Voraussetzungen der Restschuldbefreiung

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Abtretung des Arbeitseinkommens

Notwendiger Antragsinhalt

Abtretungsfrist

Der Antrag auf Restschuldbefreiung muss zwingend die Erklärung des Schuldners enthalten, mit der er für die Dauer von drei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den pfändbaren Teil seines künftigen Arbeitseinkommens oder an dessen Stelle tretende laufende Bezüge, wie z.B. Sozialleistungen, an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt ("Abtretungsfrist"; § 287 Abs. 2 InsO i.d.F. des Gesetzes v. 22.12.2020, BGBl I, 3328).

Gestaffelte Fristen

In Verfahren, deren Eröffnung vor dem 17.12.2019 beantragt wurde, beträgt die Abtretungsfrist sechs Jahre. In Verfahren, deren Eröffnung nach dem 17.12.2019 und vor dem 01.10.2020 beantragt wurde, ist die Abtretungsfrist nach Art. 103k Abs. 2 EGInsO in der Weise gestaffelt, als für jeden vollen Monat, der seit dem 16.07.2019 bis zur Stellung des Insolvenzantrags vergangen ist, sich die Abtretungsfrist um denselben Zeitraum verkürzt. Für ein Verfahren, dessen Eröffnung am 30.09.2020 beantragt wurde, ergibt sich damit z.B. eine Abtretungsfrist von vier Jahren und zehn Monaten. Ist dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30.09.2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, so beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre.

Frist zur Nachreichung der Abtretungserklärung

Wird die Abtretungserklärung nicht zusammen mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung vorgelegt, so ist diese innerhalb von zwei Wochen nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts nachzureichen (analog § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO; vgl. OLG Köln, NJW 2001, 1507). Im Verbraucherinsolvenzverfahren gilt wiederum die Regelung des § 305 InsO, wonach der Schuldner innerhalb eines Monats, bzw. dreier Monate im Fall eines Gläubigerantrags, fehlende Unterlagen nachzureichen hat. Stellt sich im eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren heraus, dass die dem Antrag auf Restschuldbefreiung beizufügende Abtretungserklärung nicht vorliegt, so darf das Insolvenzgericht dem Schuldner für die Nachreichung der Abtretungserklärung keine Frist setzen, die kürzer ist als ein Monat (BGH v. 23.10.2008 – IX ZB 112/08).

Fiktion der Antragsrücknahme

Wird die Abtretungserklärung nicht fristgerecht nachgereicht, gilt der Eröffnungsantrag des Schuldners und damit auch sein Antrag auf Restschuldbefreiung im Verbraucherinsolvenzverfahren als zurückgenommen305 Abs. 3 InsO). Im Regelinsolvenzverfahren ist der Antrag auf Restschuldbefreiung nach ungenutztem Fristablauf zurückzuweisen. Dasselbe gilt dann, wenn der Schuldner seine Abtretungserklärung widerruft.

Antragstellung durch Betreuer

Stellt der für den Schuldner bestellte Betreuer den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung, so gilt nach § 53 ZPO der Schuldner als nicht prozessfähig, auch wenn er tatsächlich prozessfähig ist. Für die Abtretungserklärung gilt dies nicht. Vielmehr kann der prozessfähige Schuldner die Abtretungserklärung nur selbst abgeben. Ist der Schuldner prozessunfähig, bedarf die Abtretungserklärung des Betreuers oder Pflegers der betreuungsgerichtlichen Genehmigung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Abtretungserklärung nicht allein prozessuale Wirkungen hat, sondern materiell-rechtlich zum Anspruchsverlust führt. Die Genehmigungsbedürftigkeit der Abtretungserklärung ergibt sich aus §§ 1812 Abs. 1, 2, 1918i Abs. 1 BGB. Danach unterliegen Verfügungen der Genehmigung des Gegenbetreuers oder, wenn ein solcher nicht bestellt wurde, der Genehmigung des Betreuungsgerichts (LG Hamburg v. 08.03.2019 – 330 T 14/19).

