Anfechtungstatbestände

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Kongruente Deckungsgeschäfte

Begriff

Definition

Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem (auch nachrangigen) Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung seines Anspruchs gewährt oder ermöglicht. Ermöglicht wird eine Sicherung oder Befriedigung in diesem Sinne z.B. durch ein Anerkenntnis. Die Rechtshandlung kann sowohl vom Schuldner als auch von einem Dritten, wie etwa dem Gläubiger, ausgehen.

Zahlung einer Geldstrafe als Deckungsgeschäft

Als Deckungsgeschäft in diesem Sinne gilt auch die Zahlung einer Geldstrafe an die Justizkasse. Inkongruent ist eine solche Zahlung dann, wenn dem Schuldner die Vollziehung der Ersatzfreiheitsstrafe unmittelbar droht, wenn also z.B. das Gesuch des Schuldners um Ratenzahlung oder Stundung seitens der Staatsanwaltschaft abgewiesen wurde (BGH v. 14.10.2010 – IX ZR 16/10).

Abgrenzung zu inkongruenten Deckungsgeschäften

Als kongruent i.S.d. § 130 InsO wird eine Sicherung oder Befriedigung in Abgrenzung zu § 131 InsO dann bezeichnet, wenn der Gläubiger die Sicherung oder Befriedigung genau in der Art und genau zu dieser Zeit, wie er sie erlangte, auch beanspruchen konnte. Abzustellen ist dabei regelmäßig auf die bei der Begründung des Gläubigeranspruchs zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung. Wird ein Anspruch auf Sicherung in demselben Vertrag eingeräumt, durch den der gesicherte Anspruch selbst entsteht, liegt in der späteren Gewährung der Sicherheit keine inkongruente Deckung, weil von Anfang an ein Anspruch auf die Sicherung bestand. Wird hingegen eine bereits bestehende Verbindlichkeit nachträglich besichert, kann darin eine inkongruente Handlung liegen (BGH, BGHZ 59, 230, 235 f.; BGH v. 04.12.1997 – IX ZR 47/97). Eine Scheckzahlung anstelle einer Barzahlung oder Überweisung stellt grundsätzlich eine kongruente Leistung dar, weil sie verkehrsüblich ist (BGH v. 09.01.2003 – IX ZR 85/02).

Ersetzungsvereinbarung

Soweit nach der Begründung des Gläubigeranspruchs eine Vereinbarung getroffen wird, nach der der Schuldner die Verbindlichkeit in einer anderen als der zunächst bestimmten Art befriedigen bzw. besichern kann, ist die Befriedigung oder Sicherung, die daraufhin erfolgt, nur dann kongruent, wenn die Ersetzungsvereinbarung nicht ihrerseits nach § 131 InsO oder § 133 InsO anfechtbar ist (BGH v. 02.02.2006 – IX ZR 67/02). Dies wird i.d.R. voraussetzen, dass die Änderungsabrede vor der Dreimonatsfrist (ausdrücklich oder stillschweigend) getroffen worden ist (BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12). Ist dies der Fall, kommt in aller Regel nur noch die Anfechtung nach § 133 InsO in Betracht (BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 159/12).

Beispiel

In dem zwischen dem Schuldner und der Bank abgeschlossenen Darlehensvertrag hat sich der Schuldner verpflichtet, der Bank zur Sicherung des Darlehens eine Grundschuld zu bestellen. Wird die Bank in der Folge als Gläubigerin der Grundschuld eingetragen, so handelt es sich dabei um eine kongruente Sicherung. Wurde dagegen zunächst keine Sicherung des Darlehens vereinbart, und erfolgte die Grundschuldbestellung erst zu einem späteren Zeitpunkt auf Drängen der Bank, als diese befürchtete, mit ihrer Forderung auszufallen, stellt die Grundschuldbestellung eine inkongruente Deckung dar.

