Verkehrsrecht -

Mietwagenkosten – pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif

Es ist zulässig, die Angemessenheit eines sog. Unfallersatztarifs durch einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif (hier: 15%) zu ermitteln.

Im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens ist es zulässig, den erforderlichen Tarif für die Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs dadurch zu ermitteln, dass ein Aufschlag von 15 % auf den „Schwacke-Mietpreisspiegel“ erhoben wird.
Der Geschädigte verstößt nicht allein deshalb gegen die Schadenminderungspflicht, weil er ein Fahrzeug zu einem gegenüber dem Normaltarif teureren Unfallersatztarif anmietet.

Darum geht es:

Zwischen den Parteien eines Verkehrsunfalls vom 19.10.2004 stehen die Erstattung restlicher Mietwagenkosten sowie außergerichtlicher Kosten im Streit. Der Kläger hatte sich ein Ersatzfahrzeug angeschafft, nachdem das verunfallte Fahrzeug in beschädigtem Zustand veräußert wurde. Die Reparaturdauer wurde vom Sachverständigen auf fünf Arbeitstage geschätzt. In der Zeit vom 19.10. bis 28.10.2004 mietete der Kläger ein Ersatzfahrzeug an. Von den hierfür in Rechnung gestellten 1.082,04 € zahlte die Beklagte außergerichtlich einen Betrag in Höhe von 255 €.

In der 1. Instanz wurde die Beklagte zur Zahlung weiterer 66,30 € nebst Zinsen sowie anteiliger außergerichtlicher Kosten verurteilt. In der Berufung wurde die Beklagte zur Zahlung von 390 € nebst Zinsen sowie anteiliger außergerichtlicher Kosten verurteilt. Die hiergegen eingelegten Revisionen bleiben erfolglos.

Entscheidungsgründe:

Grundsätzlich kann der Geschädigte im Rahmen des erforderlichen Herstellungsaufwands nach § 249 BGB von dem Schädiger die Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Hieraus folgert der BGH bereits seit langem, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigsten wählen darf, bzw. nur diesen ersetzt verlangen kann.

Allerdings kann allein aus dem Umstand, dass der Geschädigte ein Fahrzeug zu einem teueren „Unfallersatztarif“ anmietet nicht der Schluss gezogen werden, dass der Geschädigte gegen die ihm obliegende Schadenminderungspflicht verstößt. Der BGH geht nach wie vor davon aus, dass auch ein solcher „Unfallersatztarif“ erforderlich im Sinne des Gesetzes sein kann, wenn „die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst sind“ (BGH, Urt. v. 14.02.2006 – VI ZR 126/05, NJW 2006, 1506; Urt. v. 26.06.2007 – VI ZR 163/06, NJW 2007, 2916).

In Fortsetzung seiner Entscheidungen vom 12.06. und 26.06.2007 (BGH, Urt. v. 12.06.2007 – VI ZR 161/06, NJW 2007, 2758; Urt. v. 26.06.2007 – VI ZR 163/06, NJW 2007, 2916) führt der BGH weiter aus, dass der Tatrichter für die Bemessung des Schadens im Rahmen des § 287 ZPO die betriebswirtschaftliche Kalkulation des Mietwagenunternehmens nicht in jedem Fall nachvollziehen können muss. Die Prüfung des Gerichts könne sich darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung eines Unfallersatzfahrzeugs allgemein einen Aufschlag auf den „Normaltarif“ rechtfertigen. Dies soll selbst dann gelten, wenn im Rahmen der Auseinandersetzung die Kalkulationsgrundlagen und weitere betriebswirtschaftliche Unterlagen vorgelegt werden.

Zur Ermittlung des „Normaltarifs“ sei es zulässig, auf den „Schwacke-Mietpreisspiegel“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – zurückzugreifen (so auch BGH, Urt. v. 12.06.2007 – VI ZR 161/06, NJW 2007, 2758; Urt. v. 26.06.2007 – VI ZR 163/06, NJW 2007, 2916).

Der Einwand, der „Schwacke-Mietpreisspiegel“ stelle nicht auf die in der jeweiligen Region tatsächlich gezahlten Mietpreise ab, da das Tabellenwerk auf der Basis von schriftlichen Angebotspreisen der Autovermieter erstellt werde, wird vom BGH zurückgewiesen. Einwendungen gegen die Grundlage der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Vorliegend fehle es an einem Tatsachenvortrag dazu, dass sich Mängel der betreffenden Schätzgrundlage auf den entscheidenden Fall auswirken.

Weiter hat der BGH nochmals bekräftigt, dass nach wie vor der Schädiger darlegen und beweisen müsse, dass der Geschädigte gegen die ihm obliegende Schadenminderungspflicht verstoßen habe, weil ihm ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen ohne Weiteres zugänglich gewesen ist.


Anmerkung:

Zwar hat der BGH in der jüngeren Vergangenheit bereits entschieden, dass eine Bemessung des erforderlichen und damit angemessenen Tarifs für ein Unfallersatzfahrzeug auf der Basis des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ erfolgen könne und im Einzelfall pauschale Zu- oder Abschläge möglich seien. Jedoch hat er bislang offen gelassen, in welcher Höhe ein Zu- oder Abschlag auf den so ermittelten „Normaltarif“ erhoben werden könne. In dem vorliegenden Fall ist ein Aufschlag auf den „Normaltarif“ in Höhe von 15 % durch den BGH unbeanstandet geblieben.

Die Umsetzung der Rechtsprechung des BGH bei den Instanzgerichten bleibt abzuwarten. Da es sich um eine Entscheidung des jeweiligen Tatrichters im Rahmen des § 287 ZPO handelt, ist zu erwarten, dass sich eine umfangreiche Einzelfallrechtsprechung zu diesem Themenkreis entwickeln wird.

Beispiele Einzelfallrechtsprechung:

  • OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.03.2008 – 1 U 17/08, NZV 2008, 456
    geht davon aus, dass es eines Zu- oder Abschlags bezogen auf den „Schwacke-Mietpreisspiegel“ für 2006 nicht bedarf.

  • LG Chemnitz, Urt. v. 05.01.2007 – 6 S 605/05, NZV 2008, 96 und
    LG Dortmund, Urt. v. 14.06.2007 4 S 129/06, NZV 2008, 93
    Danach kann der „Schwacke-Mietpreisspiegel“ 2006 nicht als eine geeignete Schätzgrundlage angesehen werden.

  • OLG Köln, Urt. v. 02.03.2007 – 19 U 181/06 und
    LG Bonn, Urt. v. 10.03.2008 – 10 O 14/07
    plädieren für einen 20%igen Aufschlag.

  • OLG München, Urt. v. 28.02.2007 – 10 U 4340/06
    spricht sich für einen 30%igen Aufschlag aus.

Zu beachten wird sein, dass immer der „Schwacke-Mietpreisspiegel“ des Jahres zugrunde gelegt wird, in dem die Anmietung des Fahrzeugs erfolgt ist.

Quelle: Rechtsanwalt Hans-Helmut Schaefer - Urteilsanmerkung vom 15.10.08