Umfang der Abtretung

Zeitlicher Umfang der Abtretung

Die Abtretung bezieht sich auf die pfändbaren Einkommensteile für die Zeit der Abtretungsfrist, die bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt (§ 287 Abs. 2 InsO; Uhlenbruck/Sternal, InsO, § 287 Rdnr. 64). Gleichwohl stehen dem Treuhänder die Bezüge aber erst mit Beginn der Wohlverhaltensphase, also mit dem Zeitpunkt zur Verfügung, zu dem das Insolvenzverfahren durch Aufhebung oder Einstellung beendet ist. Pfändbare Einkommensteile, die vor diesem Zeitpunkt anfallen, gehören zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO), über die der Schuldner nicht verfügen kann. Damit kann die Regelung des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nur so verstanden werden, dass die Abtretungserklärung erst dann greift, wenn das Insolvenzverfahren beendet ist, davon unabhängig die Abtretungsfrist aber schon mit der Verfahrenseröffnung beginnt.

Asymmetrisches Verfahren

Die Abtretungserklärung bezieht sich demnach auf die pfändbaren Teile desjenigen Einkommens, das der Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erzielt. Läuft die Abtretungsfrist ab, bevor das Insolvenzverfahren aufgehoben wird (asymmetrisches Verfahren), kommt die Abtretung folglich insgesamt nicht zum Tragen.

Dauer der Wohlverhaltensphase

Die Dauer der Abtretungsfrist beträgt seit dem 01.10.2020 einheitlich drei Jahre.

Sachlicher Umfang der Abtretung

Vorbehaltlich der Unpfändbarkeit und dem damit verbundenen Abtretungsausschluss erstreckt sich die Abtretung des Arbeitseinkommens oder der Lohnersatzleistungen auf alle wiederkehrend oder einmalig zu leistenden Vergütungen, die der Schuldner während der Abtretungsfrist aufgrund von Arbeits- oder Dienstleistungen vom Drittschuldner beanspruchen kann und die der Lebensführung des Schuldners dienen (§ 850 Abs. 4 ZPO). Es muss sich nicht um ein auf Dauer angelegtes Arbeitsverhältnis handeln, so dass z.B. auch der Vergütungsanspruch des Gelegenheitsarbeiters als Lohnforderung anzusehen ist, ebenso die Energiepreispauschale (LG Deggendorf v. 12.10.2022 – 12 T 129/22), die aufgrund der Erklärung nach § 287 Abs. 2 InsO als abgetreten gilt. Die Abtretungserklärung bezieht sich dagegen regelmäßig nicht auf Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 234/08).

Entgeltumwandlung/Direktversicherung

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Direktversicherung abschließt und ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet wird, liegt insoweit kein pfändbares Arbeitseinkommen mehr vor (vgl. BAG v. 17.02.1998 – 3 AZR 611/97). Nach Abtretung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens an einen Treuhänder im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens kann der Arbeitnehmer nicht mehr zum Nachteil seiner Gläubiger über den abgetretenen Teil seines Arbeitseinkommens verfügen. Der in einer vereinbarten Entgeltumwandlung enthaltenen Verfügung des Arbeitnehmers steht § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO i.V.m. § 398 Satz 2 BGB entgegen (BAG v. 30.07.2008 – 10 AZR 459/07).

Lohnfortzahlung und Sonderzuwendungen

Auf die Benennung der Vergütungsansprüche (Honorar, Gage, Provision, Gehalt, Lohn, Gratifikation, Tantiemen usw.) kommt es nicht an. Auch spielt es keine Rolle, ob die Vergütung der Lohnsteuer unterliegt. Bezüge, die anstelle des Arbeitslohns im Krankheitsfall aufgrund des Lohnfortzahlungsgesetzes gezahlt werden, sind von der Lohnpfändung und damit von der Abtretung des Arbeitseinkommens ebenfalls umfasst. Auch Sonderzuwendungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld werden im Umfang des § 850a ZPO von der Lohnpfändung und mithin von der Abtretung des Arbeitseinkommens erfasst (vgl. BAG v. 30.08.2008 – 10 AZR 459/07).

