Miet- und WEG-Recht -

Keine Haftung der Wohnungseigentümer für Altschulden

Urteilsanmerkung: Ist eine Forderung gegen die teilrechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft vor dem 01.07.2007 begründet und fällig geworden, muss der einzelne Wohnungseigentümer nicht unmittelbar für die Schulden der Wohnungseigentümergemeinschaft einstehen.

Nach § 10 Abs. 8 WEG haftet jeder Wohnungseigentümer einem Gläubiger nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils (§ 16 Abs. 1 Satz 2 WEG) für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft. Gilt dies auch für Verbindlichkeiten, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.07.2007 entstanden und fällig geworden sind?

Darum geht es
Die Wohnungseigentümer erhalten über Jahre hinweg Wasser Gas und Strom von einer Stadtwerke GmbH geliefert. Die GmbH will nach dem Inkrafttreten der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes von einem der beiden Teileigentümer die noch ausstehende restliche Bezahlung von Wasser und Strom. Dieser weigert sich zu zahlen. Er ist der Ansicht, nicht er, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft sei Vertragspartner des Versorgungsvertrags. Deshalb hafte er für die Forderung nicht persönlich. Die - durch die Neuregelung des Wohnungseigentumsrechts zum 01.07.2007 eingeführte - anteilige Haftung der Wohnungseigentümer (§ 10 Abs. 8 WEG) gelte nicht rückwirkend.

Entscheidungsgründe
Das OLG Karlsruhe wies die Klage ab. Die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschluss des BGH vom 02.06.2005 - V ZB 32/05 (DRsp Nr. 2005/9754) hat zur Konsequenz, dass für deren Schulden der einzelne Wohnungseigentümer nicht von Gesetzes wegen unmittelbar (gesamtschuldnerisch) einzustehen hat. Eine akzessorische gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten komme nur in Betracht, wenn der Beklagte sich neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet habe. Ein Vertragsschluss mit dem Wohnungseigentümer konnte jedoch nicht festgestellt werden.

§ 10 Abs. 8 WEG ist keine Vorschrift über das Verfahren und somit grundsätzlich sofort anwendbar. Allerdings heißt dies nicht, dass § 10 Abs. 8 WEG auch auf abgeschlossene Sachverhalte anwendbar wäre. Das OLG Karlsruhe verweist auf Art. 170 EGBGB, der bestimmt, dass für ein Schuldverhältnis, das vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches entstanden ist, die bisherigen Gesetze maßgebend bleiben. Diese Bestimmung sei Ausfluss eines allgemeinen Grundsatzes des Privatrechts, dass für ein unter der alten Rechtsordnung entstandenes Rechtsverhältnis grundsätzlich deren Bestimmungen maßgebend bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2001 - IX ZR 401/99, DRsp Nr. 2002/1878; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.07.2007 - V ZR 189/06, DRsp Nr. 2007/15873).

Nachdem die klägerischen Forderungen vor dem 01.07.2007 begründet und fällig geworden sind und keine vom Grundsatz abweichende Übergangsregelung normiert worden ist, habe es bei dem von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsatz zu verbleiben, dass der einzelne Wohnungseigentümer mangels besonderen Verpflichtungstatbestands für die Schulden der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht unmittelbar einzustehen hat (so auch Briesemeister NZM 2008, 230; Schach, Juris PR-MietR 9/2008 Anm. 6; vgl. auch Bergerhoff NZM 2007, 553; aA Bärmann/Wenzel, Wohnungseigentumsgesetz 10.A. § 10 Rn. 304).
Die Revision lies das OLG nicht zu.

Anmerkung
Der BGH hatte bereits mit Urteil vom 07.03.2007 - VIII ZR 125/06 (DRsp-Nr. 2007/6833), unter Änderung seiner früheren Rechtsprechung, die Haftung des einzelnen Wohnungseigentümers für Gaslieferungen abgelehnt. Unerheblich ist nach Ansicht des BGH, dass die Klägerin im Jahr 2003/2004 davon ausging, mit den einzelnen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Versorgungsvertrag abzuschließen. Auch eine Haftung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes wurde ausdrücklich abgelehnt, da die für die Klägerin aus der fehlenden Haftung erwachsenden Folgen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens auf die Fortdauer der bisherigen Rechtsprechung nicht zu unbilligen, ihr unzumutbaren Härten führen. Dieses Urteil des BGH ist allerdings auf den vorliegend vom OLG Karlsruhe zu entscheidenden Fall nicht ohne Weiteres übertragbar. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH war § 10 Abs. 8 WEG noch nicht in Kraft, weshalb sich der BGH damals nicht mit der anteiligen Haftung nach dieser Vorschrift zu beschäftigen hatte.

Die gesetzliche Neuregelung ist nach Ansicht des KG (Urt. v. 12.02.2008 – 27 U 36/07, DRsp Nr. 2008/5499) nicht erst auf Verbindlichkeiten (z.B. Versorgung von Trinkwasser) anzuwenden, die nach dem 30.06.2007 begründet wurden. Dem sind das OLG München mit Beschluss vom 28.01.2008 – 34 Wx 77/07 (DRsp Nr. 2008/5008), im Anschluss Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. § 10 Rdn. 81) und nun auch das OLG Karlsruhe entgegengetreten.

Praxishinweis
Welche Fallkonstellationen sind denkbar?

a) Vertragsschluss nach dem 01.07.2007
Der Wohnungseigentümer haftet anteilig

b) Vertragsschluss und Fälligkeit der Forderung vor dem 01.07.2007
Der Wohnungseigentümer haftet nicht anteilig, wenn man dem OLG Karlsruhe und dem OLG München folgt.

c) Vertragsschluss vor dem 01.07.2007 und Fälligkeit nach diesem Termin
Der Wohnungseigentümer haftet nach OLG Karlsruhe für die Forderung.

d) Vertragsschluss vor dem 01.07.2007 und Fälligkeit teilweise vor und nach dem Termin
Beispiel: Im Jahr 2007 sind monatlich 100 € im Voraus zu bezahlen. Die Abrechnung für das Jahr 2007 ergibt eine Nachzahlung von 400 €. Der Miteigentumsanteil des Wohnungseigentümers beträgt 30/100.
Für Energielieferungen haftet der Wohnungseigentümer, die nach diesem Termin fällig geworden sind, also ab 01.07.2007 für 6 Monate x 100 € = 600 € plus Nachzahlung i.H.v.  400 €  = 1.000 € x Miteigentumsanteil des Wohnungseigentümers 30/100; somit haftet der Wohnungseigentümer für 300 €. Er schuldet aber nicht die Abschlagszahlungen, die vor dem 01.07.2007 fällig wurden.

In den Übergangsfällen hat der Rechtsanwalt dafür zu sorgen, dass die Verjährung auch gegenüber demjenigen unterbrochen wird, der gerichtlich nicht in Anspruch genommen wird. Die Wohnungseigentümergemeinschaft sollte vorrangig in Anspruch genommen werden. Nachteil kann sein, dass die Vollstreckung erschwert wird. Zumindest sollte der Wohnungseigentümergemeinschaft der Streit verkündet werden.

Quelle: Hans-Joachim Weber, Vors. RiLG, Konstanz - Urteilsanmerkung vom 25.03.09