Verkehrsrecht -

Umfang der Verjährung bei einer Klage gegen die Unfallversicherung

Die Verjährung auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung wird lediglich in Höhe des bezifferten Leistungsantrags gehemmt.

BGH, Urt. v. 11.03.2009 - IV ZR 224/07 (Volltextabruf)

Für den Umfang der Verjährung, ebenso für die Rechtskraft einer Entscheidung ist der Streitgegenstand maßgebend, der durch den Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt wird.

Die Verjährung auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung wird lediglich in Höhe des bezifferten Leistungsantrags gehemmt.

Ergibt sie sich beispielsweise aufgrund einer durchgeführten Beweisaufnahme, dass nach Ablauf der Verjährungsfrist eine höhere als die geltend gemachte Entschädigung zu leisten wäre, ändert dies nichts daran, dass die Hemmung nur bezüglich des bezifferten Antrag eingreift.

Darum geht es

Der Kläger erlitt am 18.07.1999 einen Verkehrsunfall, bei dem er neben der Prellung des linken Brustkorbs eine Rippenserienfraktur erlitt. Aufgrund des Unfalls machte der Kläger bei der Beklagten aufgrund einer dort abgeschlossenen Unfallversicherung Ersatzansprüche geltend.

Zum Unfallzeitpunkt belief sich die Versicherungssumme auf 300.128,33 €. Aufgrund einer von der Beklagten eingeholten ärztlichen Stellungnahme wurde zunächst eine dauernde Invalidität des Klägers von 20 % festgestellt. Die Beklagte leistete daraufhin zunächst eine Vorauszahlung. Eine weitere durch die Beklagte in Auftrag gegebene Begutachtung ergab, dass Folgeschäden bei dem Kläger teilweise nicht unfallbedingt waren. Weitere Zahlungen wurden daraufhin von der Beklagten zurückgewiesen. Die geleistete Vorauszahlung forderte die Beklagte vom Kläger zurück.

Der Kläger machte klageweise, ausgehend von einer Invalidität von 20 %, den ihm zustehenden Betrag abzüglich der erhaltenen Vorauszahlung geltend. Im Rahmen dieses Prozesses konnte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zwar eine Invalidität von 30 % festgestellt werden; hiervon waren aber nur 10 % unfallbedingt. Die Klage wurde in Erster Instanz abgewiesen. Ein in der Berufungsinstanz eingeholtes weiteres Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Grad der unfallbedingten Invalidität mit mindestens 50 % zu veranschlagen sei. Der Kläger habe nicht nur eine Rippenserienfraktur und Pneumohämatothorax erlitten. Zusätzlich sei es zu einer Lungenkontusion gekommen. Hiervon ausgehend nahm das OLG eine Invalidität von jedenfalls 20 % an.

Weitere Zahlungen wurden durch die Beklagte abgelehnt. In einem weiteren Verfahren forderte der Kl. den restlichen Betrag, ausgehend von einer Invalidität von 50 %.

Die Klage wurde von allen Instanzen nach erhobener Verjährungseinrede abgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Auf das vorliegende Verfahren waren die Verjährungsvorschriften der §§ 11,12 VVG a.F. anzuwenden. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war die Verjährung zunächst durch die Vergleichsverhandlungen der Parteien gehemmt gewesen. Die Verjährungsfrist sei am 28.01.2005 abgelaufen. Die Klage wurde erst im September 2006 eingelegt. Eine Verjährungshemmung durch die im Vorprozess erhobene Klage sei nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht anzunehmen. Die verjährungshemmende Wirkung der Ursprungsklage könne sich nur auf den dort geltend gemachten bezifferten Antrag beschränken.

Dieser Ansicht hatte sich letztlich auch der BGH angeschlossen.

Zunächst wird ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sowohl für den Umfang der Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB als auch für den Umfang der Rechtskraft der prozessuale Streitgegenstandsbegriff maßgebend sei. Dieser werde durch den Klageantrag und den diesem zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt. Werde nur ein Teil eines einheitlichen Anspruchs klageweise geltend gemacht, wird die Verjährung auch nur insoweit gehemmt. Die Rechtskraft beschränkt sich dann auch nur auf den eingeklagten Teilbetrag.

Dies gelte auch dann, wenn für die Beteiligten zunächst nicht erkennbar war, dass nur ein Teilbetrag eingeklagt wurde (BGH NJW 1997, 1990).

Nur ausnahmsweise könne von diesem Grundsatz abgewichen werden. Dies gelte beispielsweise für Ansprüche nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Diese Ausnahme greife nach Ansicht des BGH aber nicht ein, wenn lediglich Ungewissheit über den Ausgang einer Beweisaufnahme bestehe (BGH NJW 2002, 2167). Sowohl das Gericht, als auch der Gegner müssen sich im Hinblick auf die Verjährung ebenso wie für den Umfang der Rechtskraft auf die Bezifferung im Klageantrag verlassen können. Der Umstand, dass ein Kläger die Höhe seiner Forderung nicht überschaut und den Ausgang einer Sachverständigenbegutachtung nicht sicher einschätzen kann, gehe grundsätzlich zu seinen Lasten (BGH a.a.O.).

Der Kläger hat nach Ansicht des BGH nicht nur die unfallbedingte Invalidität, sondern auch deren konkretes Ausmaß zu beweisen. Es gehe daher auch zu seinen Lasten, wenn er unverschuldet von einem ihm zustehenden Anspruch erst dann erfährt, nachdem dieser bereits verjährt ist.

Nach Ansicht des Gerichts kommen die zu § 12 Abs. 3 VVG a.F. aufgestellten Grundsätze, wonach eine Teilklage die Frist auch bezüglich des gesamten, weitergehenden Anspruchs wahrt, nicht zur Anwendung.

Praxishinweis

Es empfiehlt sich insbesondere in den Fällen, in denen ein Anspruch der Höhe nach nicht mit der notwendigen Sicherheit bestimmt werden kann, zusätzliche zu einem Leistungsantrag einen Feststellungsantrag zu stellen.

Quelle: Rechtsanwalt Hans-Helmut Schaefer, Köln - Urteilsanmerkung mit Praxishinweis vom 07.09.09