Verkehrsrecht -

Fälligkeit von Reparaturkosten

Der Anspruch auf Ersatz der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden Reparaturkosten bis zur 130-%-Grenze ist im Regelfall nicht erst sechs Monate nach dem Unfall fällig, § 249 BGB.

Mit seinem Beschluss vom 18.11.2008 hat der BGH eine in der Rechtsprechung und Literatur häufige Streitfrage entschieden. Für den Fall, dass der Geschädigte den Fahrzeugschaden, der über dem Wiederbeschaffungswert, aber innerhalb der 130-%-Grenze liegt, vollständig und fachgerecht repariert, wird der Anspruch auf Ersatz der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden Reparaturkosten im Regelfall nicht erst sechs Monate nach dem Unfall fällig.

Bei einem Verkehrsunfall wurde das Kfz des Klägers beschädigt. Der Kläger ließ ein Schadengutachten erstellen, in dem die Reparaturkosten auf 7.200€, der Wiederbeschaffungswert auf 5.700€ und der Restwert auf. 1.800€ beziffert wurden. Der Kläger ließ das Fahrzeug vollständig und fachgerecht nach Maßgabe dieses Gutachtens reparieren. Er reichte bei der Beklagten, dem Haftpflichtversicherer des eintrittspflichtigen Unfallgegners, zur Regulierung die Reparaturkostenrechnung in Höhe von 7.200€ ein. Die Beklagte zahlte jedoch zunächst lediglich den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) und gab zur Begründung an, eine Erstattung innerhalb der 130-%-Grenze erfolge erst, wenn der Nachweis einer Weiternutzung des Fahrzeugs für mindestens sechs Monate geführt werde. Nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist zahlte die Beklagte den Restbetrag. Der zwischenzeitlich anhängige Rechtsstreit wurde von den Parteien übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt. Das angerufene Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass für den Fall, dass der Geschädigte den Fahrzeugschaden, der über dem Wiederbeschaffungswert, aber innerhalb der 130-%-Grenze liege, vollständig und fachgerecht repariert, der Anspruch auf Ersatz der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden Reparaturkosten im Regelfall nicht erst sechs Monate nach dem Unfall fällig wird.

Der Gegenteiligen Auffassung (vgl. den Überblick bei Kallweit, VersR 2008, 895) könne nicht gefolgt werden. Der Begriff der Fälligkeit bezeichne den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen könne. Sei eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, könne der Gläubiger die Leistung sofort verlangen (§ 271 Abs. 1 BGB). Könne der Geschädigte wegen Beschädigung einer Sache Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB) verlangen, so trete die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung ein. Dass der Umfang der Ersatzpflicht des Schädigers in der Praxis regelmäßig erst nach einiger Zeit festgestellt werden könne, weil etwa Gutachten zum Umfang des Schadens eingeholt oder die Rechnungstellung durch eine Reparaturwerkstatt abgewartet werden müsse, ändere daran nichts. Sobald der Geschädigte über die zur Geltendmachung seiner Forderung erforderlichen Informationen verfüge, könne er prinzipiell den Verzug (§ 286 BGB) des Schädigers bzw. seines Haftpflichtversicherers mit der fälligen Forderung herbeiführen und ggf. die Verzugsfolgen (§§ 287, 288 BGB) geltend machen.

Die vom Senat geforderte Sechs-Monats-Frist stelle im übrigen keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung dar. Sie habe lediglich beweismäßige Bedeutung. Werde das beschädigte Fahrzeug sechs Monate nach dem Unfall weiterbenutzt, so sei dies im Regelfall ein ausreichendes Indiz, um das Integritätsinteresse des Geschädigten zu bejahen. Eine weiter gehende Bedeutung hinsichtlich der Fälligkeit des Anspruchs komme der Frist nicht zu (vgl. auch LG Hamburg, DAR 2007, 707).

Die Sechs-Monats-Frist als eigenständige Anspruchsvoraussetzung zu verstehen, verbiete sich schon deshalb, weil nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund eine Erweiterung der sich aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit den §§ 249, 271, 3 PflVersG a. F. ergebenden Anspruchsvoraussetzungen durch die Rechtsprechung angezeigt sein könnten. Dies würde auch zu einer für die Mehrzahl der Geschädigten unzumutbaren Regulierungspraxis führen. Diese müßten, obwohl sie ihr Fahrzeug ordnungsgemäß reparieren ließen oder lassen wollen, bis zu sechs Monate auf die Zahlung eines Großteils der ihnen zustehenden Ersatzforderungen warten. Würde die Fälligkeit der Restforderung bis zum Ablauf der Sechs-Monats-Frist verschoben, wäre es dem Geschädigten, auch wenn sich sein Begehren als gerechtfertigt erweise, nicht möglich, den Schädiger bzw. seinen Haftpflichtversicherer vor Ablauf der Frist in Verzug zu setzen, um so zumindest eine Verzinsung der Forderung zu erreichen.

Fazit
Mit dem Beschluss des BGH ist eine in der Regulierungspraxis häufig vorkommende Streitfrage nunmehr endgültig geklärt. Haftpflichtversicherer hatten immer wieder eingewandt, die vollständigen Reparaturkosten seien erst nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist zu zahlen und haben sich auf landgerichtliche Entscheidungen berufen. Verlangt wurde zudem, dass nicht nur die Zulassungsbescheinigung für das verunfallte Fahrzeug vorgelegt wird, sondern auch ein Foto, auf dem eine aktuelle Tageszeitung zu erkennen ist. Der BGH hat mit seinem Beschluss nunmehr eindeutig Position bezogen, so dass unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH in Zukunft die Reparaturkosten sofort nach Rechnungslegung von dem Haftpflichtversicherer zu begleichen sind.

Quelle: Rechtsanwalt Dr. Stephan Schröder, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Kiel - Entscheidungsbesprechung vom 17.03.09