Sachbezüge und sonstige Leistungen

Ohne Bedeutung ist, ob die Einkünfte aufgrund eines Arbeits-, Angestellten-, Berufsausbildungs-, Beamten-, Volontär- oder ähnlichen Verhältnisses erzielt werden. Auch aus einmaligen Dienstleistungen sich ergebende Vergütungsansprüche sind von der Lohnpfändung i.S.d. §§ 850 ff. ZPO und damit von der Abtretung des Arbeitseinkommens umfasst. Sachbezüge oder sonstige Leistungen, die der Schuldner als Entgelt für seine Arbeits- oder Dienstleistung erhält, sind ebenfalls als Arbeitseinkommen zu werten (vgl. § 850e Nr. 3 ZPO); sie sind demnach von der Abtretung umfasst (BGH v. 18.10.2012 – IX ZB 61/10). Als Arbeitseinkommen gelten u.a. auch die Ansprüche der Handelsvertreter auf Fixum und Provision sowie die Bezüge des Geschäftsführers einer GmbH. Auch die Vergütungsansprüche eines Heimarbeiters oder die Übergangsgelder bzw. die (Sozialplan-)Abfindung eines Angestellten beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (BAG, NJW 1992, 1646; vgl. BGH v. 11.05.2010 – IX ZR 139/09) unterliegen der Lohnpfändung und sind demzufolge abtretbar; ebenso die sogenannte Karenzentschädigung, die einem Arbeitnehmer zum Ausgleich von Wettbewerbsbeschränkungen für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezahlt wird.

Urlaubsabgeltung

Verzichtet der Arbeitnehmer auf die Einbringung seines Urlaubs, und erhält er hierfür ein zusätzliches Entgelt (Urlaubsabgeltung), so fällt diese Vergütung nicht unter die Regelung des § 850a Nr. 2 ZPO und ist deshalb wie Arbeitseinkommen pfändbar und damit abtretbar. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass der Urlaubsanspruch aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllt werden kann (BAG, MDR 2002, 280).

Vorruhestandsgeld und Betriebsrente

Letztlich erstreckt sich die Abtretung auch auf wiederkehrende Bezüge, die einem Arbeitnehmer vom bisherigen Arbeitgeber nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis in der Form von Ruhe-, Vorruhestandsgeld oder Betriebsrenten bezahlt werden. Mangels laufenden Bezugs zählt der Witwenrentenabfindungsanspruch, der eine Einmalzahlung darstellt (vgl. § 107 Abs. 1 Satz 1 SGB VI), nach Ansicht des LG Lübeck (v. 10.12.2012 – 6 O 236/11) nicht zu den von der Abtretung umfassten Ansprüchen des Schuldners.

Ärzteversorgung

Von der Abtretung umfasst ist auch der Rentenanspruch eines Arztes gegen die Bayerische Versorgungskammer (BayVGH v. 08.10.2019 – 21 ZB 16.199).

Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion

Nach § 54 SGB I finden die Vorschriften über die Pfändung des Arbeitseinkommens auch auf Lohnersatzleistungen Anwendung. Von der Abtretung des Arbeitseinkommens sind somit auch wiederkehrende Sozialleistungen wie etwa das Arbeitslosengeld I oder die gesetzliche Altersrente umfasst, ohne dass dies ausdrücklich in der Abtretungserklärung enthalten sein müsste. Sozialhilfeansprüche oder SGB-II -Leistungen sind dagegen unpfändbar und können demnach auch nicht abgetreten werden (§ 53 SGB I; Uhlenbruck/Sternal, InsO, § 287 Rdnr. 42).

