Miet- und WEG-Recht -

Versorgungssperre stellt keine verbotene Eigenmacht dar

Urteilsbesprechung mit Praxishinweis: Nach Beendigung des Mietverhältnisses darf der Vermieter gegenüber dem in den Mieträumen verweilenden Mieter die Versorgung mit Heizwärme unterbrechen oder einstellen.

Die Entscheidung:

BGH, Urt. vom 06.05.2009 - XII ZR 137/07, DRsp Nr. 2009/13176

Leitsätze

a) Nach Beendigung des Mietverhältnisses ist der Vermieter gegenüber dem die Mieträume weiter nutzenden Mieter zur Gebrauchsüberlassung und damit auch zur Fortsetzung vertraglich übernommener Versorgungsleistungen (hier: Belieferung mit Heizenergie) grundsätzlich nicht mehr verpflichtet.

b) Auch aus Treu und Glauben folgt eine nachvertragliche Verpflichtung des Vermieters von Gewerberäumen zur Fortsetzung von Versorgungsleistungen jedenfalls dann nicht, wenn der Mieter sich mit Mietzinsen und Nutzungsentschädigung im Zahlungsverzug befindet und dem Vermieter mangels eines Entgelts für seine Leistungen ein stetig wachsender Schaden droht.

c) Die Einstellung oder Unterbrechung der Versorgung mit Heizenergie durch den Vermieter ist keine Besitzstörung gemäߧ§ 858, 862 BGB hinsichtlich der Mieträume.


Darum geht es

Der Beklagte vermietete durch befristeten „Nutzungsvertrag“ vom 28.07.2000 Gewerberäume an den Kläger. Die Parteien vereinbarten eine Staffelmiete zuzüglich Nebenkostenvorauszahlungen. Warmwasser und Heizwärme bezog der Kläger nicht direkt vom Versorgungsunternehmen, sondern über den Beklagten. Im Jahr 2001 stellte der Beklagte die Warmwasserversorgung ein, nachdem der Kessel im Keller stillgelegt worden war. Seit September 2001 erbrachte der Kläger keine Nebenkostenvorauszahlungen mehr. Er berief sich auf sein Zurückbehaltungsrecht, da der Beklagte keine Nebenkostenabrechnung erteilt hatte. Im August 2002 stellte der Kläger auch die Zahlung des Grundmietzinses ein.

Der Beklagte drohte daher im Jahr 2003 die Unterbrechung der Versorgung mit Heizwärme. Dies wurde ihm zunächst durch einstweilige Verfügung untersagt. Nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung kündigte der Beklagte jedoch im Juli 2005 erneut eine Versorgungssperre an. Zugleich erklärte der Beklagte zuletzt durch Schriftsatz vom 10.08.2007 die fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzuges, nachdem der Kläger seit Januar 2007 keine Miete mehr gezahlt hatte.

Gegen die angekündigte Versorgungssperre hat der Kläger Unterlassungsklage erhoben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit welcher er sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Revision hat – entgegen der bisher herrschenden Meinung – keinen Erfolg. Der BGH verneint nicht nur mietrechtliche Unterlassungsansprüche, sondern auch Besitzschutzansprüche.

Der BGH führt zunächst aus, dass sich der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht aus der mietvertraglichen Pflicht zur Gebrauchsüberlassung aus § 535 Abs.1 BGB ergibt. Denn das Mietverhältnis wurde spätestens durch die wirksame fristlose Kündigung vom 10.08.2007 wegen Zahlungsverzugs beendet. Wegen der nicht erteilten Nebenkostenabrechnung war der Kläger nicht zur Zurückbehaltung des Grundmietzinses berechtigt. Wegen der offensichtlichen Diskrepanz zwischen der rückständigen Grundmiete und den erbrachten Nebenkostenvorauszahlungen war die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts vielmehr rechtsmissbräuchlich.

Der Beklagte war auch nicht aufgrund nachvertraglicher mietrechtlicher Pflichten gehalten, die Versorgung mit Heizenergie fortzusetzen. Grundsätzlich endet mit Beendigung des Mietvertrages auch die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung gem. § 535 Abs.1 BGB. Allerdings kann sich aus Treu und Glauben die Pflicht ergeben, die Erbringung von Versorgungsleistungen nach Vertragsbeendigung aufrechtzuerhalten. Eine solche Pflicht besteht nur ausnahmsweise auf Grund der Eigenart des Mietverhältnisses (z. B. bei Wohnraum) oder den besonderen Belangen des Mieters (z. B. Gesundheitsgefährdung). Andernfalls liefe der Vermieter Gefahr, die von ihm verauslagten Kosten für die Versorgung nicht erstattet zu erhalten und dadurch weiteren Schaden zu erleiden. Nach Auffassung des BGH besteht eine Pflicht zur fortgesetzten Erbringung von Versorgungsleistungen nur, wenn dem Vermieter die Fortsetzung zumutbar ist. Bei der Geschäftsraummiete ist der Vermieter im Falle des Zahlungsverzugs regelmäßig nicht verpflichtet, weitere Versorgungsleistungen zu erbringen. Den Vermieter trifft lediglich die nachvertragliche Abwicklungspflicht, die Unterbrechung der Versorgungsleistungen so frühzeitig anzukündigen, dass sich der Mieter darauf einstellen kann. Gegebenenfalls kann die Versorgung mit Heizwärme übergangsweise fortzusetzen sein. Eine solche Pflicht sah der BGH vorliegend nicht, nachdem sich der Mietrückstand bereits auf acht Monatsmieten belief und die angedrohten Versorgungssperren keine nachhaltige Wirkung gezeigt hatten.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ließ sich schließlich auch nicht auf eine drohende Besitzstörung entsprechend § 862 Abs.1 S. 2 BGB stützen. Die Einstellung oder Unterbrechung der Versorgung des Mieters mit Heizenergie ist – entgegen der bisherigen überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung - keine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs.1 BGB. Der BGH leitet dieses Ergebnis aus der Definition des Besitzes her. Die ständige Versorgung mit Heizwärme ist zwar Voraussetzung für den vertragsgemäßen Gebrauch. Der Besitz wird hierdurch jedoch nicht gestört. Denn der Besitz als Voraussetzung von Besitzschutzansprüchen schützt lediglich die tatsächliche Sachherrschaft. Die Einstellung der Versorgungsleistungen beeinträchtigt weder den Zugriff des Besitzers auf die Mieträume noch schränkt die Einstellung der Belieferung mit Heizwärme die sich aus dem bloßen Besitz ergebende Nutzungsmöglichkeit ein (so nun auch LG Saarbrücken, Beschl. v. 11.05.2009 - 5 T 236/09, für die Versorgungssperre eines Energieversorgers).

Bewertung der Entscheidung

Da der BGH zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Versorgungssperre nur auf die vertraglichen Beziehungen abstellt, hat die Entscheidung nicht nur für das Mietrecht, sondern auch für das Wohnungseigentumsrecht erhebliche Bedeutung.

1.Der BGH arbeitet zunächst die Voraussetzungen einer zulässigen Versorgungssperre klar heraus. Nach Auffassung des BGH ist zwischen einem bestehenden und einem beendeten Mietverhältnis zu differenzieren. Bei bestehendem Mietvertrag kommt es bei der Zulässigkeit einer Versorgungssperre auf den Umfang und die Grenzen des Zurückbehaltungsrechts des Mieters an, weil der Vermieter in diesem Fall zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet ist. Nachvertragliche Pflichten des Vermieters zur Fortsetzung der Versorgung bestehen nur im Einzelfall. Allerdings deutet der BGH an, dass die Anforderungen bei Wohnraum-mietverhältnissen höher sind.

2.Der BGH stellt zudem folgerichtig klar, dass dem Mieter auch bei der Verhängung einer Versorgungssperre durch die Wohnungseigentümergemeinschaft keine Besitzschutzansprüche zustehen. Denn die Gemeinschaft schuldet dem Mieter vertraglich keine Versorgungsleistungen. Der Mieter hat seine Rechte gegenüber seinem Vermieter durchzusetzen. Zahlt der Mieter z. B. das Entgelt für die Versorgungsleistungen an den vermietenden Wohnungseigentümer, leitet dieser das Wohngeld aber nicht an die Gemeinschaft weiter, kann die Gemeinschaft eine Versorgungssperre verhängen (zu den Voraussetzungen eingehend BGH, Urt. v. 10.06.2005 - V ZR 235/04 - NJW 2005, 2622, 2623; Weber, in: Hannemann/Weber, Handbuch zum Wohnungseigentum, § 6 Rdn. 81 f.). Der Mieter muss sich an den Vermieter halten. Allerdings kann der Mieter in den Grenzen des § 267 BGB die Versorgungssperre abwenden, wenn er die Wohngeldschulden seines Vermieters tilgt. Er kann dann gegenüber den Mietforderungen des Vermieters aufrechnen. Da der Eigentümergemeinschaft kein weiterer Schaden droht, wenn die Wohngelder gezahlt werden, wird die Fortsetzung der Versorgungssperre unzulässig.

Praxistipp:
Vor der Verhängung einer Versorgungssperre hat der Vermieter sorgfältig zu prüfen, ob eine solche verhältnismäßig und damit zulässig ist. Erforderlich sind fällige, erhebliche und zweifelsfrei feststehende Zahlungsrückstände. Auch bei beendetem Mietverhältnis darf eine Versorgungssperre trotz erheblicher Mietrückstände nicht verhängt werden,

  • um wegen anderer Forderungen Druck auf den Mieter auszuüben,
  • bei Gewährung einer Räumungsfrist,
  • wenn dem Mieter ein besonders hoher Schaden droht sowie
  • wenn der Mieter nachweist, dass ihm eine Gesundheitsgefährdung droht.

Um dem Mieter die Abwendung der Versorgungssperre zu ermöglichen, ist dieser rechtzeitig von einer Versorgungssperre zu informieren. Dies gilt auch für die Verhängung einer Versorgungssperre durch die Wohnungseigentümergemeinschaft.

Weiterführende Informationen zu diesem Thema in rechtsportal.de/mietrecht:

Bibliothek, Erläuterungen von Hannemann/Weber: "Versorgungssperre im Wohnraummietrecht"

Bibliothek, Erläuterungen von Neuhaus/Weber: "Mietgebrauch im Gewerberaummietrecht"

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Quelle: Dr. Sandra Schmieder, LL.M. (Berkeley), Richterin, Konstanz - Urteilsbesprechung vom 29.06.09