Verkehrsrecht -

Die Verkehrssituation auf einem Parkplatz wird vom ruhenden Verkehr bestimmt

Urteilsbesprechung: Kommt es zu einer Kollision zwischen einem Pkw, der in eine Parkbucht einfährt und einer gerade geöffneten Tür eines bereits geparkten Fahrzeugs, so ist eine Schadenverteilung von 50:50 vorzunehmen.

Darum geht es
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadenersatz wegen eines Parkplatzunfalls in Anspruch. Die Beklagte zu 1. stieß beim Einfahren gegen die Schmalseite der zum Teil geöffneten Fahrertür des Klägerfahrzeugs, das der Fahrer im Begriff war zu verlassen. Links neben dem Klägerfahrzeug waren zuvor zwei Parkplätze frei. Zwischen den Parteien war streitig, ob die Fahrertür plötzlich und unvermittelt während des Einfahrvorgangs geöffnet wurde.
Das Landgericht Frankfurt hat die vollständige Ersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach mit der Begründung festgestellt, dass denjenigen die volle Ersatzpflicht für den entstandenen Schaden treffe, der auf einem Parkplatz bei der Einfahrt in eine Parkbucht gegen eine geöffnete Fahrzeugtür stoße.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte teilweise Erfolg.

Wesentliche Entscheidungsgründe
Das OLG Frankfurt vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall eine Schadenverteilung von 50:50 sachgerecht ist.

Sorgfaltspflicht beim Aussteigen verletzt
Bei der nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Haftungsabwägung fällt dem Klägers ein Verstoß nach § 14 Abs. 1 StVO zur Last. Danach werde von einer aus einem Kraftfahrzeug aussteigenden Person gefordert, dass durch ihr Verhalten eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen wird. Es ergab sich, dass der Kläger sich vor dem Aussteigen durch Schulterblick vergewissert hatte, ob er ungefährdet aussteigen konnte. Als er die Fahrertür lediglich teilweise für drei bis vier Sekunden geöffnet hatte, war die Beklagte zu 1. beim Einparken gegen die Tür gefahren. Es war dem Senat zweifelhaft, dass der Schulterblick des Fahrers die geeignete Vorsichtsmaßnahme vor dem Aussteigen gewesen sei.

Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme nicht beachtet
Für die Bewertung des Haftungsanteils der Beklagten zu 1. sei § 1 StVO maßgeblich. Ob insoweit eine Sorgfaltspflichtverletzung festgestellt werden kann, richtet sich danach, inwieweit ihre Geschwindigkeit, insbesondere beim Einbiegen in die Parklücke der Situation angemessen gewesen ist und inwieweit sie in der Lage gewesen war zu erkennen, dass sich noch eine Person im Fahrzeug des Klägers befand, mit deren Aussteigen aus dem Fahrzeug jederzeit zu rechnen war.

Verkehrssituation auf einem Parkplatz
Der Senat führt darüber hinaus aus, dass die Verkehrssituation auf einem Parkplatz nicht vom Vorwärtskommen, sondern vom Parken und damit vom ruhenden Verkehr bestimmt sei. Es sei mit ständigen Ein- und Ausparkvorgängen sowie dem Be- und Entladen und Fußgängerverkehr mit Einkaufswagen jederzeit zu rechnen. Diese Situation erfordere besondere Umsicht durch eine vollständige Konzentration auf die gesamte Umgebung. Dies gelte nicht nur für ankommende und einparkende Fahrzeuge sowie den Fahrer und Mitfahrer, sondern auch für ein- und aussteigende, be- und entladende Personen.

Haftungsverteilung
Ungeachtet besonderer Umstände des Einzelfalls muss daher an die Sorgfalt der Fahrers eines Fahrzeugs, der einparken will, auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz gleich hohe Anforderungen gestellt werden wie an diejenige des aussteigenden Fahrers. Bei einer Kollision erscheint in der Regel eine hälftige Schadenaufteilung angemessen.

Betriebsgefahr
Besondere Umstände können vorliegend allenfalls darin gesehen werden, dass der Fahrer des stehenden Fahrzeugs des Klägers durch die Beklagte zu 1. erkennbar gewesen und die Betriebsgefahr des in Bewegung befindlichen Fahrzeugs höher zu veranschlagen sei. Andererseits war, vorliegend aufgrund der unstreitig freistehenden weiteren zwei Parkplätze neben dem stehenden Klägerfahrzeug für den aussteigenden Fahrer eine gute Einsehbarkeit in den Bereich gegeben, von dem aus die Beklagte zu 1. auf den (einen) freien Parkplatz eingefahren ist, so dass ihr Fahrzeug rechtzeitig bemerkt werden konnte. Daraus kann nur der Schluss etwa gleicher Unaufmerksamkeit gezogen werden, nachdem beide Fahrzeugführer angegeben haben, die jeweils andere Partei nicht wahrgenommen zu haben.

Anmerkung des Autors
Mit dem Urteil des OLG Frankfurt liegt erstmalig eine Entscheidung zu der Frage vor, inwiefern eine Haftungsverteilung zwischen einem in eine Parkbucht einfahrenden Pkw bei Kollision mit einer geöffneten Fahrertür vorzunehmen ist.
Soweit ersichtlich gibt es zur Frage der Haftungsverteilung bei einer Kollision mit einer (teilweise) geöffneten Fahrzeugtür im Zusammenhang mit dem Einparken auf einem Kundenparkplatz keine obergerichtliche Rechtsprechung. Zwar hat das AG Neubrandenburg (zfs 2003, 131) entschieden, dass es bei einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen beim Öffnen der Fahrertür eines Pkws der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass der die Tür Öffnende den Unfall dadurch allein verursacht und verschuldet habe, dass er sich beim Türöffnen nicht so verhalten habe, dass jede Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen wäre. Diese Entscheidung betrifft jedoch den fließenden Verkehr neben einer Parklücke am Fahrbahnrand.
Grundsätzlich ist bei Parkplätzen vom Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme auszugehen, § 1 StVO. Richtig ist somit der Ansatzpunkt des Gerichts, wonach die Verkehrssituation auf einem Parkplatz regelmäßig nicht vom Vorwärtskommen, sondern vom Parken und damit vom ruhenden Verkehr bestimmt ist. Wie das OLG Frankfurt daher zutreffend in seinen Entscheidungsgründen herausgearbeitet hat, ist bei Parkplatzunfällen in der Regel von einem Verstoß beider Verkehrsteilnehmer gegen Rücksichtnahmepflichten auszugehen. Die vom OLG Frankfurt vorgenommene Quote von 50:50 entspricht daher dem, was bei Parkplatzunfällen in der Regel ausgeurteilt wird. So wie etwa im Fall des OLG Koblenz (Deubner-Link 1999/11187 = VersR 2000, 199), wo es zu einer Kollision auf einem Parkplatz gekommen war. Angeordnet war eine Geschwindigkeit von 10 km/h angeordnet. Es kam zu einer Kollision zwischen einem Pkw, der mit 35-40 km/h von einer Parkfläche herausfuhr und einem mit 20-25 km/h auf einem Fahrstreifen herankommenden Kfz.

Quelle: Rechtsanwalt Dr. Stephan Schröder, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Kiel - Urteilsbesprechung, Verkehrsrecht vom 30.11.09