Altersrenten

Soweit Altersrenten nicht als Sozialleistungen i.S.d. § 54 SGB I anzusehen sind, sondern auf der Grundlage eines privatrechtlichen Versicherungsvertrags gezahlt werden, stehen sie unter dem Pfändungsschutz des § 851c Abs. 1 ZPO. Sie können, soweit sie aus Verträgen gewährt werden, die den Vorgaben des § 851c Abs. 1 ZPO entsprechen, nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden und unterliegen demnach auch nur in diesem Umfang der Abtretung (§ 53 SGB I).

Steuererstattungsanspruch

Entgegen der Ansicht des AG Gifhorn (NZI 2001, 491) erstreckt sich die Abtretung des Arbeitseinkommens nicht auf den Anspruch des Schuldners auf Rückerstattung zu viel bezahlter Lohn- oder Einkommensteuer, da dieser Anspruch nicht auf Arbeitsentgelt i.S.d. § 850 ZPO gerichtet ist (BGH v. 21.07.2005 – IX ZR 115/04).

Kindergeld

Ebenso erstreckt sich die Abtretung der Arbeitseinkünfte nicht auf die Ansprüche des Schuldners auf Zahlung von Kindergeld. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Kindergeld von dem Arbeitgeber oder von der Kindergeldkasse ausbezahlt wird. Zur Pfändung des Kindergeldanspruchs, die nur im Rahmen des § 76 EStG bzw. § 54 Abs. 5 SGB I möglich ist, ist ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erforderlich, der sich ausdrücklich auf diesen Anspruch bezieht und die Familienkasse der Agentur für Arbeit als Drittschuldner ausweist. Auch die Abtretung der Ansprüche ist nur in diesem Rahmen möglich.

Anwendung der allgemeinen Pfändungsvorschriften

Der pfändbare und damit abtretbare Teil des Arbeitseinkommens ergibt sich unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen des Schuldners aus den Vorschriften der §§ 850a ff. ZPO. Zur Anwendung kommt dabei insbesondere auch die Tabelle zu § 850c ZPO, aus der sich der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens ablesen lässt. Schon nach § 400 BGB kann nur dieser Teil des Arbeitseinkommens überhaupt abgetreten werden, soweit nicht das Insolvenzgericht eine anderweitige Anordnung trifft.

Unpfändbare Einkommensteile

Nicht abtretbar und deshalb dem Schuldner zu belassen sind u.a. die in § 850a ZPO genannten Beträge. Der danach z.B. unpfändbare Betrag des Weihnachtsgeldes von bis zu 500 € gem. § 850a Nr. 4 ZPO, der dem Schuldner in der Wohlverhaltensperiode zu belassen ist, ist ein Bruttobetrag, in dem die darauf entfallenden Steuern und Sozialabgaben enthalten sind. Dem Schuldner muss der unpfändbare Betrag in voller Höhe verbleiben. Jedoch sind die auf die unpfändbaren Einkommensteile entfallenden Steuern und Abgaben nicht dem übrigen Einkommen zu entnehmen (BAG v. 17.04.2013 – 10 AZR 59/12). Auch diejenigen Einkommensteile, die dazu verwandt werden, eine Alterssicherung i.S.d. § 851c Abs. 1 ZPO aufzubauen, sind im Umfang der in § 851c Abs. 2 ZPO genannten Beträge unpfändbar und demnach nicht von der Abtretung betroffen (siehe auch Teil 3/7.3). Einkünfte i.S.d. § 850b ZPO sind dagegen von der Abtretung wohl umfasst (vgl. BGH v. 03.12.2009 – IX ZR 189/08); dies unabhängig davon, dass ihre Pfändbarkeit/Massezugehörigkeit erst durch das Insolvenzgericht unter Billigkeitsgesichtspunkten festgestellt werden muss.

