Verkehrsrecht -

Kosten einer Abschleppmaßnahme bei mobilen Halteverbotszeichen

Entscheidungsbesprechung mit Praxishinweis: Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 23.03.2009 entschieden, dass ein ursprünglich erlaubt abgestelltes Fahrzeug grundsätzlich ab dem vierten Tag nach dem Aufstellen eines mobilen Halteverbotsschildes kostenpflichtig abgeschleppt werden kann.

Besteht die Notwendigkeit, auf unvorhersehbare Ereignisse zu reagieren, oder war eine baldige Änderung der Verkehrsregelung für jedermann erkennbar, so kommt eine kürzere Vorlauffrist in Betracht. Die regelmäßige Vorlaufzeit verlängert sich weder um einen Sonn- oder Feiertag noch in Abhängigkeit von Schulferienzeiten.

Die Entscheidung: Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 23.03.2009 — 3 B 891/06, DRsp Nr. 2009/10909

Darum geht es

Das Fahrzeug der Klägerin war seit dem 27.07.2001 ordnungsgemäß geparkt, als aufgrund einer straßenverkehrsbehördlichen Anordnung der Beklagten vom 10.07.2001 zur Durchführung von Gasleitungsarbeiten ein mobiles Halteverbotszeichen aufgestellt wurde. Gemäß der Anordnung sollte die Halteverbotszone in dem Zeitraum vom 12.07.2001 bis längstens 12.08.2001 eingerichtet werden. Die Anordnung erhielt die Bestimmung, dass Verkehrszeichen mindestens 72 Stunden vor Arbeitsbeginn aufgestellt werden müssten.

Tatsächlich war das Halteverbotszeichen am 03.08.2001 mit dem Zusatzschild „ab 06.08., 7.00 Uhr“ aufgestellt worden. Am Dienstag, dem 07.08.2001, wurde das Fahrzeug der Klägerin auf Veranlassung einer städtischen Vollzugsbediensteten abgeschleppt, wobei diese ca. eine 1/4 Stunde zuvor Erkundungen zum Fahrzeughalter eingeholt hatte, währenddessen es einer Nachbarin nicht gelungen war, die Klägerin telefonisch zu erreichen.

Die Beklagte forderte im Anschluss die Klägerin zur Zahlung der Kosten des Abschleppens einschließlich der Gebühren auf.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid zurückgewiesen wurde. Die Klägerin erhob daraufhin Klage vor dem Verwaltungsgericht Leipzig mit der Begründung, die Abschleppmaßnahme sei unverhältnismäßig gewesen, weil das Halteverbotsschild erst aufgestellt worden sei, nachdem sie ihr Fahrzeug geparkt hatte und eine Zeit von 48 Stunden zwischen dem Aufstellen und der Abschleppmaßnahme unter den heutigen örtlichen Verhältnissen in Leipzig sowie unter Berücksichtigung der Schulferienzeit Anfang August nicht ausreichend sei. Das Verwaltungsgericht Leipzig hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Zur Begründung führt das Sächsische Oberverwaltungsgericht aus, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht verletzt worden sei, da entgegen der Auffassung der Klägerin die Rechtsgrundlage des § 24 Abs. 3 SächsVwVG der Beklagten keinen Ermessensspielraum einräume, sondern eine gebundene Entscheidung vorschreibe, nach der die Behörde grundsätzlich eine Kostenerstattung verlangen müsse.

Es sei auch nicht zu erkennen, dass die Erhebung der Kosten im vorliegenden Fall unbillig wäre. Aus Billigkeitsgründen sei ein Abweichen von dem Kostentragungsgrundsatz nur in atypischen Fällen geboten. Ein solcher läge vor, wenn von einem Fahrzeug, das ohne Verstoß gegen straßen- und straßenverkehrsrechtliche Vorschriften geparkt worden sei, eine Störung ausgehe, zu deren Beseitigung der Halter oder Fahrer verpflichtet sei, die aber für ihn nicht vorhersehbar war und nicht in seine Risikosphäre falle.