Kontokorrentverhältnisse

Verrechnungen im Kontokorrent sind kongruent, soweit die Bank ihren Kunden (späteren Insolvenzschuldner) vereinbarungsgemäß wieder über die Eingänge verfügen lässt, insbesondere eine Kreditlinie offenhält (BGH v. 27.03.2008 – IX ZR 29/07). Die Rückführung eines von der Bank bewilligten, ungekündigten Kredits in der Zeit der wirtschaftlichen Krise des Schuldners (Kunden) ist dagegen auch dann inkongruent, wenn sie durch Saldierung im Kontokorrent erfolgt (vgl. BGH v. 07.05.2009 – IX ZR 140/08). Stellt eine Bank Zahlungseingänge ins Kontokorrent ein, kann in dem Umfang ein unanfechtbares Bargeschäft vorliegen, in dem sie ihren Kunden (Schuldner) wieder über den Gegenwert verfügen lässt. Ob der Schuldner den vereinbarten Kreditrahmen voll ausnutzt, ist grundsätzlich unerheblich (BGH v. 07.03.2002 – IX ZR 223/01).

Lastschrifteinzug als kongruente Befriedigung

Die Erfüllung einer Verbindlichkeit durch die Genehmigung der Belastungsbuchung stellt eine Rechtshandlung i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO dar, die dann, wenn die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands der §§ 130 ff. InsO erfüllt sind, der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter unterliegt. Anfechtungsgegner ist der begünstigte Gläubiger (BGH v. 29.05.2008 – IX ZR 42/07; vgl. auch BGH v. 02.04.2009 – IX ZR 171/07). Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners, denen der vorläufige Insolvenzverwalter zugestimmt hat, oder des vorläufigen Insolvenzverwalters, der namens und in Vollmacht des späteren Insolvenzschuldners gehandelt hat, können dann, wenn kein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet war, nach den Vorschriften der §§ 129 ff. InsO angefochten werden (BGH v. 30.09.2010 – IX ZR 177/07; vgl. auch BGH v. 29.11.2007 – IX ZR 165/05).

Einziehungsermächtigung

Der Lastschrifteinzug stellt regelmäßig eine kongruente Befriedigung dar. Bei einer Abbuchung aufgrund einer Einziehungsermächtigung liegt die anfechtbare Rechtshandlung (§ 129 InsO) in der Genehmigung des Schuldners, mit der er einen mehraktigen Zahlungsvorgang abschließt (BGH v. 04.11.2004 – IX ZR 22/03; BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06; BGH v. 29.05.2008 – IX ZR 42/07; BGH v. 02.04.2009 – IX ZR 171/07). Maßgeblich für die Anwendbarkeit von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist der Zeitraum zwischen Eröffnungsantrag und Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Hat der Schuldner die Belastungsbuchung bereits vor dem Eröffnungsantrag genehmigt, kommt demnach keine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO, sondern allenfalls eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO in Betracht.

Konkludente Genehmigung des Lastschrifteneinzugs durch den Schuldner

Die Lastschriftbuchung kann vom Schuldner auch durch konkludente Handlung genehmigt werden. Eine konkludente Genehmigung durch den Kontoinhaber kommt etwa dann in Betracht, wenn es sich für die Zahlstelle erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften handelt, wozu insbesondere auch wiederkehrende Abgabenzahlungen gehören können (BGH v. 20.07.2010 – XI ZR 236/07). Hat der Schuldner in der Vergangenheit solche Buchungen genehmigt und erhebt er in Kenntnis des Lastschrifteinzugs, der den bereits genehmigten betragsmäßig nicht wesentlich übersteigt, gegen diesen nach einer angemessenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben (BGH v. 07.10.2010 – IX ZR 209/09).

Genehmigung des Lastschrifteneinzugs durch den vorläufigen schwachen Verwalter

Eine im Einziehungsermächtigungsverfahren über das Konto des Schuldners mittels Lastschrift bewirkte Zahlung wird wirksam genehmigt, wenn der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter eine nach Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen fingierte Genehmigung des Schuldners entweder nach Ablauf der dort bestimmten Sechswochenfrist genehmigt oder ihr vor dem Ablauf der Frist zustimmt. Eine solche Erklärung ist gegenüber dem Schuldner oder der Schuldnerbank (Zahlstelle), nicht aber gegenüber dem Zahlungsempfänger abzugeben. Eine von dem Schuldner im Lastschriftweg veranlasste Zahlung gilt als genehmigt, wenn ihr der danach bestellte, mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter bis zum Ablauf der Sechswochenfrist nach Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen nicht widerspricht (BGH v. 30.09.2010 – IX ZR 178/09; Aufgabe von BGH v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, im Anschluss an BGH v. 10.06.2008 – XI ZR 283/07).