Privilegierte Insolvenzgläubiger

Die zu erklärende Abtretung beschränkt sich auch dann auf die gem. § 850c ZPO pfändbaren Beträge, wenn zu den Insolvenzgläubigern Unterhaltsberechtigte gehören, zu deren Gunsten das Arbeitseinkommen gem. § 850d ZPO in erweitertem Umfang pfändbar ist.

Anordnungen des Insolvenzgerichts zum Umfang des abgetretenen Einkommens

Das Insolvenzgericht kann während der Wohlverhaltensphase auf Antrag Anordnungen zum Umfang der abgetretenen Bezüge treffen (§ 292 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 InsO; siehe auch Teil 11/3.4.6). Auf Antrag des Treuhänders kann das Insolvenzgericht z.B. bestimmen, dass Unterhaltsberechtigte des Schuldners bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens außer Betracht bleiben, wenn diese über eigenes Einkommen verfügen (§ 850c Abs. 4 ZPO). In Anwendung des § 850i ZPO kann dem Schuldner von den einmaligen Einkünften der Betrag belassen werden, der dem nach § 850c ZPO unpfändbaren Einkommen für die Zeit bis zum nächsten Zahlungseingang entspricht. Umgekehrt kann der Schuldner Anträge nach § 850f Abs. 1 ZPO an das Insolvenzgericht stellen. Eine Anhebung des pfändungsfreien Betrags gem. § 850f Abs. 1 ZPO kommt im Insolvenzverfahren auch in Betracht, wenn der Schuldner sein Einkommen an einen Gläubiger abgetreten hat. Über einen solchen Antrag entscheidet ebenfalls das Insolvenzgericht (AG Göttingen v. 19.06.2003 – 74 IN 247/01).

Erhöhung des unpfändbaren Betrags

Eine Anhebung des Pfändungsfreibetrags gem. § 850f Abs. 1 ZPO kommt im Insolvenzverfahren erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung in Betracht; eine nachträgliche Anhebung ist ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn der Treuhänder mit dem Schuldner vereinbart, dass der Schuldner pfändbare Beträge an eine Hinterlegungsstelle abführt, der Schuldner dies jedoch unterlässt und der Treuhänder den Schuldner erst nach einem Dreivierteljahr zur Zahlung mahnt (AG Göttingen v. 02.04.2003 – 74 IN 81/99).

Eine Anordnung des Insolvenzgerichts, nach der dem Schuldner mehr als der nach § 850c ZPO unpfändbare Einkommensteil zu belassen ist, verringert nur den zur Masse zu ziehenden allgemein pfändbaren Betrag. Sie hindert einen Unterhaltsgläubiger nicht daran, eine von § 89 InsO nicht betroffene Lohnpfändung in den Einkommensteil auszubringen, der nach § 850d ZPO nur durch Unterhaltsgläubiger gepfändet werden kann (siehe Teil 6/6.8.3.2).

Auch in Insolvenzverfahren, die vor dem 01.12.2001 eröffnet worden sind, ist der Umfang des Insolvenzbeschlags nach Maßgabe der §§ 850, 850a, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g–850i ZPO zu bestimmen (BGH v. 20.03.2003 – IX ZB 388/02).

Der Rechtsmittelzug richtet sich dabei nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften, wenn das Insolvenzgericht kraft besonderer Zuweisung funktional als Vollstreckungsgericht entscheidet (BGH v. 05.02.2004 – IX ZB 97/03). Gegen entsprechende Entscheidungen des Insolvenzgerichts ist damit die sofortige Beschwerde793 ZPO) statthaft.

Der Kreis der möglichen Anordnungen ist mit § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO abschließend aufgezählt. Demnach kann das Insolvenzgericht z.B. keine Bestimmung zu der ggf. umstrittenen Frage treffen, ob Ansprüche des Schuldners als Arbeitseinkommen gelten oder nicht.