Nach ständiger Rechtsprechung sei die Kostenerhebung namentlich dann unbillig, wenn ein Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellt habe und ohne angemessene Reaktionsfrist (Vorlaufzeit) nach Errichtung eines mobilen Halteverbots abgeschleppt werde (vgl. BayVGH, Urt. v. 14.07.2008 — 10 B 08/449 = DÖV 2008, 732).

Nach Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist eine Vorlauffrist erforderlich, weil der parkende Verkehrsteilnehmer einerseits nicht darauf vertrauen dürfe, dass ein zunächst rechtmäßiges Langzeitparken an einer bestimmten Stelle des öffentlichen Straßenraums unbegrenzt erlaubt bleibe, von ihm andererseits aber auch nicht erwartet werden könne, dass er einen Dauerparkplatz täglich und stundengenau auf eine Änderung der Verkehrsregelung kontrolliere.

Der Ansicht der Klägerin, dass sich die Vorlaufzeit in Abhängigkeit von Schulferienzeiten und bei Bemessung nach drei Tagen um einen Sonntag verlängern müsse, sei nicht zu folgen. Ein Anspruch oder ein schutzwürdiges Vertrauen auf einen Dauerparkplatz bestehe während der Schulferien ebenso wenig wie zu sonstigen Zeiten.

Dem öffentlichen Interesse der Ordnungs- bzw. Straßenbaubehörde, notwendige Bauarbeiten oder andere Maßnahmen ohne zu langen Vorlauf durchführen lassen zu können, würde nicht mehr angemessen Rechnung getragen, wenn mehrfach im Jahr jeweils vor Ferienbeginn eine Änderung der Verkehrsregelung ggf. mehrere Wochen vor ihrem Inkrafttreten anzukündigen wäre. Im Interesse der Praktikabilität verbiete sich auch eine Differenzierung nach örtlichen Parkgewohnheiten an Werktagen bzw. an Wochenenden oder Sonn- und Feiertagen. Nach alledem sei es nicht zu beanstanden, wenn ab dem vierten Tag nach dem Aufstellen das dann verbotswidrig geparkte Fahrzeug kostenpflichtig abgeschleppt wird.

Praxishinweis

Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist für alle Verkehrsteilnehmer wichtig. Gerade in der Ferienzeit kommt es oftmals vor, dass Fahrzeuge während des Urlaubs in der Nähe des Flughafens in Seitenstraßen geparkt werden und diese in der Zwischenzeit  abgeschleppt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 entschieden, dass ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht anzunehmen sei, wenn ein zunächst erlaubtermaßen geparktes Fahrzeug am vierten Tag nach Aufstellung eines Halteverbotszeichens auf Kosten des Halters abgeschleppt werde (BVerwG, Urt. v. 11.12.1996 — 11 C 15/95, DRsp Nr. 1997/5972 = BVerwGE 102, 316).

Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts war allerdings nicht zu entnehmen, wie die Vorlaufzeit zu berechnen ist, da in dieser Entscheidung die vier Tage nicht als Mindestzeitraum, sondern lediglich als angemessener Zeitraum angesehen wurden.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, Urt. v. 14.07.2008 — 10 B 08/449 = DÖV 2008, 732) und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW, Urt. v. 13.02.2007 — 1 S 822/05, DRsp Nr. 2008/7744 = NJW 2007, 2058) haben wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die regelmäßige Mindestvorlauffrist ohne Differenzierung zwischen Werk-, Sonn- und Feiertagen drei volle Tage betrage, so dass erst ab dem vierten Tag nach Aufstellen des Halteverbotszeichens auf Kosten des Halters abgeschleppt werden könne.

Neu an der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist der Hinweis darauf, dass diese Rechtsauffassung auch für die Zeit der Schulferien gilt, weil es kein schutzwürdiges Vertrauen auf einen Dauerparkplatz gebe.

Quelle: Dr. Stephan Schröder, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Kiel - Entscheidungsbesprechung vom 27.07.09