Anfechtungsvoraussetzungen

Ein kongruentes Deckungsgeschäft ist anfechtbar

gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn es innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurde, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte;

gem. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wenn es nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurde und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte; dabei kann der Eröffnungsantrag auch auf die Überschuldung oder eine drohende Zahlungsunfähigkeit gestützt worden sein.

Kenntnis des Gläubigers

Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO). Der anzunehmenden Zahlungsunfähigkeit steht es nicht entgegen, dass der Schuldner noch einzelne – sogar beträchtliche – Zahlungen leistet, sofern die unerfüllt gebliebenen Verbindlichkeiten nicht unwesentlich sind (BGH v. 25.09.1997 – IX ZR 231/96). Eine einmal eingetretene Zahlungsunfähigkeit kann nur dadurch beseitigt werden, dass die Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen werden (vgl. BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01). Die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Eine Bitte um Ratenzahlung ist nur dann ein Indiz für eine Zahlungseinstellung, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden wird, seine fälligen Verbindlichkeiten (anders) nicht begleichen zu können (BGH v. 16.04.2015 – IX ZR 6/14).

Fiktion der Kenntnis

Die Fiktion des § 9 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 InsO ist im Rahmen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht anwendbar. Der Insolvenzgläubiger muss sich nach Wirksamwerden der öffentlichen Bekanntmachung von Sicherungsmaßnahmen demnach nicht so behandeln lassen, als hätte er tatsächlich Kenntnis von dem Beschluss und damit auch von dem Eröffnungsantrag erlangt. Die Publizitätswirkung des § 9 InsO ist auf das Insolvenzverfahren beschränkt; für eine nach materiellem Recht verlangte Kenntnis stellt sie lediglich ein Indiz dar (BGH v. 07.10.2010 – IX ZR 209/09).

Kenntnis des Arbeitnehmers

Zur Kenntnis des Arbeitnehmers von der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers hat der BGH bereits mehrere Entscheidungen getroffen. Danach muss sich ein Arbeitnehmer, der durch seine Funktion Einblicke in die Vermögenssituation seines Arbeitgebers hat, eine frühere Kenntnisnahme eher zurechnen lassen als ein sonstiger Arbeitnehmer (vgl. BGH v. 19.02.2009 – IX ZR 62/08, ZIP 2009, 526; a.A. BAG v. 06.10.2011 – 6 AZR 731/10). Daneben ist auch die jeweilige Branche nicht ohne Bedeutung, in der sich eventuelle Zahlungsverzögerungen ergeben, die der Arbeitnehmer als Indiz für eine Insolvenzreife seines Arbeitgebers erkennen muss (vgl. BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 201/08). Bei Lohnrückständen von sieben bis neun Monatslöhnen wirkt es sich für den Arbeitnehmer nicht entlastend aus, dass aus seiner Sicht erhebliche Forderungen des Schuldners (Arbeitgebers) offenstanden und die Auftragsbücher "im Grunde voll gewesen" seien. Zahlungsrückstände der festgestellten Art können auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ersichtlich nicht als bloße Zahlungsstockung eingeordnet werden (BGH v. 04.02.2010 – IX ZR 32/09). Die sich ergebende Anfechtbarkeit von Zahlungen an den Arbeitnehmer in der Krise, also in den letzten drei Monaten vor der Antragstellung, hat das BAG mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um ein Bargeschäft (siehe Teil 7/3.3.3). Dem hat der BGH widersprochen und ein Bargeschäft nur für diejenigen Entgeltzahlungen bejaht, die innerhalb der letzten 30 Tage erfolgten (BGH v. 10.07.2014 – IX ZR 192/13).

Gesetzesänderung

In Verfahren, die nach dem 04.04.2017 eröffnet wurden, ist im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gem. § 142 Abs. 2 InsO ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt (vgl. BGBl I 2017, 654). Damit übernimmt der Gesetzgeber die vom BAG aufgestellten Grundsätze (BT-Drucks 18/7054, S. 20).

Wegfall der Kenntnis

Eine bereits vor der angefochtenen Rechtshandlung gegebene Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners entfällt, wenn er aufgrund neuer, objektiv geeigneter Tatsachen zu der Ansicht gelangt, nun sei der Schuldner möglicherweise wieder zahlungsfähig. Allerdings trägt der Gläubiger die Beweislast dafür, dass seine einmal gegebene Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der maßgebenden Rechtshandlung nicht mehr bestand (BGH v. 27.03.2008 – IX ZR 98/07).