Selbständig tätiger Schuldner

Auch der selbständig tätige Schuldner muss eine Abtretungserklärung hinsichtlich seiner künftigen Arbeitseinkünfte abgeben. Dass diese unter Umständen dann ins Leere geht, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung weiterhin selbständig arbeitet, spielt keine Rolle. Im Übrigen gilt für den selbständig tätigen Schuldner die Regelung des § 295a InsO (so auch BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 234/08). Danach ist der Schuldner verpflichtet, an den Treuhänder zumindest jährlich einen Betrag zu leisten, der dem pfändbaren Teil derjenigen fiktiven Einkünfte entspricht, die der Schuldner hätte, wäre er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen (vgl. BGH v. 19.07.2012 – IX ZB 188/09; siehe Teil 11/5.3.8).

Individualisierbarkeit der abzutretenden Ansprüche

Abtretung künftiger Einkommensansprüche

Soweit § 287 Abs. 2 InsO fordert, dass der Schuldner seine pfändbaren Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt, ist damit die Vorausabtretung zukünftiger Forderungen angesprochen. Eine solche ist nach BGH (BGHZ 7, 365) bereits dann wirksam, wenn diese Forderungen genügend individualisierbar sind. Für eine derartige Individualisierung reicht es aus, dass sich die Abtretung auf alle zukünftig der Pfändung unterworfenen Einkommensteile bezieht (BGH, WM 1976, 151). Es ist mithin nicht erforderlich, dass der Schuldner in seiner Abtretungserklärung bereits den Drittschuldner bezeichnet. Nach allgemeiner Auffassung können auch künftige Lohnforderungen gegen den jeweiligen Arbeitgeber abgetreten werden (BAG v. 24.10.1979 – 4 AZR 805/77).

Keine Einkünfte zum Zeitpunkt der Abtretung

Demzufolge ist für einen Antrag auf Restschuldbefreiung auch nicht Voraussetzung, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Antragstellung über laufende Einkünfte verfügt. Ebenso dürfte die Tatsache, dass ein Schuldner während der gesamten Wohlverhaltensperiode keine Einkünfte erzielt, die einen pfändbaren Betrag ergeben, nicht zur Versagung der Restschuldbefreiung während oder nach Ablauf der Wohlverhaltensphase führen. Jedenfalls enthält das Gesetz keine Regelung, nach der eine Versagung der Restschuldbefreiung für diesen Fall in Betracht kommt. Liegen die Einkünfte des Schuldners allerdings deshalb unter den Pfändungsfreigrenzen, weil er sich nicht ausreichend um eine Tätigkeit bemüht hat, die ihm ein höheres Einkommen erbracht hätte, so liegt ggf. ein Versagungsgrund nach § 295 Satz 1 Nr. 1 InsO vor.

Vorausverfügungen über das Arbeitseinkommen

Abtretung und Verpfändung

Hat der Schuldner sein (künftiges) Arbeitseinkommen bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen Dritten abgetreten oder verpfändet, so ist darin eine Vereinbarung zu sehen, die insoweit unwirksam ist, als sie die Abtretungserklärung vereiteln oder beeinträchtigten würde (§ 287 Abs. 3 InsO; Uhlenbruck/Sternal, InsO, § 287 Rdnr. 65–67). Die Unwirksamkeit gilt für die Dauer der Wohlverhaltensphase (BT-Drucks. 17/13535, S. 27), so dass eine vorgenommene Abtretung oder Verpfändung, soweit damit eine Insolvenzforderung gesichert wird, wieder auflebt, wenn dem Schuldner keine Restschuldbefreiung erteilt wird. Als Vereinbarung i.S.d. § 287 Abs. 3 InsO gelten daneben Bestimmungen, die den Ausschluss der Abtretbarkeit zum Gegenstand haben. Als solche kommen etwa Absprachen des Schuldners mit seinem Arbeitgeber in Betracht.

