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Notgeschäftsführung in der GbR

Auch bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kann eine „Notgeschäftsführung“ greifen (analog § 744 Abs. 2 BGB). Der BGH hat entschieden, dass das Notgeschäftsführungsrecht nicht nur Maßnahmen zur Erhaltung eines bestimmten Gegenstands des Gesamthandvermögens erfasst, sondern auch dann gilt, wenn der Gesellschaft eine akute Gefahr droht und rasches Handeln erforderlich ist.

Sachverhalt

A war Gesellschafter der R. Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden GbR), die ihrerseits alleinige Gesellschafterin einer GmbH war. A war Geschäftsführer der GmbH und schloss mit ihr einen Geschäftsführerdienstvertrag. Dieser sollte im Falle des Ausscheidens des A aus der GbR ohne Kündigung enden. Der Gesellschaftsvertrag der GbR enthielt eine Schiedsabrede, die auch auf Streitigkeiten innerhalb der GmbH Anwendung finden sollte.

Nachdem es zu Streit unter den Gesellschaftern gekommen war, beriefen die Gesellschafter eine Gesellschafterversammlung der GbR und der GmbH ein, um die sofortige Abberufung des A als Geschäftsführer der GmbH, die außerordentliche Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrages, die Niederlegung bestimmter Mandate durch die GmbH, die Prüfung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der GmbH bzw. der GbR gegenüber A sowie den Ausschluss des A aus wichtigem Grund aus der GbR zu beschließen.

A erwirkte eine einstweilige Verfügung, die es den Gesellschaftern der GbR untersagte, die entsprechenden Beschlüsse zu fassen. In einer weiteren Gesellschafterversammlung, in der die vorgenannten Beschlüsse gefasst werden sollten, verließ A die Versammlung kurz nach deren Eröffnung, woraufhin die Beschlüsse gefasst wurden. A hat die Beschlüsse der GbR im schiedsrichterlichen Verfahren angefochten.

Durch Schiedsspruch wurden die Beschlüsse der GbR für nichtig erklärt. Gegen diesen Schiedsspruch haben die übrigen Gesellschafter der GbR einen Aufhebungsantrag gestellt, über den noch nicht entschieden worden ist. A hat nun gerichtlich begehrt, die Nichtigkeit der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der GmbH festzustellen, hilfsweise sie für nichtig zu erklären.

Das LG Düsseldorf hat die Klage mit Entscheidung vom 28.01.2015 (41 O 54/13) abgewiesen. Das OLG Düsseldorf hat der Berufung des A mit Entscheidung vom 21.07.2016 (I 6 U 33/15) stattgegeben. Der BGH hat die Revision der GmbH zugelassen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Klage ist nicht im Hinblick auf die erhobene Schiedseinrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO unzulässig. Die zwischen den Parteien getroffene Schiedsabrede ist hinsichtlich der Anfechtung der Beschlüsse der GmbH unwirksam. Denn die Schiedsabrede enthält keine Regelung zur Sicherung der Beteiligungsmöglichkeit für sämtliche Gesellschafter, dass der Verfahrenseinleitungsantrag ohne Festlegung des Antragstellers auf einen Schiedsrichter bei der Gesellschaft einzureichen und von dort aus sämtlichen Mitgesellschaftern mit der Aufforderung zuzustellen ist, in einer bestimmten Frist über einen Beitritt auf Seiten des Antragstellers oder der Gesellschaft zu entscheiden.

Daran ändert sich auch nichts, weil die GmbH mit der GbR lediglich einen Gesellschafter hatte. Zudem fehlt der Schiedsabrede eine Regelung zur Konzentration der Beschlussmängelrechtsstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht. Eine solche Konzentration erfordert, dass eine neutrale Person oder Stelle ex ante als Schiedsgericht festgelegt wird. Dafür reicht die vereinbarte Konzentration an einem bestimmten Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1043 ZPO) nicht aus.

