Verkehrsrecht -

Anspruchs- und Bemessungsgrundlagen für das Schmerzensgeld

Mit Inkrafttreten des Schadensrechtsänderungsgesetzes (01.08.2002) wurde der Schmerzensgeldanspruch im Bereich des allgemeinen Schuldrechts angesiedelt ist; für den der Gefährdungshaftung findet sich die Anspruchsgrundlage nunmehr in § 11 StVG, welche insoweit ergänzt wurde.

Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit ist der Schadensersatz durch Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten ist. Wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann auch eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

Der Schmerzensgeldanspruch ist somit nur noch vom Eintritt einer Voraussetzung abhängig. Das ist die Verletzung eines der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter, wobei für den Bereich des Verkehrsschadens nur die Verletzung des Körpers und der Gesundheit Bedeutung haben.

Vom Grundsatz her sind die beiden Funktionen des Schmerzensgelds zu erfüllen: die Ausgleichsfunktion und die Genugtuungsfunktion. Für den hier interessierenden Bereich der Körperverletzung tritt allerdings in der Regel die Genugtuungsfunktion weitgehend zurück. Letztere bleibt regelmäßig auf Vorsatztaten beschränkt, entfällt dann aber nicht bei strafrechtlicher Verurteilung des Täters.

Für die Ausgleichsfunktion sind nicht allein Art und Umfang der erlittenen Verletzungen, die erlittenen Schmerzen und der Heilungsverlauf maßgebend; im Unterschied zu der für den Bereich der gesetzlichen oder privaten Unfallversicherung geltenden sogenannten Gliedertaxe kommt als zweites Kriterium der Grad und die Dauer einer durch die Verletzungen eingetretenen Arbeitsunfähigkeit hinzu. Hierdurch lässt sich am ehesten die Intensität und die Dauer der aufgetretenen Leiden und Beeinträchtigungen objektivieren. Ein weiteres wesentliches, also drittes Merkmal ist der Eintritt und der Umfang eines verbliebenen Dauerschaden, zu dem auch die psychischen Unfallfolgen zählen.

Eine Art Sondertatbestand stellen die Fälle dar, in denen durch die Verletzung auch die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit des Geschädigten weitgehend verloren gegangen ist. An sich könnte in solchen Fällen die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes nicht mehr greifen; dementsprechend hat auch die frühere Rechtsprechung des BGH dort den Schmerzengeldbetrag an einer lediglich symbolhaften Wiedergutmachung orientiert. Diese Rechtsprechung ist in einer Entscheidung vom BGH (Urt. v. 13.10-1992 – Az. VI ZR 201/91, NJW 1993, 781) aufgegeben worden. Nunmehr steht die weitgehende Zerstörung der Grundlagen für die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit für die Bemessung des Schmerzensgeldes gerade im Mittelpunkt, so dass dann ein Gesamtschmerzengeld von 1 Mio. DM gerechtfertigt sein kann (LG München I, Urt. v. 29.03.2001 – Az. 19 O 8647/00, NJW-RR 2001, 1246.).

Mindernd können sich die wirtschaftlichen Verhältnisse eines – ausländischen – Geschädigten auswirken, wenn entweder das Heimatrecht des Verletzten nur geringere Schmerzensgelder vorsieht (OLG Köln, Urt. v. 27.05.1993 – Az. 12 U 230/92, NJW-RR 1994, 95) oder die Wirtschaftskraft seines Heimatlandes geringer ist (OLG Köln, Urt. v. 30.04.1993 – Az. 20 U 236/92, zfs 1994, 47).

Keine Minderung des Schmerzensgeldanspruchs lässt sich – ähnlich der dem Halter zuzurechnenden Betriebsgefahr seines Fahrzeugs – daraus herleiten, dass der Verletzte am Straßenverkehr teilgenommen hat und sich daraus ein typisches Zivilisationsrisiko verwirklicht hätte (BGH, Urt. v. 05.11.1996 – Az. VI ZR 275/95, NJW 1997, 455).

Soweit der Verletzte von seinem Dienstherrn wegen desselben Unfalls eine Ausgleichszahlung nach § 35 BeamtVG erhält, führt dies nicht zu einer Herabsetzung des Schmerzensgeldes (OLG Hamm, Urt. v. 16.03.1994 – Az. 13 U 204/93, NJW-RR 1994, 991 = VersR 1994, 1356).

Soweit der Schmerzensgeldanspruch im Grundsatz Verschulden des Schädigers voraussetzt, kann eine Ausnahme über § 829 BGB gelten, da Billigkeitsgesichtspunkte einen Schmerzensgeldanspruch auch ohne Verschulden begründen können, vorausgesetzt, es besteht auf Seiten des Schädigers eine Pflichtversicherung; in diesen Fällen muss aber eine schwere Verletzung mit Dauerschaden gegeben sein (BGH, Urt. v. 11.10.1994 – Az. VI ZR 303/93, NJW 1995, 452 = VersR 1995, 96 = DAR 1995, 69 = NZV 1995, 65).

Bei den vorstehenden Bemessungsgrundlagen bleibt es – die Anwendbarkeit deutschen Rechts vorausgesetzt – auch dann, wenn der Verletzte Angehöriger eines ausländischen Staates ist und nach dem Recht seines Heimatstaates ein deutlich höheres Schmerzensgeld erhalten würde (KG Berlin und Nichtannahmebeschluss des BGH, Beschl. v. 09.04.2002 – Az. VI ZR 280/01, VersR 2002, 1567).

Über den Autor:
Dr. Stephan Schröder, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Kiel, befasst sich im Schwerpunkt mit Verkehrsrecht. Er ist als Mitglied in der ARGE Verkehrsrecht im DAV sowie im Fachanwaltsausschuss der schleswig-holsteinischen Rechtsanwaltskammer aktiv.

Er ist Autor und Mitherausgeber der PraxisTool Schmerzensgeld sowie des Handbuchs Verkehrssachen - Mandate zügig und erfolgreich bearbeiten

Quelle: Dr. Stephan Schröder - Auszug aus dem Werk ?Verkehrssachen? vom 15.05.08