen sind - neben § 546a Abs. 1 BGB - § 818 Abs. 2 i.V.m. sowohl § 812 Abs. 1 BGB als auch § 988 BGB sowie - für den Teil des streitgegenständlichen Zeitraumes, der nach Eintritt der Rechtshängigkeit liegt - § 987 Abs. 1 BGB.

Zwar wurde der schriftliche Mietvertrag vom 28.09.2004 kraft Parteiabrede zum 31.12.2005 einvernehmlich beendet. Die Parteien haben aber keinen Anschlussmietvertrag geschlossen.

Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die schriftlichen Vereinbarungen vom 16.02.2006 und 09.08.2006 über eine so genannte unverbindliche Niederschrift von Einzelfragen während noch laufender Verhandlungen (Punktation) im Sinne von § 154 Abs. 1 Satz 2 BGB hinausgehen.

In beiden Urkunden befindet sich der ausdrückliche Hinweis, wonach zu den getroffenen Vereinbarungen noch " gesonderte Verträge geschlossen " beziehungsweise " die entsprechenden Verträge gefertigt und abgeschlossen " werden sollen.

Nach der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB ist ein Vertrag im Zweifel nicht zustande gekommen, bis die vereinbarte Beurkundung, die absprachegemäß auch in privatschriftlicher Form erfolgen kann, stattgefunden hat. Zwar steht eine Beurkundungsabrede dem sofortigen Vertragsabschluss keineswegs entgegen, wenn sie lediglich Beweiszwecken dienen und nicht konstitutiv sein soll.

Bei der Befristung eines Mietverhältnisses auf sieben Jahre, die laut Vereinbarung vom 16.02.2006 vorgesehen war und die gemäß § 550 i.V.m. § 578 BGB nur unter Wahrung der gesetzlichen Schriftform rechtswirksam möglich ist, spricht aber schon eine tatsächliche Vermutung dafür, dass jedenfalls vor Ausfertigung und Unterzeichnung einer im Geschäftsverkehr gebräuchlichen Mietvertragsurkunde noch keine rechtliche Bindung bestehen soll.

Unabhängig davon sind die zitierten Hinweise im Streitfall ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien in den noch auszufertigenden Urkunden weitaus mehr regeln wollten als nur die wesensnotwendigen Vertragselemente ( essentialia negotii ).

Nach § 154 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag im Zweifel nicht zustande gekommen, solange sich die Partner nicht über alle Punkte verständigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Seite eine Vereinbarung getroffen werden soll; ob es sich dabei um für das Rechtsgeschäft wesentliche handelt, spielt keine Rolle. An Uneinigkeiten über Punkte, die sich - vom gesetzlichen Leitbild aus betrachtet - als nebensächlich darstellen, ist die Unterzeichnung der nachfolgend ausgetauschten Vertragsentwürfe hier schließlich gescheitert.

Weiterführende Informationen zu diesem Thema inrechtsportal.de/mietrecht:

Bereich Bibliothek, Handbuch des Mietrechts, Stichwort "Mietvorvertrag und andere vorvertragliche Vereinbarungen" (Schnellsuche: D802WEB_74589094)

Quelle: Online Redaktion - Beitrag vom 23.06.09