Verkehrsrecht -

Teilkaskoschaden bei Überfahren eines Wildschweins auf der Fahrbahn

Ein Erstattungsanspruch aus der Teilkaskoversicherung nach § 12 AKB besteht, wenn ein bereits überfahrenes, bewegungslos auf der Fahrbahn liegendes Tier überfahren wird.

Das Landgericht Stuttgart hat in seinem Urteil vom 07.02.2007 (DAR 2009, 151) entschieden, dass sich auch beim Überfahren eines bereits überfahrenen, bewegungslos auf der Fahrbahn liegenden Tieres die Tiergefahr verwirklicht habe. Die spezifische Tiergefahr bestehe nämlich gerade darin, dass Tiere unkontrolliert in die Fahrbahn hineinrennen und den Verkehr behindern. Eine solche Gefahr sei auch dann verwirklicht, wenn in der Folge davon das Wild bereits überfahren wurde und leblos auf der Fahrbahn liege. Ein Erstattungsanspruch nach § 12 AKB sei dann gegeben.

Die Entscheidung: LG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2007 - 5 S 244/06

Der Entscheidung des Landgerichts Stuttgart lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger befuhr nachts gegen 2.30 Uhr eine Autobahn. Auf der Fahrbahn lag ein Wildschwein, das sich nicht mehr bewegte. Der Kläger behauptet, er habe eine Kollision mit dem Wildschwein nicht verhindern können, ebenso wenig wie die Fahrzeuge hinter ihm. Aufgrund der Kollision mit dem Wildschwein wurde der Airbag ausgelöst. Die Beklagte bestreitet, dass es zu einer Kollision mit dem Wildschwein kam. Da sich das Wildschwein nicht bewegt und schon länger dort gelegen habe, sei es wie jedes andere Hindernis zu bewerten, die spezifische Tiergefahr habe sich nicht verwirklicht und eine Einstandspflicht der Beklagten gemäß § 12 AKB scheide aus.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung führt es aus, dass sich aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 12 AKB: „… durch einen Zusammenstoß des in Bewegung befindlichen Fahrzeugs mit Haarwild i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bundesjagdgesetz“ keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass nur der Zusammenstoß mit einem in Bewegung befindlichen Wild, das sich aus eigener Kraft auf die Fahrbahn bewege und das dadurch für ein Überraschungsmoment sorge, erfasst sein soll. Allgemeine Versicherungsbedingungen seien gemäß den §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, der sie aufmerksam liest und verständig würdigt, verstehen muss. Die Vorschrift des § 12 AKB sei daher nur so zu verstehen, dass es nicht erforderlich sei, dass das Tier sich noch bewegt habe, als es zum Unfall kam. Hinzu komme, so die 5. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart, dass sich auch bei einem bereits überfahrenen, bewegungslos auf der Fahrbahn liegenden Tier die Tiergefahr verwirkliche. Die spezifische Tiergefahr bestehe gerade darin, dass Tiere unkontrolliert in eine Fahrbahn hineinrennen und den Verkehr behindern. Diese Gefahr habe sich auch dann verwirklicht, wenn das Wild bereits überfahren wurde und leblos auf der Fahrbahn liege.

Das Landgericht Stuttgart hat die Revision gegen das Urteil zugelassen, da zur Auslegung des § 12 AKB unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten werden. Wie das Landgericht Stuttgart argumentieren Prölls/Martin, VVG, 27. Aufl., § 12 AKB, Rd.-Nr. 44, Stiefel/Hofmann, AKB 17. Aufl., § 12 AKB, Rd.-Nr. 61 und das OLG Nürnberg, DAR 1994, 279. Eine abweichende Entscheidung liegt in dem Urteil des OLG München, VersR 1986, 863, vor.

Das OLG München vertritt die Auffassung, dass die Wildschadensklausel des § 12 AKB nur gegen typische Wildgefahren schütze. Hierzu gehöre nicht das Liegen von getötetem oder aus sonstigen Gründen bewegungslosem Haarwild auf der Fahrbahn. Eine Entscheidung des BGH bleibt abzuwarten. Erst damit wird Klarheit über die Auslegung der Wildschadensklausel des § 12 AKB bestehen.

Quelle: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Dr. Stephan Schröder, Kiel - Urteilsanmerkung vom 16.04.09