Pfändung

Eine Pfändung des (künftigen) Arbeitseinkommens, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und außerhalb der Sperrfrist des § 88 InsO ausgebracht wurde, steht der Wirksamkeit der Abtretung und des damit erworbenen Absonderungsrechts ebenfalls nicht entgegen. Nach dem Wegfall des § 114 Abs. 3 InsO ergibt sich zwar aus keiner Vorschrift der InsO explizit die Unwirksamkeit einer solchen Pfändung. Wenn aber nach § 294 Abs. 1 InsO die Zwangsvollstreckung in das Arbeitseinkommen des Schuldners während der Wohlverhaltensphase für Insolvenzgläubiger unzulässig ist, so kann daraus der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, das Arbeitseinkommen des Schuldners zugunsten der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger vor Zugriffen einzelner Insolvenzgläubiger zu schützen. Mithin ist die Pfändung der Lohn- und Lohnersatzansprüche wie eine Vereinbarung nach § 287 Abs. 3 InsO zu werten, die insoweit unwirksam ist, als sie die Abtretung vereiteln oder beeinträchtigen würde.

Vorausverfügung über die gesetzliche Altersrente

Die Abtretung, Verpfändung sowie die Pfändung der Altersrente ist insolvenzfest. Es handelt sich im Gegensatz zum Arbeitseinkommen nicht um künftige Forderungen (BGH v. 19.05.2009 – IX ZR 37/06; LG Hannover v. 19.03.2019 – 20 O 277/16). Vielmehr kann der Schuldner das Entstehen des Anspruchs nicht mehr einseitig verhindern. Auch wenn damit das Arbeitseinkommen und die Lohnersatzleistung in Bezug auf die Insolvenzfestigkeit eines daran erworbenen Absonderungsrechts unterschiedlich behandelt werden, so gilt doch für beide Leistungsformen die Regelung des § 287 Abs. 3 InsO. Somit wird auch die Abtretung der gesetzlichen Altersrente an den vom Insolvenzgericht zu bestellenden Treuhänder nicht dadurch gehindert, dass daran vor Insolvenzverfahrenseröffnung ein Absonderungsrecht begründet wurde.

Sicherung der Abtretung

Um die erfolgte Abtretung nicht zu beeinträchtigen, enthält die InsO mehrere Regelungen, die eine weitere Verfügung über das abzutretende Einkommen verhindern.

Unwirksamkeit weiterer Abtretungen

So sind dem Schuldner neuerliche Abtretungen verwehrt. Dies ergibt sich für die Zeit des laufenden Verfahrens aus § 81 Abs. 2 InsO, wonach eine Verfügung über künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge auch insoweit unwirksam ist, als die Bezüge für die Zeit nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens betroffen sind. Für die Zeit der Wohlverhaltensperiode ergibt sich die Unwirksamkeit einer neuerlichen Lohnabtretung aus der Tatsache, dass bereits abgetretene Ansprüche nicht nochmals abgetreten werden können. Die Abtretung von Einkommensteilen, die nicht der Pfändung gem. § 850c ZPO unterworfen sind, ist nach § 400 BGB ausgeschlossen.

Unzulässige Pfändung

Eine Pfändung des zukünftigen Arbeitseinkommens während des laufenden Insolvenzverfahrens ist gem. § 89 Abs. 2 InsO auch für solche Gläubiger unzulässig, die keine Insolvenzgläubiger sind, weil sie z.B. ihre Forderungen nach Verfahrenseröffnung gegen den Schuldner erworben haben (siehe auch § 38 InsO). Davon ausgenommen sind die Unterhaltsgläubiger sowie die Gläubiger, denen ein Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zusteht. Diese können die Zwangsvollstreckung wegen ihrer nach Verfahrenseröffnung begründeten Ansprüche auch während des laufenden Insolvenzverfahrens in die gem. § 850d ZPO bzw. § 850f Abs. 2 ZPO pfändbaren Einkommensteile betreiben (vgl. BGH v. 20.12.2007 – IX ZB 280/04). Für Unterhaltsgläubiger ist dabei allerdings zu beachten, dass § 850d ZPO nur für laufende und bis zu einem Jahr rückständige Unterhaltsansprüche gilt.

