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Sozialrecht, Arbeitsrecht -

Mindestlohn: Übergangsregelung, Ausnahmen und Auftraggeberhaftung

Die Regelung des Mindestlohngesetzes (MiLoG), die zunächst einen geringeren Mindestlohn für Zeitungszusteller vorsah, war verfassungsgemäß. Erfolgt die Zeitungszustellung dauerhaft in Nachtarbeit, muss ein Nachtarbeitszuschlag von 30 % gezahlt werden. Das hat das BAG entschieden. Das Mindestlohngesetz sieht weiterhin Ausnahmen vor. Zudem besteht ein Haftungsrisiko für Auftraggeber.

Sachverhalt

Für Zeitungszusteller galt bei Einführung des Mindestlohns eine Sondervorschrift, um die Versorgung von ländlichen und strukturschwachen Regionen mit Presseartikeln zu sichern. Jedenfalls stand es so in der Gesetzesbegründung. Es gab eine Staffelung für den Mindestlohn, den Zeitungszusteller erhielten:

ab dem 01.01.2015: 6,38 €/Stunde (75 % von 8,50 €),
ab dem 01.01.2016: 7,23 €/Stunde (85 % von 8,50 €)
ab dem 01.01.2017: 8,50 €/Stunde (plus Erhöhungen in den Folgejahren)

Eine Zeitungszustellerin war seit 2013 beschäftigt und arbeitete mehr als zwei Stunden ausschließlich zur Nachtzeit i.S.d. Arbeitszeitgesetzes und stellte die Zeitungen bis spätestens 6.00 Uhr morgens zu. Arbeitsvertraglich vereinbart war eine Vergütung auf Stücklohnbasis und ein Nachtarbeitszuschlag von 25 % auf den Stücklohn. Die Arbeitgeberin zahlte den wie oben beschrieben „geminderten“ Mindestlohn.

Dagegen zog die Zeitungszustellerin vor Gericht und meinte, die gesetzliche Regelung sei unwirksam und würde gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Deshalb machte sie für den Zeitraum von Januar 2015 bis April 2016 die Differenz zum vollen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € brutto je Stunde geltend. Außerdem verlangte sie einen höheren Nachtarbeitszuschlag. Dieser müsse auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns berechnet werden und wegen ihrer Dauernachtarbeit 30 % betragen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das BAG gab der Arbeitnehmerin in Bezug auf den Nachtarbeitszuschlag Recht, hinsichtlich des Mindestlohns jedoch nicht. Sie hatte in dem hier gegenständlichen Zeitraum nur Anspruch auf den abgesenkten Mindestlohn. Die stufenweise Einführung des Mindestlohns durch den § 24 Abs. 2 MiLoG verstieß nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Gesetzgeber hatte die ihm bei Übergangsvorschriften, die zeitlich begrenzt sind, vom BVerfG eingeräumte besondere Gestaltungsfreiheit mit der auf drei Jahre begrenzten Sonderregelung des Mindestlohns für Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller nicht überschritten.

Aber die Arbeitnehmerin hatte auf der Grundlage des § 6 Abs. 5 ArbZG wegen ihrer Dauernachtarbeit Anspruch auf einen Zuschlag von 30 % des ihr zustehenden Bruttoarbeitsentgelts.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die Zeitungsverlage können aufatmen. Bei einer anderen Entscheidung hätten große Nachzahlungen gedroht, die sicherlich das ein oder andere Unternehmen in die Insolvenz getrieben hätten. Denn eins darf nicht vergessen werden: Ansprüche auf den Mindestlohn sind nicht abdingbar und können nicht verfallen.

Praxishinweis

Der politische Streit über die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns ist längst Geschichte. Am Ende ist letztlich mit dem 01.01.2015 doch ein allgemeiner Mindestlohn in Deutschland eingeführt worden. Der beträgt derzeit bundeseinheitlich 8,84 € brutto je Arbeitsstunde. Es gibt keine regionalen Unterschiede. Der Mindestlohn muss allen Arbeitnehmern gezahlt werden.

Der Mindestlohn gilt somit sowohl für Vollzeitbeschäftigte als auch für Teilzeitkräfte und Minijobber. Ausgenommen vom gesetzlichen Mindestlohn sind lediglich einige klar umrissene Personenkreise, für die kein Mindestlohn gezahlt werden muss:

  • Auszubildende,
  • Jugendliche ohne Berufsabschluss,
  • Pflicht-Praktikanten bzw. Praktikanten in Orientierungsphase,
  • ehrenamtlich tätige Personen,
  • Personen, die einen freiwilligen Dienst ableisten,
  • Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsförderung,
  • Heimarbeiter nach dem Heimarbeitsgesetz,
  • Selbstständige,
  • Langzeitarbeitslose,
  • Zeitungszusteller,
  • Vertragsamateure.

Was im Laufe der letzten Jahre seit Einführung des Mindestlohns in der Praxis immer wieder in Vergessenheit gerät, ist die gesetzliche Auftraggeberhaftung für den Mindestlohn. Und das wird dann interessant, wenn Sub-Unternehmen beauftragt werden. Das heißt, dass ein Unternehmen als Auftraggeber dafür Sorge tragen muss, dass die von ihm beauftragten Subunternehmen den Mindestlohn zahlen.

Der Auftraggeber haftet für die Einhaltung des Mindestlohns für alle nachfolgenden Subunternehmen, die er mit einer Werk- oder Dienstleistung beauftragt. Der Umfang der Haftung bezieht sich dabei auf die Mindestlohnansprüche der betroffenen Arbeitnehmer; hierbei aber nur auf das Netto-Entgelt – also nicht auf das Mindest-Bruttoentgelt von derzeit 8,84 € je Stunde, sondern auf das um die Steuern und Sozialabgaben verminderte Bruttoentgelt.

Die Arbeitnehmer eines Subunternehmens können sich also bei einem Lohnzahlungsausfall an den Auftraggeber wenden, um ausstehende Nettolohnzahlungen zu fordern! Auftraggeber sollten sich also von den Subunternehmen bestätigen lassen, dass diese sich an die Mindestlohnvorschriften halten. Daneben sollten sie sich auch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Sozialversicherungsträger von dem Subunternehmer aushändigen lassen sowie eine Erklärung, dass das Unternehmen nicht von der Vergabe öffentlicher Aufträge nach § 19 Mindestlohngesetz ausgeschlossen ist.

BAG, Urt. v. 25.04.2018 – 5 AZR 25/17

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader