Verkehrsrecht -

Nutzungsausfallentschädigung trotz Ersatzfahrzeugs

Kann für die Beschädigung eines Motorrads einer Luxusmarke eine Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht werden, obwohl ein (Ersatz-)PKW zur Nutzung zur Verfügung stand?

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf ist dies durchaus möglich.

Dem Rechstreit lag ein Verkehrsunfall zugrunde, bei dem das Motorrad des Klägers, eine Harley Davidson Electra-Glide FLHTI, beschädigt worden ist. Die Haftung war zwischen den Parteien unstreitig. Das Motorrad befand sich für einen Zeitraum von 78 Tagen in einer Reparaturwerkstatt, weil nach der Behauptung des Klägers ein Ersatzteil vorher nicht zu beschaffen war. Für diesen Zeitraum machte der Kläger einen Nutzungsausfall in Höhe eines Tagessatzes von 66 €, insgesamt 5.148 € geltend. Dem Kläger stand für den Reparaturzeitraum ein weiteres Fahrzeug (PKW) zur Verfügung. Seine Ehefrau verfügt ebenfalls über einen privaten PKW und ein weiteres Motorrad.


Der Kläger nutzte das ganzjährig angemeldete Motorrad nicht nur für reine Freizeitfahrten, sondern – abhängig von der Witterungslage – auch als alltägliches Transportmittel für Fahrten zum Arbeitsplatz.


Das Landgericht hat die Klage bezogen auf den Nutzungsausfall abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts lag keine fühlbare vermögenserhebliche Entbehrung vor, weil der Kläger auf seinen PKW zurückgreifen konnte. Sinn und Zweck des Nutzungsausfallschadenersatzanspruchs sei es, den Geschädigten für die Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit zu entschädigen. Eine solche Einschränkung habe hier aber wegen des dem Kläger zur Verfügung stehenden PKW nicht vorgelegen. Dem Kläger sei allenfalls der "Fahrspaß" mit dem Motorrad entgangen, was aber keine fühlbare vermögensrechtliche Entbehrung darstelle.


Das OLG hat sich dieser Ansicht nicht angeschlossen. Das Berufungsgericht nahm lediglich unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht eine Kürzung des Nutzungsausfalls vor.


Nach ständiger Rechtsprechung kann der Geschädigte im Falle der Beschädigung eines privat genutzten Kraftfahrzeugs beim Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eine entsprechende Nutzungsausfallentschädigung verlangen. Dies gilt auch dann, wenn er keine besonderen Aufwendungen zur Überbrückung der ausgefallenen Nutzungsmöglichkeiten wie insbesondere Mietwagenkosten getätigt hat. Eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung ist zwar mangels einer fühlbaren vermögenserheblichen Entbehrung zu versagen, wenn der Geschädigte ein ihm zur Verfügung stehendes zweites Fahrzeug zur Verfügung hat, dessen Nutzung ihm zumutbar ist. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Zweitfahrzeug den spezifischen Gebrauchsvorteil der beschädigten Sache ersetzt. Nur dann ist dem Geschädigten kein spürbarer Vermögensnachteil durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit der beschädigten Sache entstanden.


Auch bei der Beschädigung eines Motorrads der Marke Harley Davidson kommt eine Nutzungsausfallentschädigung dem Grunde nach in Betracht. Dabei wird – wie bei Autos auch keine Unterscheidung nach Marke und Typ des Fahrzeugs gemacht.


Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit sei nach Ansicht des OLG auch „fühlbar“ gewesen, da es sich nicht um ein reines „Spaßfahrzeug“ gehandelt habe und der Kläger diese beispielsweise auch für die Fahrten zu seiner Arbeit genutzt hat. Es komme nicht darauf an, dass der Kläger das Motorrad nicht täglich genutzt hat, da dies auch bei einem PKW keine Voraussetzung für die Nutzungsausfallentschädigung sei.


Insbesondere könne der Kläger nicht auf die Nutzung seines Zweitfahrzeugs, eines nicht näher beschriebenen PKW, verwiesen werden. Ein Ersatzfahrzeug gleicht den durch die entgangene Gebrauchsmöglichkeit des beschädigten Fahrzeugs entstandenen vermögenswerten Nachteil nur dann aus, wenn dem Zweitfahrzeug ein zumindest ähnlicher Nutzungswert zukommt. Hierbei kommt es nicht nur auf den Gesichtspunkt der Mobilität an.


Auch bei der Bemessung des Nutzungsausfalls eines Pkw sind Umstände relevant,die mit der grundlegenden Funktion der bloßen Verschaffung von Mobilität nichts zu tun haben. Vielmehr richtet sich der Wert eines Kraftfahrzeugs als Vermögensgegenstand nach Merkmalen wie Marke, Typ, Ausstattungsmerkmale, Alter, Erhaltungszustand etc. Dementsprechend wird in ständiger Rechtssprechung auch bei der Bemessung der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung nach den verschiedenen Fahrzeugmarken und –typen unterschieden. Ein Fahrzeug der Oberklasse bietet nach ständiger Rechtspraxis einen höher bewerteten Gebrauchsvorteil, als ein Fahrzeug der Mittelklasse, obwohl die grundlegende Funktion der Mobilitätsgewährung in beiden Fällen gleichermaßen erfüllt wird.


Der Gebrauchsvorteil der Harley Davidson des Klägers wird durch die Nutzung eines PKW nicht ersetzt. Die jeweiligen Nutzungswerte entsprechen sich nicht. Die beschädigte Harley Davidson Electra-Glide ist ein Motorrad der Luxusklasse. Die Benutzung dieses besonderen Fahrzeugs befriedigt einerseits das Interesse des Klägers an Mobilität, bietet aber andererseits durch das im Vergleich zu einem PKW völlig anders geartete Fahrgefühl und die andersartige Art der Fortbewegung auch den spezifischen Gebrauchsvorteil, ein besonders hochwertiges, luxuriöses Motorrad zu fahren. Gerade diese besondere Art des Gebrauchs hat sich der Kläger erkauft. Dieser spezifische Gebrauchsvorteil ist als Äquivalent seiner vermögenswerten Aufwendungen für den Erhalt dieses Fahrzeugs unfallbedingt entfallen. Demgegenüber konnte er durch die Nutzung seines PKW nur einen Teil der Gebrauchsvorteile des Motorrads ausgleichen, nämlich nur die reine Funktion seines Fahrzeugs als Transportmittel. Der darüber hinausgehende Nutzungswert des beschädigten Motorrads ist daher "fühlbar" entgangen, so dass ein Ausschluss seines Nutzungsausfallentschädigungsanspruchs nicht gerechtfertigt ist.

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Quelle: Rechtsanwalt Hans-Helmut Schaefer - Beitrag vom 09.09.08