Miet- und WEG-Recht -

Kein Anspruch auf Herausgabe des Einheitswertbescheids

Will eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit dem Rangvorteil des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG vollstrecken, steht ihr gegen den säumigen Wohnungseigentümer weder ein Anspruch auf Herausgabe des Einheitswertbescheids noch darauf zu, dass er das für ihn zuständige Finanzamt ihr gegenüber von der steuerlichen Schweigepflicht befreit.

Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus der zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden Treuepflicht. Diese geht nicht so weit, dass ein Wohnungseigentümer verpflichtet wäre, die Erfolgsaussichten der gegen ihn vollstreckenden Wohnungseigentümergemeinschaft aktiv zu verbessern.

Darum geht es
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft will aus einem Hausgeldtitel gegen eine säumige Wohnungseigentümerin in deren Wohnungseigentum vollstrecken und dabei das Rangprivileg des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG vollstrecken. Um dieses Privileg unter Beachtung der insoweit geltenden Wertgrenzen nutzen zu können, verlangt sie von der Schuldnerin, das für sie zuständige Finanzamt vom Steuergeheimnis zu befreien, damit sie dort die für die Vollstreckung erforderlichen Einheitswertbescheide einfordern kann. Die Schuldnerin verweigert dies, woraufhin die Eigentümergemeinschaft klagt.

Das Amtsgericht weist die Klage ab und stellt fest, dass im Zusammenhang mit der Vollstreckung in die privilegierte Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG der säumige Wohnungseigentümer weder verpflichtet ist, das für ihn zuständige Finanzamt von der steuerlichen Schweigepflicht zu befreien, damit die WE-Gemeinschaft dort die erforderlichen Einheitswertbescheide anfordern kann, noch einen in seinem Besitz befindlichen Einheitswertbescheid herausgeben muss.

Entscheidungsgründe
Das Gericht stellt zunächst fest, dass ein allgemeiner Auskunftsanspruch eines Gläubigers gegen einen Schuldner nicht existiert. Voraussetzung ist vielmehr eine spezifische Rechtsgrundlage, die das WEG gerade nicht bietet. Insbesondere besteht keine wohnungseigentumsrechtliche Treuepflicht des Schuldners, die diesen verpflichtet, aktiv an der Verbesserung der Rechtsposition der gegen ihn vollstreckenden Wohnungseigentümergemeinschaft mitzuwirken.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann ihren Anspruch auch nicht auf § 792 ZPO stützen. Hiernach kann der Gläubiger, der zum Zwecke der Zwangsvollstreckung einer Urkunde, die dem Schuldner auf Antrag von einer Behörde, einem Beamten oder einem Notar zu erteilen ist, deren Erteilung an Stelle des Schuldners verlangen.

Vorliegend benötigt die WE-Gemeinschaft den Einheitswertbescheid nicht, um überhaupt die Zwangsvollstreckung betreiben zu können, sondern lediglich, um in einer besseren Rangklasse zu vollstrecken. Dieses Interesse an der Verbesserung einer auch ohne Einheitswertbescheid aufgrund des bereits erlangten Titels gegebenen Vollstreckungsmöglichkeit wird nach Ansicht des Gerichts nicht mehr von § 792 ZPO gedeckt.

Das Gericht verweist die klagende Eigentümergemeinschaft darauf, vom Einheitswert über den Umweg des § 54 Abs. 1 S. 4 GKG – Ersuchen des Vollstreckungsgerichts an die Finanzbehörde im Zusammenhang mit Kostenfestsetzung – Kenntnis zu erlangen und dann dem bereits eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren in der Rangklasse 2 beizutreten (siehe auch BGH, Beschl. v. 17.04.2008 – V ZB 13/08, DRsp-Nr. 2008/11167).

Anmerkung
Ob der Weg über § 54 Abs. 1 S. 4 GKG für die Eigentümergemeinschaft überhaupt gangbar ist, erscheint fraglich. So hat z.B. das FG Düsseldorf (FG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.2008 – 4 K 170/08 AO) festgestellt, dass aufgrund des Steuergeheimnisses der im Wege des § 54 Abs. 1 S. 4 GKG an das Vollstreckungsgericht übermittelte Einheitswert lediglich für die Festsetzung der Verfahrenskosten herangezogen, nicht aber an den die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger zum Zwecke der Verbesserung der Rangklasse mitgeteilt werden darf. Stattdessen verweist das FG den Gläubiger auf die Geltendmachung eines zivilrechtlichen Auskunfts- und Herausgabeanspruchs, wie ihn vorliegend das AG Mannheim wiederum gerade abgelehnt hat. Ein Ausweg aus diesem Dilemma bietet ersichtlich nur noch eine Nachbesserung des Gesetzgebers.

Quelle: Rechtsanwalt Thomas Emmert - Urteilsanmerkung vom 27.03.09