Während der Wohlverhaltensphase ergibt sich die Unpfändbarkeit der Bezüge des Schuldners für Insolvenzgläubiger aus § 294 Abs. 1 InsO, für sonstige Gläubiger aus der Tatsache, dass die Pfändung einer abgetretenen Forderung ins Leere geht. Unterhalts- und Deliktsgläubiger, deren Ansprüche nach Verfahrenseröffnung entstanden sind, können dagegen auch während der Wohlverhaltensperiode die Pfändung in die gem. § 850d ZPO bzw. § 850 f Abs. 2 ZPO pfändbaren Einkommensteile betreiben.

Änderung des unpfändbaren Betrags

Abtretbare Einkommensteile

Gemäß § 287 Abs. 2 InsO werden grundsätzlich die nach § 850c ZPO pfändbaren Einkommensteile abgetreten, da nur diese gem. § 400 BGB der Abtretung unterliegen. Mit § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO und dem hierauf gerichteten Verweis in § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO ist die Möglichkeit geschaffen, davon abweichende Bestimmungen durch das Insolvenzgericht zu treffen. Die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 850 ff. ZPO beinhaltet u.a. die Erhöhung der pfändbaren Einkommensteile auf Antrag des Treuhänders durch die Außerachtlassung eines Unterhaltsberechtigten bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens (vgl. § 850c Abs. 6 ZPO) oder durch die Zusammenrechnung mehrerer Einkünfte des Schuldners (vgl. § 850e Nr. 2 und Nr. 2a ZPO). Umgekehrt kann auf Antrag des Schuldners der unpfändbare Teil der Einkünfte durch das Insolvenzgericht angehoben werden, wenn etwa die Voraussetzungen des § 850f Abs. 1 ZPO vorliegen (vgl. BGH v. 23.04.2009 – IX ZB 35/08).

Konkurrenz mit Vorrechtsgläubiger

Trifft das Insolvenzgericht eine Anordnung, nach der das Einkommen des Schuldners über die Grenzen des § 850c ZPO hinaus an den Treuhänder abzuführen ist, geht dies nicht nur zu Lasten des Schuldners, sondern ggf. auch zu Lasten von Unterhalts- und Deliktsgläubigern, die ansonsten während der Wohlverhaltensphase in die nach § 850f Abs. 2 ZPO bzw. § 850d ZPO pfändbaren Einkommensteile ungeachtet des § 294 InsO vollstrecken können, soweit sie keine Insolvenzgläubiger sind. Der für diese Vorrechtsgläubiger zur Verfügung stehende Teil der Einkünfte wird durch die Anordnung des Insolvenzgerichts reduziert. Dies gilt auch dann, wenn die Pfändung eines Unterhalts- oder Deliktsgläubigers zeitlich vor einer Anordnung i.S.d. § 36 Abs. 1 InsO wirksam wurde.

Gerichtliche Bestimmung der Pfändbarkeit

Aus der Tatsache, dass das Insolvenzgericht in Anwendung des § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO den pfändbaren und damit abtretbaren Teil der Einkünfte abweichend von § 850c Abs. 1 und Abs. 2 ZPO bestimmen kann, ergibt sich, dass auch solche Einkommensteile grundsätzlich als abgetreten gelten, die erst durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung pfändbar werden (vgl. BGH v. 22.10.2009 – IX ZB 249/08).

Gerichtliche Entscheidungen im eröffneten Verfahren

Soll eine im eröffneten Insolvenzverfahren getroffene gerichtliche Entscheidung zum Umfang des massezugehörigen Arbeitseinkommens auch über die Beendigung des Insolvenzverfahrens hinaus während der Wohlverhaltensphase Wirkung entfalten, bedarf es einer entsprechenden Anordnung des Insolvenzgerichts (VG Berlin v. 25.03.2019 – 5 K 571.17).