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Sozialrecht, Verkehrsrecht -

Schadenersatzanspruch wegen Arbeitslosigkeit nach Unfall?

Das Schleswig-Holsteinische OLG hat einen Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit abgelehnt. Zwar bejahte das Gericht die Haftung des Beklagten nach einem Unfall bei einer Nordic Walking Tour. Einem auf die Bundesagentur übergegangenen Ersatzanspruch wegen der durch eine Kündigung infolge einer Arbeitsunfähigkeit entstandenen Arbeitslosigkeit erteilte das Gericht aber eine Absage.

Darum geht es

Klägerin ist die Bundesagentur für Arbeit. Sie macht als Trägerin der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung einen auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch ihrer Versicherten M. geltend. M. betrieb im Dezember 2013 Nordic Walking. Der Beklagte ging neben ihr.

Der Beklagte trat gegen einen seiner Walkingstöcke, der dadurch zwischen die Beine der M. geriet. Diese stürzte und verletzte sich an der Hand. Sie war zunächst arbeitsunfähig krankgeschrieben. Im Jahr 2015 kündigte ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.

Zu diesem Zeitpunkt war sie noch immer arbeitsunfähig. Die Klägerin verlangt nun von dem Beklagten Ersatz für das Arbeitslosengeld, das sie an M. gezahlt hat. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten vor dem Schleswig-Holsteinischen OLG hatte teilweise Erfolg.

Das OLG hat zwar ebenfalls entschieden, dass sich der Beklagte grundsätzlich schadensersatzpflichtig gemacht hat. Ein Anspruch auf Erstattung des bereits gezahlten Arbeitslosengeldes steht der Klägerin aber wegen eines überwiegenden Mitverschuldens der M. an der Arbeitslosigkeit nicht zu.

Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die von der Klägerin an die Versicherte M. gezahlten Gelder zu erstatten. Zwar hat der Beklagte rechtswidrig und fahrlässig eine Körperverletzung bei der Versicherten M. verursacht, denn er hat die im Verkehr gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen.

Beim Nordic Walking handelt es sich um ein schnelles Gehen, bei dem die dazu benutzten Stöcke jeweils hinter dem bewegten Bein gehalten werden. Hält man sich an diese Regel, so kann der Gehende auch nicht versehentlich gegen den eigenen Stock treten. Gerät der Stock dennoch vor die Beine, hat der Walkende ihn nicht richtig eingesetzt.

Der Beklagte kann sich auch nicht auf einen Haftungsausschluss berufen. Zwar wissen Personen, die gemeinsam Sport treiben wollen, dass sie den anderen dabei verletzen und auch selbst verletzt werden können. Deshalb gilt der Grundsatz, dass die bewusste Inkaufnahme eines Verletzungsrisikos zu einer Haftungsbegrenzung führt.

Bei der Verabredung zum Nordic Walking rechnete aber weder der Beklagte noch die Versicherte M. damit, verletzt zu werden. Eine solche Gefahr ergibt sich auch nicht aus der zum Nordic Walking gehörenden Benutzung der Stöcke.

Diese werden nur unterstützend zum Gehen und eng am Körper eingesetzt. Auch die örtlichen Gegebenheiten des Spazierwegs führten nicht zu einer erhöhten Gefahr. Eine Ablenkung durch Gespräche zwischen den Sporttreibenden, durch die Beobachtung der Natur oder eine etwaige Schwächung der Konzentration, ist zwar lebensnah.

Dadurch werden die Anforderungen an die eigenen Sorgfaltspflichten aber nicht gesenkt, sondern vielmehr gesteigert, weil dann eine erhöhte Gefahr für die eigene Sicherheit und die anderer besteht.

Die Situation ist anders als bei einem Fußballspiel oder einem Tennisspiel im Doppel, weil sich dort die Gefahr des Körperkontakts nicht vermeiden lässt. Beim gemeinsamen Nordic Walking können die Walkenden jedoch ohne weiteres den Abstand zwischen sich vergrößern.

Besteht danach eine grundsätzliche Haftung des Beklagten, so muss er der Klägerin den Schaden, den sie durch die Zahlungen an die Versicherte M. erlitten hat, dennoch nicht ersetzen.

Die Versicherte M. trifft nämlich an der Entstehung des Schadens in Form der Zahlung des Arbeitslosengeldes ein anspruchsausschließendes Mitverschulden, weil sie nicht gegen die Kündigung ihres Arbeitgebers vorgegangen ist.

Nach dem aktenkundigen Sachverhalt spricht alles dafür, dass ihr Arbeitgeber ihr einen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz hätte zuweisen können.

Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 30.07.2020 - 6 U 46/18

Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Pressemitteilung v. 10.08.2020