Verkehrsrecht -

Uneingeschränkte Abschlepprechte für Parkplatzbesitzer

Der BGH stellt klar: Die Abschleppkosten für ein auf einem Privatgrundstück unbefugt abgestelltes Kraftfahrzeug sind auch dann zu erstatten, wenn das Fahrzeug nicht verkehrsbehindernd geparkt wurde.

BGH, Urt. v. 05.06.2009 – V ZR 144/08

Leitsatz

Wer sein Fahrzeug unbefugt auf einem Privatgrundstück abstellt, begeht verbotene Eigenmacht, derer sich der unmittelbare Grundstücksbesitzer erwehren darf, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt; die Abschleppkosten kann er als Schadenersatz von dem Fahrzeugführer verlangen.

Darum geht es

Dem Beklagten gehörte ein Grundstück, das als Parkplatz mehrerer Einkaufsmärkte genutzt wird. Dort steht ein großes, gut sichtbares Schild mit folgenden Hinweisen:
„Montag bis Samstag 6.00 bis 21.00 Uhr – nur für Kunden und Mitarbeiter des Nahversorgungszentrums – Parken nur mit Parkuhr, Parkzeit 1,5 Stunden (daneben ist eine Parkscheibe abgebildet) – Parken nur innerhalb der gekennzeichneten Flächen! – Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt“ (daneben ist ein Abschlepp-Piktogramm abgebildet).

Im April 2007 stellte der Kläger seinen Pkw unbefugt auf dem Parkplatz ab. Das Fahrzeug wurde abgeschleppt und an den Kläger erst nach Zahlung der Abschleppkosten herausgegeben.

Mit der Klage beansprucht der Kläger die Rückzahlung der von ihm verauslagten Abschleppkosten. Das Amtsgericht hat ebenso wie das mit der Berufung befasste Landgericht die Klage abgewiesen. Auch die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte hinsichtlich der Abschleppkosten keinen Erfolg.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass der Kläger keinen Rückzahlungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 BGB habe, weil die Zahlung der Abschleppkosten an den Beklagten mit Rechtsgrund erfolgt sei. Dem Beklagten stünde gegen den Kläger nämlich ein Schadenersatzanspruch auf Zahlung der Abschleppkosten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 858 Abs. 1 BGB zu.

Selbsthilferecht

Mit dem unbefugten Abstellen des Fahrzeugs auf dem Parkplatz des Beklagten habe der Kläger eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs. 1 BGB begangen, mit der Folge, dass dem Beklagten ein Selbsthilferecht zur Beseitigung der Besitzbeeinträchtigung zustehe. Von diesem Selbsthilferecht habe er durch das Abschleppen lassen des Fahrzeugs in berechtigter Weise Gebrauch gemacht. Der BGH verweist insofern auf die Vorschrift des § 859 BGB.

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Der Auftrag des Beklagten, das klägerische Fahrzeug abschleppen zu lassen, verstoße auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Hierbei käme es - so der Senat - auf eine Mittel-Zweck-Relation an. Die Ausübung des dem Beklagten zustehenden Selbsthilferechts sei danach nur dann unzulässig, wenn sie der Gegenseite unverhältnismäßig große Nachteile zufüge und andere, weniger schwerwiegende Maßnahmen möglich gewesen wären, die den Interessen des Berechtigten ebenso gut Rechnung getragen hätten oder ihm zumindest zumutbar gewesen wären. Insofern gelte das Gebot der schonendsten Sanktion. Im vom BGH entschiedenen Fall sei aber nicht festzustellen gewesen, dass das Abschleppen des widerrechtlich geparkten Fahrzeugs unverhältnismäßig war. Es sei weder von den Parteien vorgetragen noch nach Auffassung des Senats sonst ersichtlich, dass der Beklagte in anderer Weise von seinem Selbsthilferecht hätte Gebrauch machen können.

Treu und Glauben

Im Übrigen sei es für die Entscheidung, ob das Abschleppen des Fahrzeugs rechtmäßig war, unerheblich, ob der Kläger sein Fahrzeug behindernd geparkt habe oder keine anderen freien Parkplätze für Kunden des Supermarktes vorhanden gewesen seien. Zwar könne die Ausübung des Selbsthilferechts nach § 859 BGB, auch wenn die getroffene Maßnahme an sich verhältnismäßig war, unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unzulässig sein. Dies ist aber nach dem Urteil des BGH dann nicht der Fall, wenn die Selbsthilfe eine verbotene Eigenmacht beseitigt, die nur einen örtlich abgegrenzten Teil des Grundstücks betrifft und die übrige Grundstücksfläche unberührt lässt und diese ohne Einschränkungen genutzt werden kann. Denn wie der Eigentümer andere von jeder Einwirkung ausschließen kann, kann sich ebenso der unmittelbare Besitzer verbotener Eigenmacht durch Selbsthilfe unabhängig davon erwehren, welches räumliche Ausmaß sie hat oder ob sie die Nutzungsmöglichkeit von ihr nicht betroffener Grundstücksteile unberührt lässt. Deshalb dürfe ein unbefugt auf einem fremden Grundstück abgestelltes Fahrzeug auch ohne konkrete Behinderung entfernt werden.

Praxishinweis

Das Urteil des BGH vom 05.6.2009 ist für die tägliche Praxis von besonderer Bedeutung. Es räumt Parkplatzbesitzern weitestgehend uneingeschränkte Rechte in der Form ein, dass alle Fahrzeuge, die widerrechtlich geparkt wurden, kostenpflichtig abgeschleppt werden können. Der BGH stellt in seinen Entscheidungsgründen deutlich heraus, dass das Abschleppen lassen eines widerrechtlich abgestellten Fahrzeugs selbst dann rechtmäßig und somit zulässig ist, wenn das Fahrzeug weder behindernd geparkt wurde oder anderen Verkehrsteilnehmern das Parken trotzdem möglich war. Der BGH stützt seine Ansicht auf die Tatsache, dass sich ebenso wie der Eigentümer auch der unmittelbare Besitzer verbotener Eigenmacht durch Selbsthilfe erwehren dürfe.

Quelle: Dr. Stephan Schröder, Rechtsanwalt und FAVerkR, Kiel - Urteilsbesprechung vom 24.08.09