Verkehrsrecht -

Vollkaskoschutz des Kfz-Zwischenmieters bei Unfallmanipulation des Untermieters

 

BGH, Urt. v. 20.05.2009 — XII ZR 94/07

Urteilsbesprechung: In einem Kfz-Mietvertrag, in dem eine Haftungsreduzierung gegen Entgelt vereinbart ist, verliert der Mieter diesen Versicherungsschutz nicht, wenn ein Dritter, dem das Fahrzeug überlassen wurde, dieses schuldhaft beschädigt.

Darum geht es
Die Klägerin, eine gewerbliche Autovermietung, schloss mit der Beklagten zu 1) am 20.03.2003 einen Mietvertrag über einen Kleintransporter zum Zwecke der Weitervermietung ab. In den Vertragsbedingungen heißt es u.a.:

9. Haftung des Mieters. Der Mieter haftet für während der Dauer des Mietvertrages entstandene Schäden am Fahrzeug... Bei Überlassung des Fahrzeugs an Dritte — einschließlich der in Nummer 3 bezeichneten weiteren Fahrer — haftet der Mieter für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Mietvertrags und das Verhalten des/der Dritten wie für eigenes Handeln.

10. Haftungsreduzierung. Der Mieter kann — vorbehaltlich Nummer 11 — seine Haftung nach Nummer 9 durch Abschluss der Option "Haftungsreduzierung für alle Schäden einschließlich Fahrzeugdiebstahl"... gegen Zahlung der entsprechenden Zusatzgebühr auf eine bestimmte Selbstbeteiligung (SB) pro Schadensfall reduzieren...

11. Wegfall der Haftungsreduzierung... Auch im Falle vorsätzlich oder grobfahrlässig verursachter Schäden tritt die Haftungsreduzierung nach Nummer 10 nicht ein".


Zwischen den Parteien wurde eine Haftungsreduzierung mit einer Selbstbeteiligung von 511,29 € vereinbart. Die Beklagte zu 1) vermietete ihrerseits das Fahrzeug an den Beklagten zu 2) weiter. Der Beklagte zu 2) verursachte in Absprache mit dem Beklagten zu 3) vorsätzlich einen Verkehrsunfall. Der insgesamt entstandene Schaden betrug 7.306,74 €. Hierauf zahlte die Beklagte zu 1) lediglich die vereinbarte Selbstbeteiligung. Den Differenzbetrag von 6.795,45 € machte die Klägerin gegen alle drei Beklagten geltend.

Erstinstanzlich wurde die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen, die Beklagten zu 2) und 3) wurden antragsgemäß verurteilt. Das Urteil wurde insoweit rechtskräftig. Sowohl die Berufung als auch die zugelassene Revision wurden zurückgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe
Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass im Rahmen eines gewerblichen Kfz-Mietvertrags im Fall einer Haftungsreduzierung gegen Entgelt der Mieter darauf vertrauen darf, dass die Reichweite des vertraglich vereinbarten Schutzes im wesentlichen dem entspricht, der einem Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung zugute kommen würde (vgl. BGH NJW 2005,1183).

Gesetzliche Grundlage
In der Kfz Vollversicherung gilt nach § 81 VVG n.F., dass eine Haftung des Versicherungsnehmers für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Fahrers, dem das Fahrzeug überlassen wurde, nicht in Betracht kommt. Der Versicherer ist nur dann von seiner Leistungspflicht frei, wenn den Versicherungsnehmer selbst ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann. Schon im Geltungsbereich des § 61 VVG a.F. war eine Anwendbarkeit der allgemeinen zivilrechtlichen Zurechnungsnormen für das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen nicht zulässig (vgl. BGH NJW 1954,148).

Ausnahme bei Drittverschulden
Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Dritte, den ein Verschulden trifft, an die Stelle des Versicherungsnehmers tritt und ihn damit repräsentiert (vgl. BGH NJW 1989,1861; BGH NJW-RR 2003,1250). Diese Grundsätze der so genannten Repräsentantenhaftung gelten auch für den Mieter, der mit dem Vermieter gegen Entgelt eine Reduzierung seiner Haftung vereinbart. Die Vergleichbarkeit rühre, so der BGH, aus einer vergleichbaren Interessenlage des quasi-versicherten Kfz-Mieters und dem Versicherungsnehmer. Sowohl der Kfz-Mieter als auch der Versicherungsnehmer haben ein Interesse daran, dass mit dem Risikoeintritt verbundene Ausfallrisiko zu versichern und auf den "Quasi-Versicherer" zu verlagern.

Dritter nicht Repräsentant des Mieters
Wird das Fahrzeug einem Dritten überlassen, wird dieser nicht Repräsentant des Mieters. Repräsentant kann nur sein, wer im Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertrags oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (BGH NJW 1989,1861). Die bloße Überlassung des Fahrzeugs an einen Dritten reicht nicht aus, um ein Repräsentantenverhältnis zu begründen (BGH a.a.O.). Unter dem Gesichtspunkt der Risikoverwaltung kennzeichnet den Repräsentanten, dass er befugt ist, selbstständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln und dabei auch dessen Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer wahrnehmen darf.

Fazit
Im Ergebnis gelangen sowohl Berufung als auch Revision zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin verwendeten AGB vom Leitbild der Vollkaskoversicherung abweichen mit der Folge, dass hierin eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB liegt.

Auch sei nach Ansicht des BGH der Gedanke in § 540 Abs. 2 BGB, wonach der Mieter für das Verhalten des Untermieters einstehen müsse, vorliegend nicht anwendbar. Es ging eben nicht um die Frage, inwieweit durch AGB von den gesetzlichen Haftungsregelungen des Mietrechts abgewichen werden könne. Unzweifelhaft liege eine zulässige Haftungsbeschränkung vor. Der Mieter müsse sich aber darauf verlassen können, dass er eine Haftungsfreistellung entsprechend den Regelungen der Fahrzeugvollversicherung erhält, wozu auch gehört, dass er für grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten Dritter nicht haftet.

 

Quelle: Hans Helmut Schaefer - Urteilsbesprechung vom 18.01.10