Allerdings fehlt A die Prozessführungsbefugnis. Die Anfechtungsbefugnis steht nur dem rechtlichen, nicht auch dem wirtschaftlichen Gesellschafter oder Treugeber zu. Wer dies ist, bestimmt sich nach § 16 Abs. 1 GmbHG. Dies ist die GbR und nicht A.

Folgerungen aus der Entscheidung

Der BGH konkretisiert mit dieser Entscheidung seine Grundsätze zur Geschäftsführung in der GbR. Es ergibt sich keine Anfechtungsbefugnis des A aus § 744 Abs. 2 BGB analog. Diese Vorschrift berechtigt den Teilhaber einer Gemeinschaft, die zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilnehmer zu treffen. Die analoge Anwendung des § 744 Abs. 2 BGB auf die Geschäftsführung für die Gesellschaft durch einen GbR-Gesellschafter ist möglich.

Das Notgeschäftsführungsrecht analog § 744 Abs. 2 BGB erfasst bei einer GbR nicht nur Maßnahmen zur Erhaltung eines bestimmten Gegenstandes des Gesamthandvermögens, sondern greift auch dann ein, wenn der Gesellschaft selbst eine akute Gefahr droht und zu ihrer Abwendung rasches Handeln erforderlich ist. Dieses Notgeschäftsführungsrecht kann auch die Erhebung einer gesellschaftsrechtlichen Beschlussanfechtungsklage umfassen.

Es entspricht insoweit dem Notgeschäftsführungsrecht des Miterben einer Miterbengemeinschaft aufgrund der vergleichbaren gesetzlichen Regelung in § 2038 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BGB. Das Notgeschäftsführungsrecht berechtigt den Notgeschäftsführer zur Wahrnehmung der Rechte im eigenen Namen und damit auch zur Beschlussanfechtung. Daraus folgt auch die gesetzliche Prozessführungsbefugnis.

Allerdings stellen die angefochtenen Beschlüsse der GmbH keine Gefahr für die GbR dar. Nur auf deren Interessen ist abzustellen. Die Wahrung eigener Interessen des Notgeschäftsführenden jenseits derer der Gemeinschaft gehört nicht zum Notgeschäftsführungsrecht.

Die kurze Anfechtungsfrist nach § 246 Abs. 1 AktG analog begründet für sich genommen noch keine Gefahr für die GbR. Auch die Gefahr eines für A möglicherweise unzureichenden effektiven Rechtsschutzes stellt ebenfalls keine Gefahr für die GbR dar. Durch die Beschlüsse der GmbH wird die GbR nicht in ihrer Rechtstellung betroffen. Allein die behauptete objektive Rechtswidrigkeit der Beschlüsse ist für sich genommen auch keine Gefahr für die GbR.

Eine Notgeschäftsführung scheidet zudem aus, wenn es dem Gesellschafter möglich ist, durch Inanspruchnahme seiner Mitgesellschafter eine Mitwirkung an der Abwendung der Gefahren für die Gesellschaft zu erreichen. Die GbR könnte die angefochtenen Beschlüsse grundsätzlich durch eine neue Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung der GmbH aufheben und damit die Wirkungen der Beschlüsse beseitigen. Folglich wurde die Klage abgewiesen.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass die Anfechtungsklage von Gesellschafterbeschlüssen durch einen Gesellschafter erhoben wird, wenn die Prozessführungsbefugnis des Klägers vorliegen soll. Klagender sollte derjenige sein, der nach § 16 Abs. 1 GmbHG der rechtliche Gesellschafter oder Treuhänder ist. Wie insbesondere das Urteil des BGH vom 26.06.2018 (II ZR 205/16) zeigt, sollte dabei die Erhebung der Klage durch lediglich ein Mitglied eines Alleingesellschafters in der Form der GbR vermieden werden.

BGH, Urt. v. 26.06.2018 – II ZR 205/16

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht