Verkehrsrecht -

Auswirkungen des „Quelle-Urteils“ auf den Autokauf

Für die Nutzung einer zunächst gelieferten mangelhaften Sache kann kein Wertersatz verlangt werden, wenn der Verbraucher eine Ersatzlieferung fordert.

Die in § 439 Abs. 4 BGB in Bezug genommenen Vorschriften über den Rücktritt gelten in Fällen des Verbrauchsgüterkaufs nur für die Rückgewähr der mangelhaften Sache selbst. Dagegen hat der Verkäufer keinen Anspruch gegen den Käufer auf Herausgabe der gezogenen Nutzung oder auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache.

Mit Urteil vom 26.11.2008 (VIII ZR 200/05) hat der BGH die in der Rechtsprechung viel diskutierte Frage geklärt, ob bei Ersatzlieferung Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache durch den Käufer zu zahlen ist.

Die Regelungen über den Wertersatz finden sich in den §§ 439 Abs. 4, 346-348 BGB. Um diese Frage zu klären, legte der Senat dem EuGH zunächst die Frage zur Entscheidung vor, ob die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB mit der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantie für Verbrauchsgüter im Einklang stehe. Durch Urteil vom 17.04.2008 entschied der EuGH wie folgt: „Artikel 3 der Richtlinie 1999/44/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Verkäufer, wenn er ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert hat, gestattet, vom Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch durch ein neues Verbrauchsgut zu verlangen.“ Auf dieser Grundlage hat der BGH nunmehr seine Entscheidung ausführlich begründet, die im Weiteren zu einer Änderung des § 474 Abs. 2 BGB geführt hat.

Dem Urteil des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Sommer 2002 bestellte die Käuferin B. für ihren privaten Gebrauch bei der Beklagten ein sogen. „Herd-Set“ zum Preis von 525 €. Die Ware wurde im August 2002 geliefert. Im Januar 2004 stellte die Käuferin fest, dass sich an der Innenseite des zu dem „Herd-Set“ gehörenden Backofens die Emailleschicht abgelöst hat. Da eine Reparatur des Gerätes nicht möglich war, tauschte die Beklagte den Backofen vereinbarungsgemäß noch im Januar 2004 aus. Das Ursprünglich gelieferte Gerät gab die Käuferin an die Beklagte zurück. Für dessen Nutzung verlangte die Beklagte eine Vergütung, die die Käuferin an die Beklagte zahlte. Gestützt auf eine entsprechende Ermächtigung durch die Käuferin verlangte der Kläger, ein Verbraucherverband die Rückzahlung der Vergütung in Höhe von ca. 68 €.

In seinen Entscheidungsgründen führt der BGH aus, dass die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB i.V.m. §§ 346-348 BGB nicht im Einklang mit Art. 3 Abs. 2 der Richtlinien 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 25.05.1999 stehe. Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie habe der Verbraucher bei Vertragswidrigkeit des Verbrauchsgutes entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung. Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie bestimme, dass der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsguts oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen könne, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig sei. In Artikel 3 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie heiße es, dass die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung innerhalb angemessener Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen müsse. Nach Artikel 3 Abs. 4 der Richtlinie umfasse der Begriff „unentgeltlich“ in den Absätzen 2 und 3 die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten, insbesondere Versand-, Arbeits- und Materialkosten.

Somit könne kein Wertersatz für die Nutzung der zunächst gelieferten Kaufsache verlangt werden, wenn der Verbraucher eine Ersatzlieferung der mangelhaften Ware verlangt.

Der Gesetzgeber hat auf die Entscheidung des BGH vom 26.11.2008 sofort reagiert und § 474 Abs. 2 wie folgt neu gefasst: „Auf die in diesem Untertitel geregelten Kaufverträge ist § 439 Abs. 4 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind. Die §§ 445 und 447 sind nicht anzuwenden.“

Die Gesetzesänderung ist am 10.12.2008 im Bundesgesetzblatt 2008 I, 2399, veröffentlicht worden.

Die Entscheidung des BGH hat konkrete Auswirkungen auch für den Pkw- Kauf.

Nach der Entscheidung des BGH ist im Fall der Ersatzlieferung eine Nutzungsentschädigung nicht zu zahlen. Unter Ersatzlieferung versteht man die unentgeltliche Lieferung einer anderen Sache, die der verkauften Sache entspricht, aber mangelfrei ist; also eines typengleichen Fahrzeugs mit identischer Ausstattung.

Im Fall der Rückgewähr, also des Rücktritts vom Kaufvertrag bleibt es allerdings bei der bisherigen Regelung, dass Nutzungsentschädigung zu zahlen ist. Diese Regelung ist auch mit der im Urteil angesprochenen Verbrauchsgüterrichtlinie vereinbar, da für den Fall der Vertragsauflösung entsprechend dem Erwägungsgrund 15 der Richtlinie Nutzungsersatz zu zahlen ist.

Der beratende Rechtsanwalt muss daher den Käufer im Bereich des Autokaufs zum einen darauf hinzuweisen, dass ihm im Falle eines mit einem Mangel behafteten Fahrzeugs auch das (Wahl-)Recht auf Lieferung eines typengleichen Fahrzeugs mit identischer Ausstattung zusteht. In diesem Fall ist Wertersatz, also eine Nutzungsentschädigung nicht zu zahlen, was bei hoher Laufleistung des Fahrzeuges für den Käufer durchaus von Bedeutung sein kann.

Andererseits ist jedoch auf die Vorschrift des § 439 Abs. 3 BGB hinzuweisen, wonach eine Ersatzlieferung vom Verkäufer bei unverhältnismäßig hohen Kosten abgelehnt werden kann. Nach der Entscheidung des LG Ellwangen (Urt. v. 13.12.2002 – 3 O 219/02, NJW 2003, 517) ist eine Ersatzlieferung ausgeschlossen, wenn der Kostenaufwand hierfür 30 % über dem Kostenaufwand einer Nachbesserung liegt. Kommt somit nur ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht, ist entsprechend der bisherigen Rechtsprechung Nutzungsentschädigung durch den Käufer zu zahlen.

Quelle: Rechtsanwalt Dr. Stephan Schröder, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Kiel - Urteilsbesprechung vom 02.04.09