Miet- und WEG-Recht -

Konkludente Betriebskostenumlage durch langjährige Zahlung

Die vorbehaltlose Zahlung auf Betriebskostenabrechnungen über 15 Jahre hinweg ist als konkludente Zustimmung zur Umlage dieser Kosten zu verstehen.

Stellt der Vermieter ursprünglich nicht auf den Mieter umgelegte Betriebskosten in die jährliche Abrechnung ein, kann eine stillschweigende Vereinbarung dahingehend angenommen werden, dass auch diese Kosten als auf den Mieter umgelegt gelten, wenn der Mieter die Abrechnungen 15 Jahre lang anstandslos akzeptiert und auch noch alle vom Vermieter während dieser Zeit ausgesprochenen Erhöhungen der Betriebskostenvorauszahlungen hinnimmt.

Sachverhalt:

Zwischen den Parteien besteht seit 1980 ein Wohnraummietverhältnis. Ab dem Jahr 1991 bis 2005 stellt die Vermieterin in den jährlichen Betriebskostenabrechnungen Kosten ein, die nach dem Mietvertrag ursprünglich nicht auf den Mieter umgelegt waren. Der Mieter akzeptiert diese Abrechnungen und gleicht die sich hieraus zu Gunsten der Vermieterin ergebenden Nachforderungen vorbehaltlos aus. Ebenso nimmt er Erhöhungen der Nebenkostenvorauszahlungen hin, die die Vermieterin wegen der sich immer wieder aus den Abrechnungen ergebenden Nachforderungen verlangt.

Gegen die Abrechnung 2006 wendet der Mieter nunmehr ein, dass sie verschiedene, nach dem Mietvertrag nicht auf ihn umgelegte Betriebskosten enthalte und kürzt fortan auch die Nebenkostenvorauszahlungen. Die Vermieterin ist der Auffassung, dass der Mieter durch seine fortwährende vorbehaltlose Zahlung auf die Nachforderungen und Vorauszahlungserhöhungen einer Umlage auch der zunächst nicht geschuldeten Betriebskosten konkludent zugestimmt habe. Sie klagt auf Zahlung der Nachforderung aus der Abrechnung 2006 und auf Zahlung der gekürzten Vorauszahlungsbeträge. Das Gericht gibt der Klage statt.


Entscheidungsgründe:

In seiner Entscheidung setzt sich das AG Köln eingehend mit der einschlägigen Rechtsprechung auseinander. Es nimmt dabei insbesondere Bezug auf die Entscheidungen des BGH und skizziert deren Entwicklung. Es stellt hierauf zunächst fest, dass eine Vereinbarung der Parteien über die Umlage bislang nicht vom Mieter geschuldeter Betriebskosten grundsätzlich auch stillschweigend getroffen werden kann. Ob hierfür lediglich mehrfache Zahlungen des Mieters auf zunächst nicht auf ihn umgelegte Betriebskosten enthaltende Abrechnungen ausreichen oder ob hierfür wie vom VIII. Senat des BGH inzwischen gefordert (BGH, Urteil vom 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, WuM 2007, 694) weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, lässt das Gericht jedoch unter Hinweis auf die Besonderheiten im vorliegenden  Fall offen. Das Gericht führt hierzu aus:

Abweichend hiervon hat der Beklagte im vorliegenden Fall 15 Jahre lang keine Einwendungen gegen die Umlage solcher Betriebskosten erhoben, deren Umlage er ursprünglich mit der Klägerin nicht vereinbart hatte. Pflegen die Parteien über einen solch langen Zeitraum eine fortwährende Übung hinsichtlich der Umlage von Betriebskosten, so bringen sie hierdurch konkludent zum Ausdruck, dass sie übereinstimmend der Ansicht sind, dass diese Übung nach all den Jahren zu einer für beide Seiten verbindlichen rechtsgeschäftlichen Praxis geworden ist und dass sie sich somit auch in Zukunft an sie halten müssen." Jede andere Deutung dieses Verhaltens wäre nach Ansicht des erkennenden Gerichts mit anerkannten Auslegungsgrundsätzen nicht zu vereinbaren (§§ 133, 157 BGB).

Dabei hat sich das Gericht auch von folgenden Erwägungen leiten lassen: Zwar setzt eine Willenserklärung in der Regel voraus, dass der Erklärende das Erklärungsbewusstsein und den Rechtsbindungswillen hat, also weiß, dass sein Verhalten als rechtserhebliche Erklärung aufgefasst werden kann, und mit seiner Erklärung eine bestimmte Rechtsfolge herbeiführen will. Auch ohne diese Elemente liegt aber eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH, Urteil vom 07.06.1984 - IX ZR 66/83).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Falls der Beklagte in den ersten Jahren durch seine vorbehaltlose Zahlung noch nicht seinen Willen zu einer konkludenten Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten zum Ausdruck bringen wollte, so musste er spätestens nach Ablauf von fünf oder zehn Jahren erkennen, dass die Klägerin sein Verhalten so verstand oder verstehen würde. Er hat aber anschließend noch fünf weitere Jahre anstandslos Zahlungen entrichtet. Hieraus konnte die Klägerin nur schließen, dass der Beklagte mit der Umlage der Betriebskosten einverstanden war (§§ 133, 157 BGB).“

Anmerkung: Das Urteil belegt, dass auch nach der Entscheidung des BGH vom 10.10.2007 – VIII ZR 279/06, WuM 2007, 694 die Frage, ab wann von einer konkludenten Umlage bislang nicht geschuldeter Betriebskosten auf den Mieter auszugehen ist, nicht abschließend geklärt ist. Was allerdings die vom AG Köln besonders hervorgehobene Zeitspanne von 15 Jahren angeht, so lässt sich auch hierauf die Annahme einer konkludenten Vereinbarung nicht mehr ohne weiteres stützen. So hat der BGH (Urteil vom 13.02.2008 – VIII ZR 14/06, WuM 2008, 225) unlängst festgestellt, dass der Umstand, dass ein Vermieter über 20 Jahre (!) hinweg keine Betriebskostenabrechnungen vorgelegt hat, nicht die Annahme rechtfertigt, die Parteien hätten sich hierdurch stillschweigend darauf geeinigt, dass der Mieter nur noch nicht abrechenbare Pauschalen auf die Betriebskosten zu leisten hat.

Quelle: Rechtsanwalt Thomas Emmert - Urteilsanmerkung vom 06.06.08