Beispiel

Am 11.09.2020 beantragte die Schuldnerin S die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Schreiben vom 23.10.2020 unterrichtete die Schuldnerin ihre Gläubiger hiervon und von ihrer Absicht, eine Sanierung des überschuldeten Unternehmens zu versuchen. Sie bat alle Gläubiger, auf 80 % der jeweiligen Forderungen zu verzichten, und fügte eine entsprechende formularmäßige Verzichtserklärung ihrem Schreiben bei. Insolvenzgläubiger G, der seinerzeit 10.000 € von der Schuldnerin zu fordern hatte, verlangte Zahlung von 5.000 €, auf die restliche Forderung wollte er verzichten. Am 12.11.2020 nahm die Schuldnerin den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurück. Dies wurde dem G am 16.12.2020 mitgeteilt. Am 25.01.2021 überwies die Schuldnerin den Betrag von 5.000 € an G. Am 14.04.2021 stellte die Schuldnerin erneut einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, woraufhin am 14.07.2021 das Verfahren eröffnet wurde. Einer Anfechtung der Zahlung seitens des Insolvenzverwalters könnte G damit begegnen, dass er davon ausgehen konnte, dass die Schuldnerin zwischenzeitlich wieder zahlungsfähig wurde.

Kenntnis der Finanzverwaltung

Von der Kenntnis, z.B. der Finanzverwaltung von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen lassen, ist dann auszugehen, wenn der Schuldner, der mit seinen laufenden steuerlichen Verbindlichkeiten seit mehreren Monaten zunehmend in Rückstand geraten ist, lediglich eine Teilzahlung leistet und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er in Zukunft die fälligen Forderungen alsbald erfüllt (BGH v. 09.01.2003 – IX ZR 175/02).

Beweislast des Verwalters

Die Beweislast insbesondere auch für die Kenntnis des Gläubigers trägt der Insolvenzverwalter. Eine Beweislastumkehr ergibt sich aus § 130 Abs. 3 InsO für den Fall, dass der Gläubiger dem Schuldner i.S.d. § 138 InsO nahestand (siehe Teil 7/5). Steht die Kenntnis des Gläubigers von dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dadurch fest, dass er selbst den Eröffnungsantrag gestellt hat, so trifft den Gläubiger die Beweislast dafür, dass er nach Erledigterklärung seines Eröffnungsantrags davon ausgehen konnte, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners mittlerweile beseitigt wurde.

Fristbeginn

Die Dreimonatsfrist in § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO beginnt gem. § 139 Abs. 1 InsO mit dem Anfang des Tags, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Eröffnungsantrag bei dem Insolvenzgericht einging. Bei mehreren Eröffnungsanträgen ist der erste zulässige und begründete Antrag maßgeblich, auch wenn er mangels Masse abgewiesen wurde (§ 26 InsO) oder das Verfahren aufgrund eines anderen Antrags eröffnet werden konnte (§ 139 Abs. 2 InsO). Dabei kommt es nicht darauf an, dass zwischen den verschiedenen Anträgen ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Ein Zeitraum von drei bis vier Jahren, der zwischen den Anträgen liegt, stellt kein Hindernis dar. Ist allerdings nach Abweisung eines Antrags mangels zureichender Masse (§ 26 InsO) der Insolvenzgrund behoben worden und später erneut eingetreten, kann der erste Antrag nicht mehr ausschlaggebend sein ("einheitliche Insolvenz", BGH v. 14.10.1999 – IX ZR 142/98; BGH v. 15.11.2007 – IX ZR 212/06). Zurückgenommene (§ 4 InsO, § 269 Abs. 1 ZPO; a.A. OLG Celle, InVo 2002, 54), in der Hauptsache erledigte (§ 4 InsO, § 91a ZPO; vgl. OLG Dresden, ZInsO 2001, 910) oder verworfene Anträge sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01). Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner nach der Rücknahme des ersten Antrags seine Zahlungsfähigkeit nicht wiedergewonnen hat. Auf diese Grundsätze ist auch im Rahmen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO abzustellen. Wurde ein früherer Eröffnungsantrag allerdings wegen prozessualer Überholung für erledigt erklärt, bleibt dieser Eröffnungsantrag für die Berechnung der Frist maßgebend (BGH v. 02.04.2009 – IX ZR 145/08).