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Auskunftsrecht der Eltern nach Sorgerechtsentzug

Den Eltern steht in entsprechender Anwendung des § 1686 BGB ein Auskunftsrecht gegenüber dem bestellten Ergänzungspfleger oder Vormund zu, nicht aber gegenüber der insoweit personenverschiedenen Obhutsperson oder Einrichtung. Das hat das OLG Hamm entschieden nachdem den Eltern im Wege einer einstweiligen Anordnung weite Teile der elterlichen Sorge entzogen worden waren.

Sachverhalt

Mit Beschlüssen des Amtsgerichts sind den Eltern im Wege einstweiliger Anordnungen weite Teile der elterlichen Sorge entzogen worden, wobei sich der genaue Umfang des Entzugs aus den Akten nicht ergibt. Für das Kind ist eine Ergänzungspflegerin bestellt worden. Der Vater hat vorgetragen, dass ihm seit Juli 2014 jeglicher Kontakt zu dem Kind untersagt sei und mit den Beschlüssen des Amtsgerichts vom 30.01.2015 und vom 11.05.2015 im Wege einstweiliger Anordnungen das Recht entzogen worden sei, den Umgang seines Kindes mit Dritten zu bestimmen.

In den Sorgerechtsverfahren sei eine psychologische Sachverständige zur Erstellung eines Gutachtens bestellt worden. Der Vater hat insoweit vorgetragen, dass Strafverfahren gegen die Sachverständige anhängig seien und diese wegen des unberechtigten Führens der Berufsbezeichnung „Psychotherapeutin“ zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei.

Das Kind lebte seit Juni 2014 in einer Einrichtung und besuchte dort die Schule. Nach Mitteilung der Ergänzungspflegerin wohnt es seit dem 15.10.2015 nicht mehr dort, und sein derzeitiger Aufenthalt sei unbekannt. Zum 31.12.2015 wurde daher die stationäre Hilfe in dieser Einrichtung beendet. Der Vater begehrt im vorliegenden Verfahren von der Ergänzungspflegerin und dem zuständigen Mitarbeiter der Einrichtung Auskunft darüber, ob und wann die frühere Sachverständige seit Juni 2014 Kontakt zu dem Kind aufgenommen hat oder aufnehmen wollte. Er befürchte insoweit, die Sachverständige übe im Hinblick auf Umgang und Kontakte mit ihm als Vater einen negativen Einfluss auf das Kind aus.

Das Amtsgericht hat den Auskunftsantrag des Vaters zurückgewiesen. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 1686 BGB, weil diese Norm lediglich ein Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, insbesondere über seine Gesundheit, seine allgemeine Entwicklung und seine Lebensumstände gewähre. Im Übrigen hat das Amtsgericht insoweit kein berechtigtes Interesse des Vaters zu erkennen vermocht.

Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Vater seinen Auskunftsanspruch weiter. Ein berechtigtes Interesse seinerseits bestehe, weil er keine andere zumutbare Möglichkeit habe, die maßgebliche Information zu erhalten. Bei den persönlichen Belangen des Kindes gehe es auch um die Kontakte, die das Kind mit anderen Personen habe, also mit jeder Person von besonderem Einfluss, was auf die Sachverständige zutreffe.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Seine Beschwerde hat teilweise Erfolg und führt zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Gemäß § 1686 BGB kann jeder Elternteil vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Kindeswohl entspricht. Nach Ansicht des OLG, das sich der herrschenden Meinung anschließt, ist die Bestimmung hinsichtlich des Auskunftspflichtigen zu eng gefasst. Denn das sich aus dem Elternrecht des Art. 6 GG ergebende Auskunftsbedürfnis kann sich in gleicher Weise ergeben, wenn das Kind nicht beim anderen Elternteil, sondern bei Pflegeeltern, bei einem Vormund oder in einem Heim lebt (Rauscher, Staudinger, BGB, 2014, § 1686 Rdnr. 5). Das OLG teilt jedoch nicht die Ansicht einer weiter gehenden Literaturmeinung, dass auch Personen und Einrichtungen, bei denen das Kind tatsächlich in Obhut ist, zur Auskunft verpflichtet seien.

Zur Wahrung des Elternrechts ist es ausreichend, wenn die für das Kind in rechtlicher Hinsicht verantwortliche Person oder Stelle die Auskunft zu erteilen hat. Dies dient insbesondere auch dem Schutz vor allzu häufiger Inanspruchnahme durch die Eltern. Inhaltlich sind der Auskunftsgegenstand die persönlichen Verhältnisse des Kindes, die alle für das Befinden und die Entwicklung des Kindes wesentlichen Umstände umfassen (BayObLG, Urt. v. 07.12.1992 – 1Z BR 93/92 und Rauscher, a.a.O., Rdnr. 13). Der Umfang der Auskunft wird lediglich mit Rücksicht auf das Kindeswohl insoweit beschränkt, als Umstände aus der Privat- und Intimsphäre bereits in den Entscheidungsbereich des Minderjährigen selbst fallen (BayObLG, a.a.O. und OLG Hamm, Beschl. v. 10.01.1995 – 15 W 269/94).

Unter diesen Voraussetzungen besteht daher eine Pflicht zur Auskunft auch darüber, mit welchen Personen das Kind Umgang hat oder hatte. Das gilt insbesondere dann, wenn wie hier im Raum steht, dass eine Person dergestalt Einfluss auf das Kind ausgeübt hat, dass eine Beeinträchtigung des Verhältnisses des Kindes zu den Eltern zu befürchten ist.

Im vorliegenden Fall besteht eine grundsätzliche Auskunftspflicht der Ergänzungspflegerin, ob und inwieweit das Kind Umgang mit der Sachverständigen hatte. Eine Auskunftspflicht der Einrichtung, in der das Kind untergebracht war, verneint das OLG. Eine Erfüllung der Auskunftsverpflichtung der Ergänzungspflegerin liegt auch nicht vor. Bisher hat sie im Anhörungstermin nur erklärt, dazu könne sie aus ihrer Erinnerung keine sicheren Angaben machen. Ihrer Verpflichtung entsprechend hätte sie dann jedoch bei den jeweiligen tatsächlichen Obhutspersonen nachzufragen, ob es derartige Umgänge oder Umgangsanbahnungen gegeben hat.

Da dies bisher nicht geschehen ist, muss die Ergänzungspflegerin es nachholen. Sie war daher dazu zu verpflichten, nach der Verschaffung eigener Erkenntnisse die entsprechende Auskunft gegenüber dem Vater gem. § 1686 BGB zu erteilen. Da jedenfalls bereits seit Ende 2013 wesentliche Teile des elterlichen Sorgerechts dem Vater entzogen und auf das Jugendamt übertragen worden sind, hat er faktisch keine Möglichkeit, selbst an Informationen über sein Kind zu kommen. Er kann sich nur an das Jugendamt wenden, das die Auskünfte auch unschwer erteilen kann.

Der erstinstanzliche Antrag und die Beschwerde sind insoweit begründet, als die Ergänzungspflegerin zur Auskunftserteilung in Anspruch genommen worden ist. Soweit die Einrichtung zur Auskunftserteilung in Anspruch genommen worden ist, bleiben der Antrag und die Beschwerde ohne Erfolg.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das Bedürfnis der Eltern, eine möglichst tief gehende Auskunft über das eigene Kind zu erhalten, besteht gegenüber allen Personen, die mit dem Kind in Kontakt sind oder waren, also gegenüber dem anderen Elternteil oder gegenüber Pflegeeltern, Vormund und Heim. Personen und Einrichtungen, bei denen das Kind tatsächlich in Obhut ist, werden von der Pflicht zur Auskunftserteilung jedoch nicht erfasst. Zur Wahrung des Elternrechts wird es als ausreichend angesehen, wenn die für das Kind in rechtlicher Hinsicht verantwortliche Person oder Stelle die Auskunft zu erteilen hat. Das ist also auch der Ergänzungspfleger, der vom Jugendamt mit der Betreuung des Kindes betraut wurde.

Inhaltlich erfasst die Auskunftspflicht auch die persönlichen Verhältnisse des Kindes, also auch, mit wem das Kind Umgang hat und hatte. Diese Auskunftspflicht besteht insbesondere in den Fällen, in denen die Gefahr einer Beeinflussung des Kindes besteht. Als Auskunft des Ergänzungspflegers reicht die Berufung auf fehlende Erinnerung nicht aus. Vielmehr trifft ihn eine konkrete Verpflichtung, bei der entsprechenden Obhutsperson oder Einrichtung nachzuforschen, um die Lage zu ermitteln.

Praxishinweis

Das OLG stellt klar, wie weit das Auskunftsrecht der Eltern aus einer entsprechenden Anwendung des § 1686 BGB reicht. Die für die Eltern als Ansprechpartner in Betracht kommenden Personen werden hinreichend genau definiert. Jedenfalls der Ergänzungspfleger ist in Ausübung seiner Pflichten als Vertreter des Jugendamts und somit des Staates auskunftspflichtig. Bei Erinnerungslücken ist er darüber hinaus sogar dazu verpflichtet, die zur Erfüllung des Auskunftsbegehrens der Eltern erforderlichen Nachforschungen anzustellen. Auch die Frage des Umgangs des Kindes gehört zur Auskunftspflicht, insbesondere wenn es um die Gefahr einer Beeinträchtigung des Verhältnisses des Kindes zu den Eltern geht.

OLG Hamm, Beschl. v. 01.08.2016 – 4 UF 99/16

Quelle: Ass. jur. Nicole Seier