Miet- und WEG-Recht -

Keine Mietminderung wegen öffentlich-rechtlicher Nutzungsbeschränkung

BGH, Urt. v. 16.09.2009 — VIII ZR 257/08, Deubner Link 2009/23401

Entscheidungsbesprechung mit Praxishinweis: Eine öffentlich-rechtliche Belastung der Mietsache ist noch kein zur Mietminderung berechtigender Mietmangel.

Leitsätze
1.
Öffentlichrechtliche Nutzungsbeschränkungen vermieteter Wohnräume berechtigen den Mieter nicht zur Mietminderung, wenn deren Nutzbarkeit mangels Einschreitens der zuständigen Behörden nicht eingeschränkt ist.
2.
Haben die Parteien eine bestimmte Wohnfläche als Beschaffenheit der Mietsache vereinbart, sind die Flächen von Räumen, die nach dem Vertrag zu Wohnzwecken vermietet sind (hier: ausgebautes Dachgeschoss), bei der Wohnflächenermittlung unabhängig davon mit einzurechnen, ob sie bei einer Flächenberechnung nach den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung als Wohnraum anzurechnen sind (Fortführung von BGH, Urt. v. 23.05.2007 — VIII ZR 231/06, Deubner Link 2007/12804 = NJW 2007, 2624).

Darum geht es
Die Mieter eines Einfamilienhauses machten nach der Beendigung des Mietverhältnisses Ende 2007 gegen ihren Vermieter Mietminderungsansprüche geltend. Sie beriefen sich darauf, dass die von ihnen zum Wohnen genutzten Dachräume aufgrund von öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen in ihrem Gebrauchswert eingeschränkt gewesen seien. Infolgedessen hätten sie auch nicht bei der im Mietvertrag angegeben Wohnflächenzahl berücksichtigt werden dürfen. Darüber hinaus seien die Räume im Dachgeschoss schlecht beheizbar gewesen, es hätten Leitungen über dem Putz gelegen und es sei kein Wohnbelag vorhanden. Aufgrund dieser Mietmängel verlangen sie die Rückzahlung von entrichteter Miete in Höhe von 3.384 € sowie die Erstattung von Anwaltskosten.

Wesentliche Entscheidungsgründe
Der BGH hat im Einklang mit den Vorinstanzen das Vorliegen von Mietmängeln verneint und daher die geltend gemachten Ansprüche auf Mietminderung verneint.

Öffentlich rechtliche Nutzungsbeschränkungen als Mangel der Mietsache
Der BGH beschäftigt sich erstmals mit der Frage, inwieweit öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen überhaupt einen Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 BGB darstellen, der zur Mietminderung berechtigt. Dies setzt voraus, dass die Nutzbarkeit der Räume auch tatsächlich eingeschränkt ist. Davon kann nur dann ausgegangen werden, soweit die zuständigen Behörden überhaupt gegenüber dem Mieter tätig werden und ihm die Nutzung der Räumlichkeiten untersagen oder einschränken. Dies ist jedoch im zugrundeliegenden Sachverhalt nicht der Fall gewesen. Vielmehr haben die Mieter die Nutzung des ausgebauten Dachgeschosses von sich aus erst nach einigen Jahren unterlassen.

Angebliche fehlerhafte Wohnflächenberechnung als Mietmangel
Sodann setzt sich der BGH mit dem Argument der klagenden Mieter auseinander, wonach die Dachgeschossräume nicht vom Vermieter bei der Berechnung der Wohnfläche hätten berücksichtigt werden dürfen, weil sie keine Wohnräume im Sinne der zweiten Berechnungsverordnung dargestellt hätten. Es liege eine Flächenabweichung von mehr als 10% der Wohnfläche vor.
Dem schließt sich der BGH ebenfalls nicht an — mit den folgenden Argumenten:

  • Zwar finden die Bestimmungen der zweiten Berechnungsverordnung grundsätzlich auch auf die Berechnung von Flächen auf dem freien Wohnungsmarkt Anwendung
  • Dies gilt aber nur, soweit nicht die Parteien selbst in einer Vereinbarung geregelt haben, welche Räume in die Berechnung der Wohnfläche mit einzubeziehen sind

Eine solche Vereinbarung ergibt sich vorliegend aus dem Umstand, dass die Räume im Dachgeschoss als Wohnräume vermietet worden sind. Dies folgt
zunächst einmal daraus, dass der Vermieter durch den vorgenommen Ausbau die Nutzung zum Wohnen ermöglicht hat. Darüber hinaus enthält der Mietvertrag keine Beschränkung — oder gar Untersagung — hinsichtlich der vorgesehenen Nutzung der Dachgeschossräume.

Daher sind hier die Bestimmungen der zweiten Berechnungsverordnung nicht anwendbar. Es braucht also gar nicht geprüft werden, ob die Räume im Dachgeschoss im Einklang mit diesen Bestimmungen stehen.

Weitere Mängelrügen der Mieter
Die vorgebrachten Beanstandungen über den Zustand der Räume — wie etwa die angeblich schlechte Beheizbarkeit — können nur dann einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache darstellen, soweit sich die Räume nicht von Anfang an in diesem Zustand befunden haben und diese Mängel auch eindeutig erkennbar gewesen sind. Dies ist nach dem Sachverhalt jedoch der Fall gewesen.

Praxishinweis
Soweit Mandanten sicher gehen wollen, dass die Mietsache keiner öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkung unterliegt, sollten sie sich am besten vor dem Abschluss des Mietvertrags bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde erkundigen oder dort eine schriftliche Auskunft einholen. Oder sie lassen sich vom Vermieter schriftlich zusichern, dass die Immobilie nicht mit einer solchen Nutzungsbeschränkung belastet ist. So etwas ist auf jeden Fall dann empfehlenswert, wenn gleich ein ganzes Haus gemietet wird oder Anhaltspunkte für eine derartige Begrenzung sprechen.

Gleichwohl sollten Vermieter darauf achten, dass bei der vermieteten Wohnung oder dem vermieteten Haus keine für den Mieter hinderlichen öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen bestehen. Denn sobald Behörden tatsächlich gegen den Mieter tätig werden — z.B. durch den Erlass von Nutzungsbeschränkungen oder sogar einer Nutzungsuntersagung, hat der Mieter gegen den Vermieter in der Regel einen Anspruch auf Mietminderung und unter Umständen auch auf Schadensersatz. Denn hier ist er in dem Gebrauch der Mietsache tatsächlich in erheblicher Weise beeinträchtigt.

Darüber hinaus ist Mietern auch zu raten, dass sie sich die Wohnung vor Abschluss des Mietvertrags genau ansehen und auf das Vorliegen von Mängeln zu untersuchen. Auffälligkeiten sollten in einem Protokoll festgehalten werden, das am besten von beiden Parteien — notfalls von Zeugen — unterschrieben wird. Dies hat auch den Vorteil, dass etwaige Mängel dem Vermieter bekannt werden und er diese beheben kann.

Quelle: Harald Büring, Assessor jur., Düsseldorf - Entscheidungsbesprechung mit Praxishinweis vom 02.02.10