Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds durch hohe Abfindungszahlung?

Schließen der Arbeitgeber und ein Mitglied des Betriebsrats gegen Abfindungszahlung einen Aufhebungsvertrag, liegt darin keine unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds, auch wenn der Sonderkündigungsschutz zu einer besseren Verhandlungsposition führt. Das hat das BAG entschieden. Arbeitgeber haften nach einer Reihe von Vorschriften für Fehlverhalten gegenüber Betriebsräten.

Sachverhalt

Ein seit über 30 Jahren beschäftigter Arbeitnehmer war zugleich Vorsitzender des Betriebsrates. Der Arbeitgeber meinte nun, Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden gefunden zu haben. Voraussetzung für eine solche Kündigung ist die Zustimmung des Betriebsrats. Der verweigerte jedoch seine Zustimmung. Deshalb zog der Arbeitgeber vor Gericht und beantragte zunächst die Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden.

Wenige Tage später schlossen dann der Arbeitgeber und der Betriebsratsvorsitzende außergerichtlich einen Aufhebungsvertrag. Danach sollte der Betriebsratsvorsitzende ca. 30 Monate unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt werden und eine Abfindung von 120.000 € netto erhalten. Der Betriebsratsvorsitzende trat daraufhin vereinbarungsgemäß von seinem Betriebsratsamt zurück und kassierte in der Folgezeit die Abfindung.

Damit aber nicht genug. Nun zog er vor Gericht und klagte den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses ein. Er vertrat nämlich die Auffassung, dass der Aufhebungsvertrag nichtig gewesen sei. Dadurch wäre er als Betriebsratsmitglied in unzulässiger Weise begünstigt worden.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das sah das BAG allerdings vollkommen anders. Klar ist natürlich, dass Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. So steht es auch in § 78 Satz 2 BetrVG. Werden Vereinbarungen geschlossen, die gegen diese Grundsätze verstoßen, sind diese nach § 134 BGB nichtig.

Hier wurde das Betriebsratsmitglied jedoch nicht wegen seiner Betriebsratstätigkeit begünstigt. Denn durch einen Abschluss eines Aufhebungsvertrags ergeben sich keine unzulässigen Begünstigungen. Natürlich sind die Verhandlungspositionen eines Betriebsratsmitglieds in Bezug auf die Konditionen des Aufhebungsvertrags günstiger als bei normalen Arbeitnehmern. Das beruht aber auf gesetzlichen Regelungen, nämlich auf dem Sonderkündigungsschutz aus § 15 KSchG und § 103 BetrVG.

Folgerungen aus der Entscheidung

Beabsichtigt also ein Arbeitgeber, ein Arbeitsverhältnis mit einem Betriebsratsmitglied unter Berufung auf verhaltensbedingte Gründe außerordentlich zu kündigen und schließen die Parteien dann einen Aufhebungsvertrag mit Zahlung eine Abfindung, liegt darin keine verbotene unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds.

Praxishinweis

An dieser Stelle ist einmal ein Blick auf die Straf- und Bußgeldvorschriften in den §§ 119 und 120 Betriebsverfassungsgesetz angebracht. Die wichtigste Vorschrift findet sich in § 119 BetrVG. Hier sind die Straftaten gegen die Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder normiert. Dabei sind drei Konstellationen denkbar:

  • § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG: Behinderung oder Beeinflussung der Wahl der Betriebsverfassungsorgane;
  • § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG: Behinderung oder Störung der Tätigkeit der Betriebsverfassungsorgane;
  • § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG: Benachteiligung oder Begünstigung der Mitglieder oder Ersatzmitglieder der Betriebsverfassungsorgane.

In dem geschilderten Fall wird schon klar, dass nicht nur die Benachteiligung, sondern auch die Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern strafbar ist. Die Strafvorschrift richten sich nicht nur gegen den Arbeitgeber, sondern gegen jedermann. Die Höchststrafe ist Freiheitsstrafe von einem Jahr oder Geldstrafe. Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Die Antragsberechtigten sind in § 119 Abs. 2 BetrVG aufgeführt.

Der § 120 bezieht sich zunächst auf die Geheimhaltungspflicht des § 79. Hier muss also zunächst ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegen, das der Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungspflichtig bezeichnet hat. Aber auch persönliche Geheimnisse eines Arbeitnehmers darf der Betriebsrat nicht ohne Weiteres verbreiten.

Wichtig ist auch die Bußgeldvorschrift des § 121. Teilt der Arbeitgeber entgegen seinen Pflichten Informationen falsch, unvollständig oder verspätet mit, begeht er eine Ordnungswidrigkeit. Das bezieht sich insbesondere auf:

  • die Planung von Neubauten, technischen Anlagen, Arbeit verfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen, § 90 Abs. 1, 2 Satz 1 BetrVG;
  • die Personalplanung, § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG;
  • personelle Einzelmaßnahmen, § 99 Abs. 1 BetrVG;
  • eine Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses, § 106 Abs. 2 BetrVG;
  • die Erläuterung des Jahresabschlusses, § 108 Abs. 5 BetrVG;
  • die Unterrichtung der Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens, § 110 BetrVG;
  • eine Unterrichtung über geplante Betriebsänderungen, § 111 BetrVG.

Alles in allem sieht das Gesetz also durchaus empfindliche Strafen gegen denjenigen vor, der Betriebsverfassungsorgane begünstigt, benachteiligt oder in ihrer Arbeit behindert. Das sollte insbesondere auf Arbeitgeberseite gelegentlich in Erinnerung gerufen werden.

BAG, Urt. v. 21.03.2018 – 7 AZR 590/16

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader