Sozialrecht, Arbeitsrecht -

Unfallversicherungsschutz auch am Probetag

Ein Arbeitsuchender, der in einem Unternehmen einen „Probearbeitstag“ absolviert und sich dabei verletzt, ist gesetzlich unfallversichert. Dies das Bundessozialgericht entschieden. Zwar ging das Gericht von keinem Beschäftigungsverhältnis aus, weil der Kläger noch nicht auf Dauer in den Betrieb eingegliedert war - er war aber als sog. „Wie-Beschäftigter“ gesetzlich unfallversichert.

Darum geht es

Der Kläger, der sich auf eine Stelle als Lkw-Fahrer bei einem Entsorger von Lebensmittelabfällen beworben hatte, vereinbarte im Vorstellungsgespräch mit dem Unternehmer, einen „Probearbeitstag“ zu absolvieren. Der Kläger sollte mit dem Lkw mitfahren und Abfälle einsammeln; eine Vergütung sollte er dafür nicht erhalten.

Der Kläger stürzte an dem Probearbeitstag vom Lkw und zog sich unter anderem Verletzungen am Kopf zu. Der beklagte Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil der Kläger nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen sei.

Sozialgericht und Landessozialgericht haben hingegen das Vorliegen eines versicherten Arbeitsunfalls festgestellt. Auch ohne Bestehen eines Arbeitsverhältnisses könne eine Beschäftigung vorliegen, wenn der Verletzte - wie im vorliegenden Fall durch das Mitfahren und Einsammeln von Abfällen - für ein fremdes Unternehmen tätig sei.

Der Unternehmer habe ein Eigeninteresse an dem Probetag gehabt, weil zahlreiche Bewerber nach kurzer Mitarbeit wieder abgesprungen seien. Die Tätigkeit gehe auch über die in der Regel unversicherte bloße Arbeitsplatzsuche oder die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch hinaus.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2 Absatz 1 Nummer 1 SGB VII.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass der Kläger zwar nicht als Beschäftigter unter Versicherungsschutz gestanden hat, als er an dem „Probearbeitstag“ Mülltonnen transportierte und dabei vom Lkw stürzte.

Ein Beschäftigungsverhältnis lag insoweit nicht vor, weil der Kläger noch nicht auf Dauer in den Betrieb des Entsorgungsunternehmers eingegliedert war.

Der Kläger hat aber nach Ansicht des Bundessozialgerichts eine dem Entsorgungsunternehmer dienende, dessen Willen entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht. Diese ist einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ähnlich.

Der Kläger war daher als „Wie-Beschäftigter“ gesetzlich unfallversichert. Insbesondere lag die Tätigkeit nicht nur im Eigeninteresse des Klägers, eine dauerhafte Beschäftigung zu erlangen. Denn der Probearbeitstag sollte gerade auch dem Unternehmer die Auswahl eines geeigneten Bewerbers ermöglichen und hatte damit für ihn einen objektiv wirtschaftlichen Wert.

BSG, Urt. v. 20.08.2019 - B 2 U 1/18 R

Quelle: BSG, Pressemitteilungen v. 16.08.2019 und 20.08.2019