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Miet- und WEG-Recht -

Haftung des minderjährigen Eigentümers bei Eigentumserwerb

Entscheidungsbesprechung mit Praxishinweis: Der bei Erwerbdurch Erbfall minderjährige Miteigentümer haftet für Forderungen aus Wirtschaftsplänen und Jahresabrechnungen, die nach Eintritt seiner Volljährigkeit beschlossen wurden auch dann, wenn diese sich auf die Zeit davor beziehen.

Redaktioneller Leitsatz
Ein Miteigentümer, der das Eigentum als Minderjähriger z.B. durch Erbfall erworben hat, kann sich gegenüber Forderungenaus Wirtschaftsplänen und Jahresabrechnungen, die nach dem Eintritt seiner Volljährigkeit beschlossen wurden, auch dann nicht auf den Minderjährigenschutz des § 1629a BGB berufen, wenn sich diese – auch – auf Zeiträume vor der Volljährigkeit beziehen.

Darum geht es
Ein 15-Jähriger wird als Miterbe Miteigentümer von vier Wohneinheiten. Nach seinem 18. Geburtstag beschließt die Eigentümerversammlung zunächst über einen Wirtschaftsplan und ein Jahr später über die Jahresabrechnung, wobei der Abrechnungszeitraum teilweise noch in die Zeit vor der Volljährigkeit des Eigentümers zurückreicht. Der Eigentümer leistet weder auf die sich hieraus ergebende Nachforderung noch auf spätere Hausgeldforderungen Zahlungen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft erhebt Klage zum AG Nürnberg.

Der Eigentümer wendet unter anderem ein,gem. § 1629a BGB jedenfalls im Hinblick auf die Nachforderungen aus Abrechnungszeiträumen, die in dieZeit seiner Minderjährigkeit zurückreichen, in seiner Haftung beschränkt zu sein. Gegen den seinen PKH-Antrag zurückweisenden Beschluss des AG legt er sofortige Beschwerde zum LG Nürnberg-Fürth ein.

Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Gericht weist die sofortige Beschwerde zurück.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Haftungsbeschränkung des§ 1629a BGB beruft, hält das Gericht die Vorschrift vorliegend für unanwendbar. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Eingreifen des§ 1629a BGBist der, in dem der Rechtsgrund für die Verbindlichkeit gelegtwird. Liegt dieser Zeitpunkt noch vor dem Eintritt der Volljährigkeit,ist ein Rückgriff auf § 1629a BGB möglich. Diesgilt allerdings dann nicht mehr, wenn der Volljährige auf der Basis eines "Altvertrags" durch eigene Handlungen oder sonst zurechenbar erst neue Verbindlichkeiten eingeht oder eine Altschuld bestätigt (s.a. Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl. 2010,§ 1629a Rdn. 12, 13).

Dies nimmt das LG vorliegend an. Der Beschwerdeführer war bereits volljährig, als die Eigentümergemeinschaft, deren Mitglied er ist, die Beschlüsse über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung fasste. Erst mit diesen Beschlüssen sind jedoch die gegen den Beschwerdeführer gerichteten Forderungen überhaupt entstanden (Merle in Bärmann, WEG, 10. Aufl. 2008,§ 28 Rdn. 32, 85).

Die Beschlüsse bilden einen selbständigen, durch einen (dem Beschwerdeführer zurechenbaren) Willensakt der Gemeinschaft geschaffenen Rechtsgrund für die Eintreibung von Hausgeldforderungen. Damit handelt es sich auch nicht um Verbindlichkeiten des Nachlasses, die gem.§ 1629a Abs. 1 Satz 1, 1. HS BGBvon der Haftungsbeschränkung des§ 1629a BGB erfasst werden, sondern um Verbindlichkeiten des Erben selbst.

Im Hinblick auf die Miterbenstellung des Beschwerdeführers weist das Gericht ergänzend darauf hin, dass dieser sich auch nicht auf die Vermutungswirkung des§ 1629a Abs. 4 Satz 1 BGB berufen kann, da nicht vorgetragen ist, dass er innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangt hat.

Fazit
Für die Frage, ob die Haftungsbeschränkung des§ 1629a BGB bei Hausgeldforderungen aus Wirtschaftsplänen und Jahresabrechnungen greift, kommt es ungeachtet des Abrechnungszeitraums darauf an, ob die jeweiligen Beschlüsse vor oder nach Eintritt der Volljährigkeit gefasst wurden.

Praxishinweis
Erwirbt ein Minderjähriger von Todes wegen Wohnungs- /Teileigentum, gehen die damit verbundenen Rechte und Pflichten gem. § 1922 BGB auf ihn über. Für offene Verbindlichkeiten z.B. in Gestalt von Hausgeldforderungen haftet er gem. § 1967 BGB. Hierbei kann es sich in der Praxis um erhebliche Beträge handeln. Sofern die gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen die Erbschaft nicht für ihn ausschlagen (wozu sie gem. § 1643 Abs. 2 BGB der Genehmigung des Familiengerichts bedürfen) oder seine Erbenhaftung nicht nach §§ 1975 ff. BGB beschränken, sieht § 1629a BGB eine Einschränkung der Haftung des Minderjährigen auf sein zum Zeitpunkt der Volljährigkeit vorhandenes Vermögen vor.

Das vorliegende Urteil zeigt die Grenzen dieser Haftungsbeschränkung v.a. im Zusammenhang mit der Verpflichtung des ehedem minderjährigen Miteigentümers zur Übernahme der Kosten des Gemeinschaftseigentums nach § 16 Abs. 2 WEG und der Vorschussleistung nach § 28 Abs. 2 WEG auf. Hierbei ist unbedingt zu beachten, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Hausgeldvorschüssen aus Wirtschaftsplänen und Nachforderungen aus Jahresabrechnungen nicht bereits durch die bloße Mitgliedschaft in der WEG oder automatisch mit Beginn des jeweiligen Abrechnungszeitraums entsteht, sondern erst mit dem Beschluss des Wirtschaftsplans und der Jahresabrechnung.

Berät der Anwalt einen Minderjährigen und dessen Vertreter im Zusammenhang mit der Annahme einer entsprechenden Erbschaft, ist hierauf ebenso hinzuweisen wie bei der Beratung des bereits Miteigentümer gewordenen Minderjährigen.

Quelle: Rechtsanwalt Thomas Emmert - Entscheidungsbesprechung vom 11.12.09