Verkehrsrecht -

Mitverschuldensquote bei einem Unfall auf Parkplatzgelände, welches von öffentlicher Straße gequert wird

Kommt es zu einer Kollision kreuzenden Verkehrs auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz, gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, so dass eine Haftungsverteilung im Verhältnis 50:50 vorzunehmen ist. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass sich eines der Fahrzeuge auf einer das Parkplatzgelände querenden öffentlichen Straße befand, welche allerdings nicht als vorfahrtsberechtigte Straße erkennbar ist.

Das Amtsgericht Sulingen hat in seinem Urteil - wie bei Parkplatzunfällen üblich - eine Schadenverteilung von 50:50 vorgenommen mit dem Hinweis darauf, dass die Klägerin nicht darauf vertrauen durfte, dass sie sich auf einer Vorfahrtsstraße befand.

Sachverhalt:
Die Klägerin befuhr mit ihrem Pkw eine öffentliche, innerorts gelegene Straße, welche im maßgeblichen Bereich das Gelände des örtlichen Krankenhauses passiert. Aus Fahrtrichtung der Klägerin gesehen befindet sich rechts eine kleine Parkfläche für die Bediensteten des Krankenhauses. Diese ist durch im Unfallbereich abgestellte Müllcontainer für den aus Richtung der Klägerin kommenden Verkehr erst im letzten Moment einsehbar. Sodann führt der Weg an den Ausfahrten der Rettungsfahrzeuge vorbei, bevor er dann den Besucherparkplatz des Krankenhauses quert. Der von der Klägerin befahrene Weg ist durchgehend grau gepflastert, wie auch das restliche Krankenhausgelände. Der Beklagte hatte seinen Pkw zunächst auf der Parkfläche für Bedienstete des Krankenhauses geparkt und beabsichtigte, nach links über den auch von der Klägerin genutzten Weg den Krankenhausbereich zu verlassen. Hierbei kam es zum Zusammenstoß zwischen den Fahrzeugen.

Mit der Klage macht die Klägerin restliche 50 % Schadenersatz geltend. Die Klage ist abgewiesen worden.

Entscheidungsgründe:

Zur Begründung führt das Gericht aus, dass Verkehrsteilnehmer, die den von der Klägerin befahrenen Weg nutzen, nicht vorfahrtsberechtigt gegenüber Fahrzeugen sind, welche vom Gelände des Krankenhauses kommen. Zu berücksichtigen sei zwar, dass der von der Klägerin genutzte Weg auf seiner gesamten Länge dem öffentlichen Verkehr als Durchgangsweg diene. Aufgrund der Örtlichkeiten der Unfallstelle könne ein Nutzer des Weges allerdings nicht davon ausgehen, vorfahrtsberechtigt zu sein. Aufgrund der vorhandenen Pflasterung sei der von der Klägerin befahrene Weg nicht als bevorrechtigte Durchgangsstraße zu erkennen gewesen, sondern stelle sich für Verkehrsteilnehmer vor Ort als Teil des Krankenhaus-/Parkplatzgeländes dar. Insofern sei auch nicht die Regelung „rechts vor links“ nach § 8 Abs. 1 S. 1 StVO anzuwenden, sondern vielmehr das sich aus § 1 Abs. 1 StVO ergebene Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Unter diesem Gesichtspunkt seien beide Fahrzeugführer gehalten gewesen, sich der Unfallstelle mit äußerster Vorsicht zu nähern, zumal die Sicht durch die abgestellten Müllcontainer eingeschränkt war.

Das Urteil des Amtsgerichts Sulingen entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung. Der BGH hat in einem Urteil vom 20.11.2007 (BGH, NJW 2008, 1305) ausgeführt, dass ein Vorfahrtsberechtigter, der davon ausgehen muss, dass sein Vorfahrtsrecht von anderen Verkehrsteilnehmern aufgrund der örtlichen Gegebenheiten möglicherweise nicht erkannt wird, zu besonderer Vorsicht und Rücksichtnahme verpflichtet ist. Er müsse damit rechnen, dass sein Vorfahrtsrecht missachtet wird und muss seine Fahrweise entsprechend hierauf einstellen.

Von Bedeutung sind auch die Ausführungen des Amtsgerichts Sulingen, das die Klägerin aufgrund der Tatsache, dass der von ihr benutzte Weg nicht als Durchfahrtsweg erkennbar war, nicht darauf vertrauen durfte, vorfahrtsberechtigt zu sein. Insofern ist auch auf § 11 Abs. 3 StVO zu verweisen, wo ausgeführt wird: „Auch wer sonst nach den Verkehrsregeln weiterfahren darf oder anderweitig Vorrang hat, muss darauf verzichten, wenn die Verkehrslage es erfordert; auf einen Verzicht darf der andere nur vertrauen, wenn er sich mit dem Verzichtenden verständigt hat.“

Die Klägerin hätte aufgrund der Pflasterung des von ihr benutzten Weges nicht darauf vertrauen dürfen, dass sie vorfahrtsberechtigt war und sich dementsprechend besonders vorsichtig verhalten müssen.

Quelle: Dr. Stephan Schröder - Beitrag vom 15.06.09